Der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft kann gem. § 1 Abs. 3 GrEStG als sog. Anteilsvereinigung der Grunderwerbsteuer unterliegen, wenn 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand konzentriert werden. Bei dem Begriff des „Anteils“ wurde jedoch in der Vergangenheit unterschiedlich für Personen- und Kapitalgesellschaften ausgelegt. Während bei der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft die Beteiligung am Gesellschaftskapital seit jeher maßgebend ist, wurde der Anteil an einer Personengesellschaft in der älteren Rechtsprechung nach Köpfen, also entsprechend der sachenrechtlichen Mitberechtigung des Gesellschafters, ermittelt (sog. Pro-Kopf-Betrachtung). Vor einigen Jahren hat der BFH bereits für die mittelbare Beteiligung an einer Personengesellschaft entschieden, dass hier ebenso die Beteiligung am Gesellschaftskapital zu berücksichtigen ist. Auf unmittelbarer Ebene hält die Finanzverwaltung jedoch weiterhin an der Pro-Kopf-Betrachtung fest. Dazu hat sich jetzt das FG Münster positioniert und sich für eine Abkehr von der Pro-Kopf-Betrachtung auch bei einem unmittelbaren Anteilerwerb ausgesprochen.

Hintergrund der Streitfrage und Sachverhalt der Entscheidung

Im vorliegenden Fall war die Klägerin eine Kapitalgesellschaft, die als Kommanditistin zu 100 % an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG beteiligt war. Die Komplementär-GmbH war hingegen vermögensmäßig nicht an der GmbH & Co. KG beteiligt. Sämtliche Anteile der Komplementär-GmbH wurden von dem Anteilseigner der Klägerin gehalten. Im Rahmen einer Umstrukturierung im Jahr 2014 wurden 100 % der Anteile an der Komplementär-GmbH in die Klägerin eingebracht. Das Finanzamt sah darin einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang. Bei Zugrundelegung der Pro-Kopf-Betrachtung lagen bei der grundbesitzenden GmbH & Co. KG vor der Umstrukturierung zwei Köpfe (einer bei der Klägerin und einer bei der Komplementär-GmbH) vor. Hingegen war nach der Umstrukturierung der Kopf der Komplementärin ebenso der Klägerin zuzuordnen, sodass die Klägerin nach Auffassung des Finanzamts erst infolge der Einbringung mindestens 90 % an der grundbesitzenden GmbH & Co. KG hielt.

Bislang hat der BFH die Pro-Kopf-Betrachtung lediglich für die mittelbare Beteiligung an einer Personengesellschaft aufgegeben. Für die unmittelbare Beteiligung hat der BFH bisher lediglich in einem Obiter Dictum angedeutet, dass es auch hier auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital ankomme, da es für die Entscheidung des BFH im konkreten Fall nicht relevant war. Die Finanzverwaltung beharrt in den jüngsten Erlassen bei unmittelbaren Beteiligungen weiterhin auf der Pro-Kopf-Betrachtung und sieht daher bei einer unmittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft weiterhin die sachenrechtliche Mitberechtigung des Gesellschafters als maßgebend an.

FG Münster zur Pro-Kopf-Betrachtung bei unmittelbarer Beteiligung

Das FG Münster widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung mit seinem Urteil vom 16. Januar 2025. Auch bei einer unmittelbaren Beteiligung sei auf die Beteiligung an der grundbesitzenden Personengesellschaft abzustellen. Hält der Erwerber bereits zuvor mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft, unterliege der Hinzuerwerb weiterer Anteile nicht der Grunderwerbsteuer.

Diese Sichtweise entspreche zwar nicht der bisherigen Rechtsprechung des BFH, jedoch sei eine Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Anteilsvereinigung nicht überzeugend. Es liege nahe, die Sichtweise des BFH zur mittelbaren Anteilsvereinigung auf die unmittelbare Anteilsvereinigung zu übertragen. Denn ein Gesellschafter, der allein am Vermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, habe die rechtliche Möglichkeit, seinen Willen in grunderwerbsteuerlich erheblicher Weise durchzusetzen. Der mittelbare Erwerb eines insoweit unerheblichen Anteils eines anderen Gesellschafters führe nicht zu einer Änderung der Situation.

Bewertung und Praxisfolgen

Das Urteil des FG Münster führt die vergangene Rechtsprechung des BFH zur Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung bei der Beurteilung einer Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) konsequent weiter. Die Entscheidung des FG Münster ist aus Sicht der Praxis zu begrüßen. Es würde die grunderwerbsteuerliche Beurteilung einer Anteilsvereinigung erleichtern, da in diesem Fall keine Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Beteiligung sowie nach Personen- oder Kapitalgesellschaften mehr notwendig ist. In allen Fällen wäre auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital abzustellen. Es ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung jedenfalls bis zur Entscheidung über das nun beim BFH anhängige Revisionsverfahren (Az. II R 5/25) an der Pro-Kopf-Betrachtung auf unmittelbarer Ebene festhalten wird. Steuerpflichtigen ist daher anzuraten, sich bei einer nachteiligen Anwendung der Pro-Kopf-Betrachtung durch die Finanzverwaltung gegen diese wehren.