Mit dem „Wachstumschancengesetz“ führte Deutschland zum 1.1.2025 die Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung für im Inland ansässige Unternehmen ein. Uns erreichen in letzter Zeit viele Anfragen zu rechtlichen und technischen Aspekten dieser E-Rechnungspflicht. Dies nehmen wir zum Anlass, diese Fragen umfassend zu besprechen und Unternehmen einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen, Herausforderungen und Chancen zu geben.
Das BMF hat in seinem Schreiben vom 15.10.2024 – III C 2 - S 7287-a/23/10001 :007, DOK 2024/0883282 bereits viele praxisrelevante Fragen beantwortet. Dieses bildet die Grundlage der vorhersehbaren Anwendung, daher sei für weiterführende Informationen auf dieses Schreiben verwiesen.
1. Was ist eine E-Rechnung und wie wird sie verwendet?
Eine E-Rechnung ist eine digitale Rechnung. Sie ist als streng formalisierte, strukturierte XML-Datei aufgebaut, maschinenlesbar und kann daher automatisch verarbeitet werden. Sie ersetzt die Papier- und PDF-Rechnung.
Grundlegende zu erfüllende Spezifikation des strukturierten Teils des Formats ist die Europäische Norm EN 16931 (§ 14 Abs. 1 S. 6 UStG). In Deutschland sind als gängige Varianten die mit der Grundnorm kompatiblen Formate XRechnung und ZUGFeRD (ab Version 2.0.1 im Hybrid-Format) etabliert. Eine Rechnung, die diese Vorgaben nicht erfüllt, wird im Umsatzsteuergesetz (UStG) als „sonstige Rechnung“ bezeichnet.
Die Erstellung der E-Rechnung erfolgt in dafür vorgesehenen Programmen, in denen die standardisierten Felder ausgefüllt werden. Für die erleichterte menschliche Lesbarkeit wird die XML-Datei ggf. mit speziellen Anwendungen angezeigt. Es gibt aber auch Hybride Formate (ZugFERD), bei denen sowohl eine XML-Datei als auch eine PDF erstellt wird. Die Versendung erfolgt grundsätzlich wie bei anderen digitalen Dateiformaten (z. B. PDF).
Die grundlegende Bedeutung der Rechnung selbst bleibt, insbesondere im Blick auf den Vorsteuerabzug, unverändert. Die neuen Regelungen betreffen lediglich das Format und die Art der Übermittlung. Sofern eine E-Rechnungspflicht besteht, berechtigt jedoch grundsätzlich nur eine ordnungsgemäße E-Rechnung zum Vorsteuerabzug.
2. Welche Vorteile hat die E-Rechnung?
Ein durch die E-Rechnung ermöglichtes digitales Rechnungswesen erlaubt dank der Einheitlichkeit des Formats eine weitgehend automatisierte Verarbeitung des Rechnungsein- und -ausgangs. Aufgrund der vorgesehenen Interoperabilität innerhalb der EU (Verordnung 2014/55/EU) gilt dies auch für grenzüberschreitende Vorgänge. Dadurch sinkt die individuelle Bearbeitungszeit und Betriebskosten können gesenkt werden. Insbesondere Forderungen und Kassenbestände können aufgrund höherer Transparenz leichter erfasst werden und die Steuerung von Compliance-Aufgaben wird erleichtert. Insgesamt schätzt die EU, dass durch den Übergang zur elektronischen Fakturierung innerhalb von sechs Jahren ca. 240 Mrd. Euro eingespart werden können.1
3. Welche neuen Regelungen gibt es und für wen gelten sie?
Seit dem 1.1.2025 besteht grundsätzlich die Verpflichtung, E-Rechnungen für Umsätze zwischen inländischen Unternehmern empfangen zu können (§ 14 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UStG).
Es gelten jedoch erhebliche Übergangsfristen nach § 27 Abs. 38 UStG: Es gilt noch keine Pflicht zur E-Ausgangsrechnungserteilung
(1.) allgemein für Umsätze bis 31.12.2026,
(2.) bis 31.12.2027, wenn der Gesamtumsatz des ausstellenden Unternehmers im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 Euro betragen hat, und
(3.) bis 31.12.2027, wenn die Rechnung mittels elektronischem Datenaustausch (EDI) übermittelt wird.
