Erbschaftsteuerliche und schenkungsteuerliche Begünstigung von Unternehmen mit unfertigen oder leerstehenden Immobilien

Die erbschaftsteuerliche Behandlung von Immobilien wirft in der Praxis regelmäßig komplexe Rechtsfragen auf. Besonders die Abgrenzung zwischen begünstigtem Unternehmensvermögen und sogenanntem Verwaltungsvermögen spielt für viele Steuerpflichtige, insbesondere Familienunternehmen und Immobiliengesellschaften, eine entscheidende Rolle. Dabei steht häufig die Frage im Mittelpunkt, unter welchen Voraussetzungen Immobilien von den steuerlichen Begünstigungen profitieren können.
Vor diesem Hintergrund hat das Finanzgericht (FG) Münster mit Urteil vom 14. November 2024 (Az. 3 K 906/23 F) ein für die Praxis bedeutendes Urteil gefällt. Danach sind noch nicht vermietete (und im Urteilsfall auch noch nicht bezugsfertige) bebaute Immobilien von den erbschaftsteuerlichen Begünstigungen für Unternehmensvermögen umfasst, also gerade kein sogenanntes begünstigungsschädliches Verwaltungsvermögen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Absicht besteht, die Immobilien nach Fertigstellung an Dritte zu vermieten.
Die Entscheidung ist von großer Bedeutung für viele Familienunternehmen und Immobiliengesellschaften, da Immobilien regelmäßig hohe Werte aufweisen. Zum einen lässt sie sich auf sämtliche Grundstücke und Bauten übertragen und ist nicht auf laufende noch nicht abgeschlossene Bauvorhaben begrenzt. Zum anderen gilt sie neben den praktisch häufigen Fällen einer beabsichtigten Vermietung auch für sämtliche andere Formen der beabsichtigten Nutzungsüberlassung an Dritte. Auf eine Entgeltlichkeit oder die Dauer der Nutzungsüberlassung kommt es dabei nicht an.
In dem Urteilsfall stellte sich die Frage, ob „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke“ und damit erbschaftsteuerlich grundsätzlich nicht begünstigtes sogenanntes Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG) auch vorliegt, wenn im Übertragungszeitpunkt (nur) die Absicht besteht, die übertragenen Grundstücke nach Fertigstellung der Bebauung zu vermieten. Konkret wurden die geschenkten Grundstücke mit Ferienhäusern bebaut, die im Übertragungszeitpunkt noch nicht bezugsfertig waren. Das Finanzamt hatte hier vertreten, dass bereits die bei der Übertragung schon bestehende Absicht, die Ferienhäuser nach ihrer Fertigstellung an Dritte zu vermieten, einer erbschaftsteuerlichen Begünstigung der Immobilien entgegenstehe.
Das FG Münster hat diese Auffassung des Finanzamts überzeugend mit einer Auslegung ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik und des Regelungszwecks abgelehnt. Das Gericht schloss sich dabei einer früheren Entscheidung des FG Köln an und führt zutreffend aus: „Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig. Entscheidend ist danach lediglich die tatsächliche Nutzungsüberlassung an Dritte („Dritten zur Nutzung überlassene“) im Zeitpunkt der Steuerentstehung“. Bereits eine am Übertragungsstichtag bestehende Absicht einer zukünftigen Vermietung ausreichen zu lassen, würde dem klaren Gesetzeswortlaut widersprechen. Auch eine zu Lasten des Steuerpflichtigen wirkende Erweiterung des Verwaltungsvermögenskatalogs durch eine analoge Anwendung wird vom FG Münster zutreffend als unzulässig abgelehnt.
Die aufgestellten Grundsätze lassen sich auf weitere Fallgruppen übertragen, bei denen eine Zuordnung zum Verwaltungsvermögen und damit grundsätzlich ein Ausschluss der erbschaftsteuerlichen Begünstigung unseres Erachtens ebenfalls ausscheidet:
Ist am Übertragungsstichtag eine Vermietung zwar beabsichtigt, aber noch nicht vereinbart, ist die Immobilie noch nicht Dritten zur Nutzung überlassen, egal ob sich das Gebäude noch im Bau befindet oder bereits fertiggestellt ist. Gleiches gilt sowohl bei laufenden Bauvorhaben als auch bei fertiggestellten Gebäuden, wenn am Übertragungsstichtag zwar schon ein Mietvertrag vorliegt, die Schlüsselübergabe nach dem Mietvertrag (und auch tatsächlich) aber erst nach dem Übertragungsstichtag erfolgt. Selbst wenn die im Zeitpunkt der Übertragung leerstehende Immobilie erst kurz vor der Übertragung nicht mehr und kurz danach wieder vermietet wird, liegt kein Verwaltungsvermögen vor.
Sofern nach einem nicht entscheidungserheblichen Hinweis des FG Münster ein gezielt durch Kündigung herbeigeführter Leerstand „regelmäßig“ als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten angesehen werden könnte, vermag dies nicht zu überzeugen. Es ist eine Vielzahl an Fällen denkbar, in welchen ein solcher „gezielter Leerstand“ nicht als missbräuchlich anzusehen ist. Man denke nur an eine beabsichtigte Neuvermietung an andere Personen oder einen (vorübergehenden) Leerstand aufgrund von Sanierungs- oder Renovierungsmaßnahmen.
Für die Praxis ist mit Interesse im Blick zu behalten, ob die vom FG Münster zugelassene Revision tatsächlich eingelegt wird und wenn ja, wie der Bundesfinanzhof in dem Fall höchstrichterlich entscheidet. Soweit umsetzbar, sollte daher vor einer geplanten Übertragung bei leerstehenden oder noch im Bau befindlichen Gebäuden zumindest vorsorglich vom Abschluss eines Mietvertrages abgesehen werden. Zudem sollten Gründe für Leerstände bzw. Kündigungen möglichst dokumentiert werden. In der praktischen Handhabung kann es sich im jeweiligen Einzelfall auch empfehlen, den Leerstand selbst (z. B. durch Fotos) zu dokumentieren. Letztlich bietet sich abhängig von den Umständen des Einzelfalls als sicherster Weg stets die Einholung einer sogenannten verbindlichen Auskunft an, um das geplante Vorhaben steuerlich abzusichern.