Dieser Blog-Beitrag ist in Zusammenarbeit mit unserer französichen Kollegin Marie Clever von Arsene Taxand entstanden.
Vor Beginn einer Betriebsprüfung sind die Steuerbehörden in Frankreich verpflichtet, den überprüften Steuerpflichtigen anhand eines Ankündigungsschreibens (avis d’imposition) über die beginnende Prüfung zu informieren. Das höchste französische Verwaltungsgericht (Conseil d’Etat) hat sich am 3. Februar 2023 zu den Verpflichtungen der Steuerbehörden im Falle einer ausländischen Gesellschaft mit vermeintlicher Betriebsstätte in Frankreich geäußert, bei dem das Ankündigungsschreiben an den Sitz der vermeintlichen Betriebsstätte bzw. einen nur eingeschränkt bevollmächtigten Steuervertreter adressiert war. Das Gericht entschied, dass die Betriebsprüfungen in diesen Fällen (teilweise) rechtswidrig sind, da die Betriebsprüfung nicht korrekt angekündigt wird.
Sachverhalt
Die Betriebsprüfung einer portugiesischen Gesellschaft mit einer vermeintlichen Betriebsstätte in Frankreich begann wie gesetzlich vorgesehen mit der schriftlichen Ankündigung der Prüfung. Diese adressierten die Steuerbehörden an die französische Adresse der vermeintlichen Betriebsstätte bzw. den französischen Steuervertreter, welcher jedoch lediglich für Zwecke der Umsatzsteuer bevollmächtigt war. Der Bevollmächtigte war gleichzeitig Gesellschafter der portugiesischen Gesellschaft.
Anwendbares französisches Steuerrecht
Die französischen Steuerbehörden müssen im Falle einer Betriebsprüfung verschiedene gesetzlich bestehende Garantien zugunsten der überprüften Steuerpflichtigen beachten. Andernfalls ist die Steuerprüfung unwirksam und das Verfahren nichtig. Die Unwirksamkeit erstreckt sich auf sämtliche auf der Betriebsprüfung basierenden Bescheide. Unter anderem müssen die Steuerbehörden die formellen Regeln hinsichtlich der Information des Steuerpflichtigen bezüglich der anstehenden Betriebsprüfung beachten. Gemäß Artikel L 47 des LPF (Livre des Procédures Fiscales) muss das Ankündigungsschreiben an den Sitz der überprüften Gesellschaft adressiert werden. Aufgrund einer Gesetzeslücke bezüglich ausländischer Gesellschaften musste sich der Conseil d’Etat zu diesem Thema mehrfach äußern.
Entscheidung des Conseil d’Etat
In der ersten und zweiten Instanz hatten die Richter die Begründung einer Betriebsstätte der portugiesischen Gesellschaft in Frankreich bestätigt, ohne auf das Verfahrensargument bezüglich des Ankündigungsschreibens einzugehen. Der Conseil d’Etat hob das Urteil der zweiten Instanz auf, da das Verfahrensargument nicht ausreichend geprüft worden war. Jedoch entscheidet der Conseil d’Etat gemäß den französischen Regeln (insoweit vergleichbar den deutschen Verfahrensregeln) nicht endgültig den Streitfall, da er sich nur auf die Rechtsfragen bezieht. Der Fall musste anschließend erneut von einem Gericht der zweiten Instanz entschieden werden. Dies führte zu einem zweiten Urteil der Vorinstanz, zu dem der Conseil d’Etat sich am 3. Februar 2023 erneut äußerte.
Laut dem Conseil d’Etat muss das Ankündigungsschreiben im Prinzip an den ausländischen Sitz der Gesellschaft gesendet werden. Benennt ein im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger einen Steuervertreter in Frankreich nur für bestimmte Steuerarten (hier Umsatzsteuer), ermöglicht dies den französischen Steuerbehörden diesem ausschließlich Schreiben zu diesen Steuerart zukommen zu lassen und nicht zu anderen (hier bezüglich der Körperschaftssteuer). Wenn die Steuerbehörden das Ankündigungsschreiben nur dem Steuervertreter für Umsatzsteuerzwecke in Frankreich zukommen lassen, ist die Betriebsprüfung entsprechend nur in Bezug auf die Umsatzsteuer rechtmäßig. Für andere Steuerarten (bspw. Körperschaftssteuer) ist die Prüfung dementsprechend unrechtmäßig.
In der vorliegenden Sache war der Steuervertreter jedoch auch faktischer Geschäftsführer. Die Tatsache, dass das Schreiben direkt an ihn gesendet wurde, hat also nicht zur Nichtigkeit des Verfahrens geführt. Der Conseil d’Etat entschied bereits 1993, dass das Ankündigungsschreiben rechtmäßig an den faktischen Geschäftsführer adressiert sein kann.
Bedeutung
Das Urteil des Conseil d‘Etat stellt klar, dass im Falle einer ausländischen Gesellschaft die Verfahrensschreiben und Steuerbescheide an den ausländischen Sitz gesendet werden müssen, um wirksam zu sein. Es gibt nur zwei Ausnahmen von dieser Regel : (i) Im Falle eines Steuervertreters für bestimmte steuerliche Zwecke bleiben die verschiedenen Informationsschreiben oder Bescheide bezüglich dieser Steuer(n) gültig; (ii) im Falle eines faktischen Geschäftsführers in Frankreich können die verschiedenen Informationsschreiben oder Bescheide direkt an diesen gesendet werden.
Nach unserer Einschätzung gilt diese Rechtsprechung jedoch nur für vermeintliche Betriebsstätten, die nicht erklärt wurden und nicht für Betriebsstätten hinsichtlich deren Existenz Einigkeit besteht.
Das Urteil hat auch aus Sicht von in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen mit vermeintlicher Betriebsstätte in Frankreich Bedeutung. Soweit die Betriebsprüfungsankündigung nicht an den deutschen Sitz der Gesellschaft bzw. nicht den für die jeweilige Steuerart zuständigen Vertreter versandt wurde, sind die daraus ergangenen Bescheide unwirksam. In diesen Fällen wird es den französischen Steuerbehörden oft verwehrt sein, die geprüften Jahre erneut aufzugreifen, da in der Regel Verjährung eingetreten sein dürfte.