Wenn es sich um ein im Ausland ansässiges Unternehmen handelt, muss nach aktueller Rechtslage keine E-Rechnung ausgestellt werden (es wäre mit Zustimmung des Rechnungsempfängers aber gestattet).
Ab dem 1.7.2030 wird ViDA (Maßnahmenpaket „VAT in the Digital Age“ der EU) voll implementiert sein. Dann müssen auch dem EN-16931 Standard entsprechende E-Rechnungen für Lieferungen ins EU-Ausland gestellt werden. Es wird außerdem ein digitales Meldesystem für transnationale Umsätze geben, das die Zusammenfassende Meldung ersetzt.
4. Für welche Umsätze gelten diese Regelungen?
Ausgenommen von der E-Rechnungspflicht sind nach § 14 Abs. 2 S. 2 UStG steuerfreie Umsätze gem. § 4 Nr. 8 bis 29 UStG, Kleinbeträge bis 250 Euro sowie Fahrausweise (§§ 33 S. 4, 34 Abs. 1 S. 2 UStDV). Das heißt, für diese dürfen weiterhin sonstige Rechnungen ausgestellt werden.
Die Regelungen zur verpflichtenden Verwendung von E-Rechnungen gelten für Umsätze, bei denen der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b UStG), wenn
- sowohl Leistender als auch Leistungsempfänger im Inland ansässig sind,
- für Umsätze, die der Durchschnittssatzbesteuerung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterliegen,
- Reiseleistungen und für Umsätze, für welche die Differenzbesteuerung (§§ 24, 25, 25a UStG) angewendet wird.
5. Welche Änderungen ergeben sich für Kleinunternehmer iSd § 19 UStG?
Kleinunternehmer iSd § 19 UStG sind Unternehmer, deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 25.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überschreitet. Diese sind grundsätzlich von der Pflicht zur Ausstellung einer E-Rechnung befreit (§ 34a S. 4 UStDV), haben allerdings die Möglichkeit, E-Rechnungen zu verwenden. Bezüglich der Empfangsbereitschaft von E-Rechnungen seit dem 1.1.2025 gelten für Kleinunternehmer keine Ausnahmen.
Eine Neuregelung des Gesamtumsatzes (§ 19 Abs. 2 UStG) führt zu einer genaueren Bestimmung, welche Umsätze bei der Berechnung des Gesamtumsatzes berücksichtigt werden.
6. Was ändert sich für B2G Umsätze, und benötige ich eine Leitweg-ID?
Für B2G-Umsätze hat sich durch das Wachstumschancengesetz keine wesentliche Änderung ergeben. Bereits seit 2020 sind dort E-Rechnungen verpflichtend (§ 3 Abs. 1 ERechV). E-Rechnungen an die unmittelbare Bundesverwaltung müssen über das Rechnungsportal ZRE eingereicht werden, während E-Rechnungen an Einrichtungen der mittelbaren Bundesverwaltung über OZG-RE eingereicht werden.2
Die sog. Leitweg-ID ermöglicht eine elektronische Adressierung und Weiterleitung der E-Rechnung durch die zentralen Rechnungseingangsplattformen des Bundes an die angeschlossenen ERP- bzw. Freigabesysteme der Behörden und Einrichtungen der Bundesverwaltung. Sie ist auf jeder elektronischen Rechnung an öffentliche Auftraggeber der Bundesverwaltung anzugeben. Rechnungssteller benötigen keine eigene Leitweg-ID.3
7. Was ändert sich bezüglich des Inhalts der E-Rechnung?
Die E-Rechnung unterliegt denselben inhaltlichen Anforderungen wie die herkömmlichen Formate, insbesondere den Mindestanforderungen nach § 14 Abs. 4 UStG. Es bleibt bei dem EuGH-Grundsatz „substance over form“ (vgl. EuGH „Barlis 06“ und „Vadan“). Das BMF erkennt an, dass es anfangs zu Problemen bei der E-Rechnungsstellung kommen kann und legt einen großzügigen Maßstab an. Dennoch sollte von Anfang an auf Korrektheit geachtet werden, da weiterhin die Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gefordert ist.
8. Gibt es spezielle Regelungen für bestimmte Rechnungstypen?
Gilt die E-Rechnungspflicht, muss jede Art von Rechnung als solche ausgestellt und verarbeitet werden, d.h. u.a. umsatzsteuerliche Gutschriften, Stornorechnungen und Korrekturrechnungen. Auch Sammelrechnungen sind weiterhin zulässig. Standardisierte Codes für verschiedene Rechnungsarten können dann im entsprechenden Feld der E-Rechnung zur Klassifizierung angegeben werden.
