Finanztransaktionen sind ein Dauerbrenner in Betriebsprüfungen, was sich auch an der mittlerweile beachtlichen Anzahl finanzgerichtlicher Entscheidungen zeigt. Dabei schienen die typischen Streitpunkte durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in seinen „Zinsentscheidungen“ ihren vorläufigen Schlusspunkt gefunden zu haben. Mit der Einführung der § 1 Abs. 3d und 3e AStG im Rahmen des Wachstumschancengesetzes wurden die Karten indessen neu gemischt. Besonders misslich ist dabei, dass die neuen Regelungen von zahlreichen Unklarheiten und Auslegungsschwierigkeiten geprägt sind.
Nunmehr hat das Bundesfinanzministerium (BMF) am 14.08.2024 seine diesbezügliche Auffassung in einem Entwurf zur Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze-Verrechnungspreise aus dem Jahr 2023 dargelegt und den Verbänden zur Stellungnahme bis zum 06.09.2024 zugeleitet. Darin sind – was durchaus überraschen mag – einige Erleichterungen und Vereinfachungen enthalten.
Anerkennung von Finanzierungsbeziehungen dem Grunde nach
Gem. § 1 Abs. 3d Nr. 1 AStG ist einem Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen vorausgesetzt, dass das vermeintliche Darlehen als solches anerkannt, d.h. nicht als Einlage umqualifiziert wird. Hierbei muss in einem ersten Schritt die Kapitaldienstfähigkeit über die gesamte Laufzeit glaubhaft gemacht werden. In diesem Zusammenhang stellt die Finanzverwaltung nun klar, dass dies auch unter Berücksichtigung einer Anschlussfinanzierung dargelegt werden kann. Mit anderen Worten ist es nicht erforderlich, dass ein Darlehen innerhalb der Laufzeit vollständig getilgt wird. Hierin ist eine erhebliche Erleichterung zu sehen, weil anderenfalls bspw. kurzfristige Darlehen gegenüber langfristigen Darlehen benachteiligt würden.
Ferner setzt die Anerkennung der Fremdfinanzierung dem Grunde nach den Nachweis der wirtschaftlichen Notwendigkeit sowie der Verwendung im Einklang mit dem Unternehmenszweck voraus. Hierbei soll es – was ebenso überraschend wie erfreulich ist –als fremdüblich anzuerkennen sein, wenn eine Kreditaufnahme zur Bewirkung einer Gewinnausschüttung erfolgt.
Ferner soll es unschädlich sein, wenn bspw. bei einer Akquisitionsfinanzierung ein Kapitalpuffer eingeplant wird bzw. wenn Finanzmittel kurzfristig im unternehmensinternen Cash Pool angelegt werden. Beides könnte bei einer profiskalischen Lesart der Norm durchaus in Zweifel gezogen werden.
Außerdem stellt das BMF klar, dass bspw. auch risikobehaftete Start-Up-Finanzierungen anzuerkennen sein können. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3d AStG auch risikoadäquate Zinssätze geltend gemacht werden können. Das BMF lässt diesen Aspekt bislang offen.
Schließlich hält das BMF durchaus überraschend fest, dass die Finanzierungsbeziehung bei Nichterfüllung der in § 1 Abs. 3d Nr. 1 AStG normierten Voraussetzungen nur „in Höhe des fremdunüblichen Teils“ (d.h. „insoweit“) rückgängig zu machen ist. Gleichwohl regelt das Gesetz an dieser Stelle eigentlich ein konditionales Verständnis („wenn“), welches eine vollumfängliche Umqualifizierung der Finanzierungsbeziehung in die Hingabe von Eigenkapital nahelegt.
Anforderungen an die Glaubhaftmachung
Nach dem Gesetzeswortlaut hat der Steuerpflichtige die Voraussetzungen für die Anerkennung dem Grunde nach „glaubhaft“ zu machen. Dies setzt voraus, dass die konkreten Umstände substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden. Insoweit soll es auf „die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Kriterien erfüllt werden“ ankommen. Wie konkret dies gelingen mag, lässt das Entwurfsschreiben zwar offen. Deutlich wird jedoch, dass das BMF den Gesetzeswortlaut in begrüßenswerter Weise anerkennt und insbesondere nicht auf Anforderungen abstellt, die letztlich auf einen „Nachweis“ hinauslaufen würden.
Bestimmung des fremdüblichen Zinssatzes
Den Vorgaben des § 1 Abs. 3d Nr. 2 AStG folgend soll der fremdübliche (d.h. anzuerkennende) Zinssatz auf denjenigen beschränkt sein, der sich aus dem Rating der Unternehmensgruppe (Konzernrating) ergibt. Dem Steuerpflichtigen bleibt es insoweit freilich unbenommen, ein Rating bzw. einen Zinssatz nachzuweisen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.
In diesem Zusammenhang verweist das BMF (wie schon die Gesetzesbegründung) auf den Nachweis einer besseren Bonität des Darlehensnehmers. Dass dies kein praxisrelevanter Anwendungsfall ist, liegt auf der Hand. Vielmehr kann insoweit nur der Nachweis einer schlechteren Bonität (und damit eines höheren anzuerkennenden Zinssatzes) eine Rolle spielen.
Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Konkretisierungen des durch den Steuerpflichtigen zu führenden Nachweises. Die Finanzverwaltung will insoweit – was durchaus überzeugend ist – auf die strategische Relevanz des Darlehensnehmers für die Gruppe abstellen. Hierbei soll neben dem im Gesetzeswortlaut angelegten Top-down-Ansatz auch der (durch die OECD favorisierte) Bottom-up-Ansatz anerkannt werden. In seinen konkreten Hinweisen stützt sich das BMF dabei auf eine tabellarische Übersicht, die an die Verlautbarungen der großen Ratingagenturen angelehnt scheint.
Bestandsschutz für bestehende Finanzierungsbeziehungen
Erfreulicherweise scheint das BMF einen gewissen Bestandsschutz für bestehende Finanzbeziehungen vorzusehen. Konkret sollen die Neuregelungen nicht für vor dem 01.01.2024 abgeschlossene und tatsächlich begonnene Finanzierungsbeziehungen gelten. Dies steht aber unter der Voraussetzung, dass diese nicht nach dem 31.12.2023 wesentlich geändert oder über den 31.12.2024 hinaus fortgeführt werden. Im Ergebnis wird dem Steuerpflichtigen damit für das Jahr 2024 ein Wahlrecht eingeräumt, bestehende Finanzierungsbeziehungen aufzuheben oder anzupassen. Spätestens ab dem 01.01.2025 unterliegen auch bestehende Darlehen den neuen Regelungen.
Funktions- und risikoarme Finanzierungsdienstleistungen
Eher wenige Hinweise enthält der Entwurf des BMF-Schreibens hinsichtlich der – in der Anwendungspraxis mit zahlreichen Schwierigkeiten behafteten – Regelungen des § 1 Abs. 3e AStG betreffend sog. funktions- und risikoarme Finanzierungsdienstleistungen . In diesem Zusammenhang steht zu hoffen, dass der Gesetzgeber erneut tätig wird und insbesondere klärt, welche Rechtsfolge die Norm eigentlich nach sich ziehen soll. Denn aktuell lässt sich diese allenfalls aus dem Zusammenspiel der Vorschrift mit § 1 Abs. 1 AStG ableiten. Zwingend ist dieses Verständnis hingegen nicht.