EuGH-Vorlage zu Gutscheinen in Vertriebsketten

22.02.2023 | FGS Blog

Nach dem AdV (Aussetzung der Vollziehung)-Beschluss zur Umsatzsteuer beim Vertrieb von Sony Playstation-Guthabenkarten, hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun seine Urteile im Hauptsacheverfahren veröffentlicht. Der BFH bekräftigt seine im letzten Jahr angedeuteten Zweifel an der seit 2019 bestehenden Gutscheinregelung bei Vertriebsketten mit Einzweckgutscheinen und legt die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Nach der alten Rechtslage war der Fall für den BFH dagegen klar.

Fragliche Ausgangssituation

Die Klägerin verkaufte in ihrem Onlineshop unter anderem Guthabenkarten, mit denen ein Benutzerkonto aufgeladen werden konnte. Mit diesem Guthaben konnten digitale Inhalte im Playstation-Store erworben werden. Sie waren mit einer Länderkennung versehen. Der Verkauf der Guthabenkarten erfolgte online, der Nutzer konnte die erworbenen Guthabencodes wenige Minuten nach Zahlungseingang per E-Mail erhalten und dann sofort nutzen. Die Klägerin selbst erwarb diese Codes über einen Zwischenhändler in der EU und versteuerte weder den Erwerb noch den Verkauf. Denn trotz der Länderkennung sei nicht sicher gewesen, dass die Erwerber aus Deutschland kamen und somit alle Voraussetzungen für einen Einzweckgutschein vorlagen.

Das Finanzamt und das Finanzgericht gingen hingegen davon aus, dass durch die begrenzte Einlösbarkeit auf in dem Store erhältliche digitale Inhalte und die Länderkennung Deutschlands ein Einzweckgutschein vorläge, der als solcher bei Verkauf versteuert werden muss.

Lösung nach dem bis 2018 geltenden Recht

Der BFH mit Beschluss vom 29. November 2022 XI R 11/21 ist der Auffassung, dass bei Guthabenkarten mit deutscher Länderkennung eine hinreichend bestimmbare Leistung anzunehmen ist. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass sich Kunden vertragswidrig verhalten, folglich steht der Ort der in der Karte verkörperten Leistung fest. Die Guthabenkarten wurden nur an Endverbraucher, nicht an gewerbliche Händler verkauft, womit auch der Empfänger der Leistung hinreichend bestimmbar war. Mit dem Kauf des Guthabens war der jeweilige Nutzer in der Lage, die digitalen Inhalte aus dem Store zu erwerben, womit auch der Zweck der Karte hinreichend bestimmbar war. Die Guthabenkarten konnten wie eine Ware gehandelt werden. Damit waren sie vor Inkrafttreten der § 3 Abs. 13 ff. UStG nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils Lebara über die Anzahlungsbesteuerung zu versteuerbar.

EuGH-Vorlage zur Besteuerung von Gutscheinen

Für die Entscheidung über die Behandlung von Gutscheinen ab 2019 hat der BFH mit Beschluss vom 3. November 2022 XI R 21/21 zwei Vorlagefragen an den EuGH gestellt.

Die erste Vorlagefrage des BFH thematisiert, ob ein Einzweckgutschein vorliegt, wenn zwar der Ort der Dienstleistungen an die Endverbraucher aufgrund der Länderkennung feststeht, aber die steuerpflichtige Übertragung des Gutscheins zu einer Steuerbarkeit in einem anderen Mitgliedsstaat führt.

aber die Fiktion des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL, nach der auch die Übertragung des Gutscheins zwischen Steuerpflichtigen zur Erbringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, zu einer Dienstleistung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats führt.

Die zweite Vorlagefrage greift bei Verneinung der ersten Frage. Dann möchte der BFH wissen, ob jede Übertragung des Gutscheins der Mehrwertsteuer unterliegt oder lediglich die letzte in der Übertragungskette und ob diese Steuerpflicht einer anderen entgegensteht.

 ob Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL, wonach die tatsächliche Erbringung der Dienstleistungen, für die der Erbringer der Dienstleistungen einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleistung oder Teil einer solchen annimmt, der Mehrwertsteuer gemäß Art. 2 MwStSystRL unterliegt, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Mehrwertsteuer unterliegt, einer anderweitig begründeten entgegensteht.

Unterscheidung bei Zustimmung des EuGH obsolet

Die Klassifizierung und Besteuerung von Gutscheinen ist ein absoluter Dauerbrenner in der Umsatzsteuer. Die EuGH-Vorlage birgt eine erhebliche Sprengkraft. Sollte sich der EuGH den Zweifeln des BFH anschließen, wäre die Unterscheidung in Einzweck- und Mehrzweckgutscheine in vielen Fällen ihres Sinnes beraubt.