Endrechnungen können aktuell technisch noch nicht im strukturierten Teil dargestellt werden, daher sollte vorzugsweise eine Restrechnung gestellt werden. Laut dem BFH wird bis zum 31.12.2027 nicht beanstandet, wenn eine Endrechnung als E-Rechnung mit Anhang ausgestellt wird.
Der gesonderte Versand einer besonderen Zusammenstellung der Anzahlungen, über die Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt worden sind, ist bei einer E-Rechnung nicht möglich.
9. Fallen Verträge und Dauerschuldverhältnisse unter die neue Regelung?
Sofern eine E-Rechnungspflicht besteht, muss zwingend eine E-Rechnung ausgestellt werden. Ein Vertrag als Rechnung genügt dann nicht mehr. Der Vertrag kann als ergänzende Angabe im Anhang der E-Rechnung aufgenommen werden. Dies bietet sich insbesondere für Dauerschuldverhältnisse an. So wird deutlich, dass es sich um eine Dauerrechnung handelt. Eine Ausnahme besteht hier für Verträge, die vor dem 1.1.2027 geschlossen wurden. Eine Änderung in der E-Rechnung muss erst erfolgen, wenn sich umsatzsteuerrechtliche Pflichtangaben ändern (bspw. Mieterhöhung bei einem Mietvertrag).
10. Was muss über Anhänge an die E-Rechnung dargestellt werden?
Die E-Rechnung muss im strukturierten XML-Teil alle relevanten Informationen enthalten, um die Leistung eindeutig und nachprüfbar zu dokumentieren. Zusätzliche Informationen, wie z. B. Stundennachweise oder Verträge, können im Anhang beigefügt werden.
11. Wie können E-Rechnungen korrigiert werden?
Der Rechnungsaussteller kann E-Rechnungen berichtigen, sofern eine berichtigungsfähige Rechnung vorliegt und nicht alle Pflichtangaben enthalten oder Angaben fehlerhaft sind. Dies gilt auch für den Fall, in dem trotz E-Rechnungspflicht fälschlicherweise eine sonstige Rechnung ausgestellt wurde. Eine wirksame Berichtigung wirkt unter den übrigen Voraussetzungen auf den Zeitpunkt der Ausstellung der ursprünglichen E-Rechnung zurück.4 Dazu genügt es, die fehlenden oder unzutreffenden Angaben zu übermitteln, sofern das korrigierende Dokument sich spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezieht. Wird keine Rechnungsberichtigung vorgenommen, wird die ausgestellte (sonstige) Rechnung möglicherweise als objektiver Nachweis iSv Abschn. 15.2a Abs. 1a UStAE berücksichtigt und kann unter strengen Anforderungen ggfs. zum Vorsteuerabzug berechtigen (s. hierzu das o.g. BMF-Schreiben).
Für Inhalt und Form der Korrektur gelten dieselben Voraussetzungen wie für eine erste Ausstellung einer Rechnung (s. § 31 Abs. 5 UStDV). Aus technischer Sicht ist daher zu empfehlen, immer eine E-Rechnung auszustellen, falls eine Verpflichtung dazu besteht.
12. Welche Regelungen gelten für die Archivierung von E-Rechnungen? Wie kann ich diese Anforderungen technisch umsetzen?
Der strukturierte Teil einer E-Rechnung muss nach den Anforderungen des § 14b UStG in seiner ursprünglichen Form revisionssicher aufbewahrt werden; insbesondere ist seine Unveränderbarkeit sicherzustellen.5 Dies gilt, abgesehen von wenigen Ausnahmen,6 für alle Rechnungen, deren Aufbewahrungsfrist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens zum 1.1.2025 der Änderungen noch nicht abgelaufen ist. Kleinunternehmer sind nicht von der Aufbewahrungspflicht nach § 14b UStG ausgenommen und haben, falls sie sich für die Ausstellung von E-Rechnungen entscheiden, diese ordnungsgemäß zu archivieren.
