EuGH: § 1 AStG europarechtswidrig

11.06.2018

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der Rechtssache C-382/16 (Hornbach) zu einer möglichen Europarechtswidrigkeit des deutschen § 1 Außensteuergesetz (AStG) entschieden.

Anwendungsbereich des § 1 AStG

Gemäß § 1 AStG sind die Einkünfte des deutschen Steuerpflichtigen zu korrigieren, wenn grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen nicht fremdüblich bepreist wurden. Im nationalen Steuerrecht besteht hingegen keine Norm für Zuwendungen nicht einlagefähiger Vermögensvorteile an deutsche Tochter- oder Enkelgesellschaften.

Der Fall

Im entschiedenen Fall hatte die deutsche Muttergesellschaft (Hornbach-Baumarkt AG) unentgeltlich gegenüber ihren niederländischen Enkelgesellschaften Patronatserklärungen abgegeben. Diese waren zur Fremdkapitalfinanzierung durch Banken notwendig, da die niederländischen Enkelgesellschaften ein negatives Eigenkapital auswiesen. Von der deutschen Finanzverwaltung wurden Einkünftekorrekturen gemäß § 1 AStG für den Veranlagungszeitraum 2003 mit der Begründung vorgenommen, dass auf Grund des damit verbundenen Haftungsrisikos zwischen fremden Dritten keine unentgeltlichen Patronatserklärungen erteilt worden wären.

Die Entscheidung

Auf das Vorlageersuchen des FG Rheinland-Pfalz vom 28.6.2016 hat der EuGH entschieden, dass eine Norm wie § 1 AStG, welche vorliegend die Niederlassungsfreiheit einschränkt, nur dann nicht europarechtswidrig ist, wenn dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, wirtschaftliche Gründe für ein nicht fremdübliches Verhalten vorzubringen. Der EuGH führt hierzu aus, dass ausreichende wirtschaftliche Gründe sich auch „durch das wirtschaftliche Eigeninteresse der Hornbach-Baumarkt AG am geschäftlichen Erfolg der ausländischen Konzerngesellschaften erklären, an dem sie über Gewinnausschüttungen partizipiert, sowie durch eine gewisse Verantwortung der Klägerin des Ausgangsverfahrens als Gesellschafterin bei der Finanzierung dieser Gesellschaften.“ Demnach dürfte der EuGH als wirtschaftlichen Grund für Stützungsmaßnahmen auch die ansonsten drohenden Auswirkungen auf den Beteiligungsbuchwert anerkennen. M.a.W. könnten nicht fremdübliche Stützungsmaßnahmen bei drohender Minderung des Beteiligungsbuchwerts als wirtschaftlich begründet angesehen werden und dürften dann keine Korrektur gem. § 1 AStG auslösen.

 

Der Europäische Gerichtshof hat die Entscheidung an das FG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen. Dieses muss nun feststellen, ob vom Steuerpflichtigen ausreichende wirtschaftliche Gründe für das nichtfremdübliche Verhalten dargelegt werden können.

Urteilsgrundsätze für andere Gesetzesfassungen gültig?

Da sich das Urteil auf die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit bezieht, sind von einer etwaigen Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG zunächst nur grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen innerhalb der EU betroffen. Der Fall betrifft i.e.S. nur § 1 AStG in der im VZ 2003 geltenden Fassung. Die seitdem ergangenen Gesetzesänderungen des § 1 AStG beinhalten weiterhin keine Möglichkeit, dass wirtschaftliche Gründe – wie die Erzielung von Dividenden und die Sicherung des Beteiligungswertes – für ein unschädliches nicht fremdübliches Verhalten vorgetragen werden können.

Übertragbarkeit auf andere Sachverhaltsgrundsätze

Ferner stellt sich die Frage, inwiefern die Grundsätze des Urteils auf andere Sachverhalte übertragen werden können. Beispielsweise ist bislang ein Vorteilsausgleich zweier gegenläufiger, nicht fremdüblich bepreister Geschäftsbeziehungen gem. der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH v. 8.6.1977, BStBl. II 1977, 704) nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Insbesondere setzt ein Vorteilsausgleich eine vorherige schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien hierüber sowie eine Kalkulation der jeweiligen Vor- und Nachteile voraus. Da im vorliegenden EuGH-Urteil auch explizit ausgeführt wird, dass die Darlegung der wirtschaftlichen Gründe keine „übermäßigen Verwaltungszwänge“ auslösen darf, könnte argumentiert werden, dass zukünftig ein Vorteilsausgleich auch ohne diese formellen Anforderungen anzuerkennen ist.

 

Hohe Praxisrelevanz sollte das Urteil insbesondere auch für die Erbringung von Dienstleistungen durch deutsche Muttergesellschaften an Tochter- bzw. Enkelgesellschaften in der EU haben. Gerade diese Art der Geschäftsbeziehungen werden derzeit in Betriebsprüfungen intensiv diskutiert. Da Dienstleistungen nicht einlagefähig sind, besteht für analoge nationale Sachverhalte keine Korrekturnorm. Nach der vorliegenden EuGH-Rechtsprechung dürften Korrekturen auf Basis des § 1 AStG nicht vorgenommen, wenn die Dienstleistungen im wirtschaftlichen Eigeninteresse der Mutter am geschäftlichen Erfolg der ausländischen Konzerntochter erbracht werden.