Erstanwendung der neuen versicherungsmathematischen Sterbetafeln

17.10.2018

Die Bewertung von Pensionsrückstellungen erfordert versicherungsmathematische Annahmen. Neben dem Zinssatz sind dies vor allem Annahmen über die Überlebenswahrscheinlichkeiten der Pensionsberechtigten, die in Sterbetafeln ausgedrückt werden. Üblicherweise werden hierfür die Sterbetafeln der HEUBECK AG zu Grunde gelegt. Die bisher in der Praxis verwendete statistische Auswertung stammt aus dem Jahr 2005 (RT 2005 G). Am 20. Juli 2018 wurden neue Richttafeln veröffentlicht (RT 2018 G), die am 4. Oktober 2018 aufgrund der Verwendung inkonsistenter Datengrundlagen nochmals überarbeitet wurden.

 

Die Heubeck-Richttafeln haben keine Gesetzeskraft und sehen daher keinen formellen Erstanwendungszeitpunkt vor. Das Bundesfinanzministerium (BMF) beschäftigt sich derzeit mit diesen Richttafeln. Es ist zu erwarten, dass - wie in der Vergangenheit - das BMF hierzu in einem gesonderten BMF-Schreiben Stellung nehmen wird, ob und wann diese Richttafeln für ertragsteuerliche Zwecke anzuwenden sind.

 

Für die HGB- und die IFRS-Bilanzierung hat der Hauptfachausschuss (HFA) des IDW die Auswirkung der neuen Richttafeln RT 2018 G für die Handelsbilanz und die IFRS-Bilanzierung erörtert.

Berücksichtigung in der Handelsbilanz

Die neuen Richttafeln können handelsbilanziell berücksichtigt werden, sobald die Tabellenwerke als allgemein anerkannt gelten (IDW RS HFA 30 n.F. Tz. 62) und damit bessere Schätzwerte darstellen als die bislang zu Grunde gelegten. Dabei ist nach Auffassung des HFA die Anerkennung durch das BMF für ertragsteuerliche Zwecke - neben der tatsächlichen Verwendung durch die Rechnungslegungspraxis (insb. durch Aktuare) - ein deutlicher Indikator für die allgemeine Anerkennung der neuen Richttafeln.

 

Für Abschlüsse, deren Stichtag nach dem Tag liegt, an dem das BMF das finale BMF-Schreiben auf der Website veröffentlicht, ist nach Auffassung des HFA grundsätzlich von einer allgemeinen Anerkennung auszugehen. Hiervon ist allerdings ausnahmsweise nicht auszugehen, solange die Validierung/Implementierung der neuen Richttafeln durch die Rechnungslegungspraxis noch nicht hinreichend fortgeschritten ist.

 

Nicht relevant für die HGB-Bilanzierung soll nach Auffassung des HFA dagegen die materielle Ausgestaltung etwaiger ertragsteuerlicher Übergangsregelungen sein. Auch soll es nicht darauf ankommen, wann das BMF-Schreiben im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird. Für Abschlüsse, deren Stichtag vor dem Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens liegt, können die neuen Richttafeln freiwillig angewendet werden, wenn es weitere Anhaltspunkte für die allgemeine Anerkennung gibt. Diese können bspw. auch in einer Veröffentlichung des BMF-Schreibens noch in der Aufstellungsphase des Abschlusses liegen.

 

Die Erfolgswirkungen aus der Erstanwendung sind in voller Höhe, ohne eine zeitliche Verteilung, in den HGB-Abschlüssen zu erfassen.

Bilanzierung nach IFRS

Auch für die IFRS-Bilanzierung müssten die versicherungsmathematischen Annahmen für die Bewertung von Pensionsrückstellungen der bestmöglichen Schätzung (IAS 19.76) entsprechen und dürfen unter Verwendung von Standardsterbetafeln ermittelt werden (IAS 19.82). Auch hier soll die Anerkennung durch das BMF als Maßstab für die allgemeine Anerkennung dienen. Die Anpassungsbeträge sind abweichend von der HGB-Rechnungslegung erfolgsneutral im sonstigen Ergebnis zu erfassen (IAS 19.57 (d) i.V.m. 19.128). Nach Auffassung des HFA sind in den Zwischenabschlüssen - bis zum regulären Abschlussstichtag der Erstanwendung - die neuen Richttafeln dagegen noch nicht anzuwenden.

Folgen für die Praxis

Die Erstwendung der neuen Richttafeln wird zu einer weiteren Erhöhung der Pensionsrückstellungen in den Bilanzen führen. Für die Steuerbilanz wird je nach Zusammensetzung des Bestandes an Pensionsberechtigten eine Erhöhung der Pensionsrückstellungen um 0,5 % bis 1,2 % erwartet.

 

Für die HGB- und die IFRS-Bilanzierung soll die Erhöhung mit 1,0 % bis 2,0 % regelmäßig höher ausfallen. Die erstmalige Erfassung dieser Umstellungseffekte macht das IDW von der Veröffentlichung eines hierzu für steuerliche Zwecke noch zu erlassenden BMF-Schreibens abhängig. Sollte dieses bis zum Abschlussstichtag noch nicht veröffentlicht sein, besteht faktisch ein Wahlrecht, in welchem Geschäftsjahr die Umstellungseffekte zu erfassen sind. Neben der Belastung aus der Erstanwendung der neuen Richttafeln tritt für die Handelsbilanz zudem der Effekt aus dem weiter sinkenden 10-Jahresdurchschnittszinssatz nach § 253 Abs. 2 HGB.