Werden Rechnungen elektronisch aufbewahrt und erlauben sie einen Online-Zugriff, was für E-Rechnungen der Standardfall ist, so ist gem. § 14b Abs. 2 S. 2 UStG eine Aufbewahrung auch außerhalb des Inlands im übrigen Gemeinschaftsgebiet möglich. Für die technischen Details der ordnungsgemäßen Aufbewahrung sei auf das BMF-Schreiben vom 28.11.20197 verwiesen – für E-Rechnungen ergeben sich insofern keine Neuerungen.
Die Aufbewahrungspflicht für Rechnungen ist von zehn auf acht Jahre abgesenkt worden. Zur Aufbewahrung darüber hinaus ist jedoch zu raten, zumindest bis die Verjährungsfrist von Steuerstraftaten abgelaufen ist (vgl. § 376 AO).
13. Wie kann ich E-Rechnungen empfangen, und welche technischen Voraussetzungen sind notwendig?
Software wird über den gesamten Lebenszyklus der E-Rechnung benötigt – von der Erstellung über die Versendung und Verarbeitung und schließlich bis zur Archivierung. E-Rechnungen können über verschiedene Kanäle empfangen und versendet werden, z. B. per E-Mail oder über spezialisierte Plattformen wie PEPPOL oder ZRE. Die optimale technische Lösung hängt von der Größe und den Anforderungen des Unternehmens ab.
Es ist unabhängig von der spezifischen Softwarelösung entscheidend, die Integrität der Daten während des gesamten Vorgangs durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen wie Verschlüsselung oder qualifizierte digitale Signaturen zu gewährleisten.
14. Welche Fehlerquellen gibt es bei E-Rechnungen und wie kann ich diese validieren?
E-Rechnungs-spezifische Fehlerquellen umfassen beispielsweise unvollständige Pflichtfelder, falsche Logik in der Kombination erforderlicher Felder oder davon abhängiger Berechnung und die Verwendung technisch nicht zulässigen Inhalts in den Feldern oder des XML-Formats. Die technische Validierung kann mithilfe von Softwaretools erfolgen, die jeweils einzelfallbezogen und auf die Anforderungen des Unternehmens zugeschnitten ausgewählt werden sollten.
Eine inhaltliche Validierung wird wie bisher hauptsächlich durch den Aussteller bzw. Empfänger und seine Berater zu leisten sein, um beispielsweise die Verwendung des korrekten Steuersatzes für die jeweilige Rechnungsposition zu gewährleisten.
15. Welche Software wird für die Erstellung und Verarbeitung von E-Rechnungen empfohlen?
Für die Erstellung von E-Rechnungen gibt es zahlreiche kostenfreie und kostenpflichtige Softwarelösungen von verschiedenem Umfang, angepasst an unterschiedliche Zielgruppen. Relevant sind insbesondere Programme, die eine formale und syntaktische Validierung der Rechnung vornehmen können. In Italien existiert ein von der dortigen Steuerverwaltung betriebenes Portal (Sistema di Interscambio), welches die Korrektheit des Formats prüft. Bis in Deutschland auch eine solche Lösung vorliegt, wird auf private Anbieter oder Open-Source-Lösungen zurückzugreifen sein.
Die Änderungen durch die E-Rechnung sind umfassend, bieten allerdings vielfältige Chancen für Ihr Unternehmen: Zur eigenen Digitalisierung und zum Kostenabbau, zur Erleichterung und Beschleunigung der betrieblichen Vorgänge – sei es zur Vereinfachung des Rechnungslaufs und Einsparung von Lagerplatz für Papierbelege, sei es größer gedacht bis hin zu einem präzisen Rechnungs- und Steuercontrolling in Echtzeit.
Wir unterstützen Sie bei allen Schritten dieses Prozesses, um nicht nur die Herausforderungen der initialen administrativen Bürde zu meistern, sondern die Potenziale für Ihr Unternehmen voll auszuschöpfen.
--------------------------
- https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2010:0712:FIN:en:PDF, S. 2, 3.
- https://www.e-rechnung-bund.de/
- S. für weitere Details: https://www.e-rechnung-bund.de/faq/leitweg-id/
- Vgl. BMF v. 18.9.2020, BStBl. I 2020, BSTBL Jahr 2020 I Seite 976, DStR 2020, DSTR Jahr 2020 S. 2131.
- S. für Einzelheiten hierzu BMF-Schreiben v. 28.11.2019, BStBl. I 2019, 1269, BeckVerw 453300 Rn. 131 und 133
- § 27 Abs. 40 UStG
- BMF IV A 4 - S 0316/19/10003 :001; DOK 2019/0962810