EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug bei Kureinrichtungen

13.06.2022 | FGS Blog
Dr. Andreas Erdbrügger      Dr. Alena Kirchinger

Die Frage des Vorsteuerabzugs ist ein Dauerbrenner in der Besteuerung der öffentlichen Hand. Nachdem das Hängeseilbrücken-Urteil des BFH die Hoffnung auf eine großzügige Handhabe des Vorsteuerabzugs für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) bestärkt hat, erfährt die angedeutete großzügige Rechtsprechungslinie durch einen neuen Vorlagebeschluss des BFH einen Dämpfer – jedenfalls im Bereich der Kureinrichtungen.

­­­­­Bisherige Behandlung

Zuerst mit diesem Problem beschäftigte sich der V. Senat des BFH 2016, als er entschied, dass ein Kurort, der seinen Marktplatz gemischt hoheitlich und wirtschaftlich verwendet, nur für den wirtschaftlichen Teil anteilig Vorsteuerabzug geltend machen kann.  Auf das Urteil folgte eine Änderung des UStAE, welche  klarstellte, dass  die unternehmerische Nutzung der Kuranlagen durch Personen, die nicht Kurgäste sind, in den hoheitlichen Bereich fällt und  somit für diesen Teil kein Vorsteuerabzug möglich ist.  Das BMF hat mit Schreiben vom 25. Mai 2022 den Anwendungsbereich des vorherigen Schreibens auf Sachverhalte ab dem 1. Januar 2018 begrenzt.

Vorabentscheidungsersuchen des BFH

In einem Vorabentscheidungsersuchen legt der BFH dem EuGH nun die Frage vor, ob eine Gemeinde, die eine Kureinrichtung betreibt, mit dieser überhaupt wirtschaftlich tätig ist. Nur dann hätte die Gemeinde einen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den bezogenen Eingangsleistungen. Außerdem fragt der BFH, ob im Falle einer entgeltlichen Tätigkeit eine Nichtbesteuerung wegen fehlenden Wettbewerbes im Gemeindegebiet greifen könnte.

Sachverhalt

Die klagende Gemeinde betreibt und unterhält Kuranlagen in Form von Parks, Kurhaus, etc. Die Herstellung und Instandhaltung der Einrichtungen finanziert sie aus einer Kurtaxe. Die Kuranlagen sind frei zugänglich, ein Nachweis für die Bezahlung der Kurtaxe ist nicht notwendig. Zudem betreiben die benachbarten Kurorte ihre Kureinrichtungen auf privatrechtlicher Grundlage in Form einer GmbH.

Argumentation des BFH

Der BFH deutet an, aufgrund der kostenlosen Nutzbarkeit durch die Allgemeinheit bereits eine entgeltliche Leistung verneinen zu wollen. Es fehle schon an einem identifizierbaren Leistungsempfänger. Bei einer Finanzierung durch (Pflicht-)Beiträge liege keine Leistung gegen Entgelt vor, wenn sich die Vorteile der Dienstleistung nur mittelbar aus Vorteilen für die Allgemeinheit ergeben. Es bestehe für die zahlenden Besucher insoweit kein spezieller Vorteil gegenüber dem der Allgemeinheit.

 

Zweifel an dieser Einordnung hat der BFH jedoch vor dem Hintergrund der Rs. Gemeente Borsele. In diesem Verfahren prüfte der EuGH einen Leistungsaustausch im Rahmen des Schülertransports, obwohl nur etwa 1/3 der Eltern dafür bezahlten.

Vergleich mit anderen aktuellen Urteilen

Die in der Vorlageentscheidung zu Tage tretende Tendenz des BFH weist nur auf den ersten Blick eine Diskrepanz zu anderen jüngeren Entscheidungen, wie etwa dem Hängeseilbrücken-Urteil auf (dazu mehr in diesem Blogbeitrag). Denn am Ende der Vorlageentscheidung deutet der BFH an, dass er den Vorsteuerabzug in höherem Maße als in der Marktplatz-Entscheidung gewähren würde, wenn die Tätigkeit der Kurgemeinde entgeltlich und unternehmerisch wäre.

Ausblick

Die Großzügigkeit in der Gewährung des Vorsteuerabzugs aus den jüngeren Urteilen von EuGH und BFH, scheint zwar nicht unbedingt auf dem Prüfstand zu stehen, der BFH nimmt aber eine neue Betrachtung von Tätigkeiten der öffentlichen Hand vor, die sich auch auf andere Bereiche auswirken könnte. Eine klare Abgrenzung zu den in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen über Hängeseilbrücken, mystischen Wanderwegen, etc. erscheint zurzeit nur schwer greifbar. Ob der EuGH allerdings hier mehr aussagt als in seiner bisherigen Rechtsprechung, mag bezweifelt werden.

 

Für die Umstellung auf § 2b UStG schafft der Vorlagebeschluss damit nun wieder einige Unsicherheiten für die öffentliche Hand. Mit Blick auf den Zeitrahmen – zum 31.12.2022 läuft die Option zur alten Rechtslage aus – werden jPöR die Entscheidung des EuGH in der vorgelegten Rechtssache wohl nicht abwarten können. Sie müssen vorher entscheiden, ob sie bei individuellen Grenzfällen im Dunstkreis der Rechtsprechung zum direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Ausgangstätigkeit den Vorsteuerabzug geltend machen.