Die kürzlich aktualisierten Fachlichen Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) der Bundesagentur für Arbeit bergen neue Risiken für Unternehmen, die den Service eines sogenannten „Employer of Record“ in Anspruch nehmen. Ein „Employer of Record“ (EoR) bezeichnet einen spezialisierten Dienstleister, der Unternehmen beim internationalen Personaleinsatz unterstützt. In der Regel handelt es sich dabei um eine Personalagentur, die im Ausland Arbeitnehmer vor Ort anstellt und diese anschließend an ein inländisches Unternehmen überlässt. Dieses Vorgehen ermöglicht es dem Entleiher in Deutschland, durch die lokalen Arbeitnehmer im Ausland zu operieren, ohne selbst Arbeitgeber zu sein. Das spart Zeit, Geld und nicht zuletzt die Beschäftigung mit ausländischen Vorgaben und Gesetzen aus Compliance-Sicht.
Anwendbarkeit des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
Rechtlich handelt es sich bei dem Modell Employer of Record um eine Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG – sofern der räumliche Geltungsbereich des AÜG eröffnet ist. Die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit bedarf grundsätzlich der behördlichen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Bei Fehlen einer solchen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis drohen empfindliche Sanktionen, beispielsweise in Gestalt von Bußgeldern bis zu 30.000 Euro. Aus der Einordnung als Arbeitnehmerüberlassung ergeben sich daneben auch inhaltliche Beschränkungen und Vorgaben, wie beispielsweise die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten.
Das AÜG erfasst allerdings nur „deutsche“ Arbeitnehmerüberlassungen. Für die Erlaubnispflicht nach dem AÜG ist das Territorialitätsprinzip maßgeblich. Die Arbeitnehmerüberlassung muss also eine gewisse Verbindung zu Deutschland aufweisen („hinreichender Inlandsbezug“). Nach bisher herrschender Meinung kam die Erlaubnispflicht nach dem AÜG in der „Standardkonstellation“ nicht zur Anwendung, wenn nur der Entleiher seinen Sitz in Deutschland hatte und sich sowohl der Employer of Record als auch der (physische) Tätigkeitsort des Arbeitnehmers im Ausland befanden. Risiken bestanden nur dann, wenn die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit, sei es auch nur kurzfristig, auf deutschem Boden ausübten, z. B. aufgrund einer Dienstreise.
Änderungen der Fachlichen Weisungen
Die seit Oktober 2024 geltenden Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit enthalten erhebliche Änderungen in Bezug auf die Frage, wie weit der Geltungsbereich der Erlaubnispflicht nach dem AÜG reicht.
In der neuen Fassung der Fachlichen Weisungen heißt es:
„Um den Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung zu wahren, kann bei Arbeitsleistungen, die ortsunabhängig ausschließlich im Homeoffice bzw. als ausschließliche Telearbeit erbracht werden, nicht allein darauf abgestellt werden, wo sich der Leiharbeitnehmer rein körperlich befindet. Erlaubnisrechtlich ist es entscheidend, ob die Überlassung Inlandsbezug aufweist. Das ist bei ortsunabhängigen Arbeitsleistungen regelmäßig der Fall, wenn der Leiharbeitnehmer virtuell für einen inländischen Entleiher tätig wird.“
Risiken ergeben sich damit insbesondere bei Tätigkeiten, die vollständig „remote“ erbracht werden können – und damit insbesondere für die weitestgehend ortsunabhängige IT-Branche. Künftig wird bei solchen Arbeitsleistungen bereits ein „virtueller Inlandsbezug“ als ausreichend angesehen, so dass es auf eine physische Präsenz auf deutschem Boden nicht mehr ankommt. In diesen Fällen kann nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit der Sitz des Entleihers im Inland ausreichen, um die Anwendbarkeit des AÜG zu begründen.
Ausblick & Praxisempfehlung
In den Änderungen der Fachlichen Weisungen könnte ein Bruch mit dem Territorialitätsprinzip gesehen werden. Obwohl sich die Bundesagentur für Arbeit mit ihrer Auffassung dogmatisch auf dünnem Eis bewegt, bestehen die oben beschriebenen Risiken faktisch insbesondere bei Arbeitnehmern, die ortsunabhängig digital im Ausland tätig werden. Bisher ist noch unklar, wie genau die Umsetzung durch die Bundesagentur für Arbeit in der Praxis erfolgen wird und wann ein „virtueller Inlandsbezug“ zu befürchten ist. Um die dennoch drohenden Sanktionen bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung zu vermeiden, sollten entsprechende Konstellationen dringend überprüft werden. Es ist nicht mehr ausreichend, sich auf die physische Tätigkeit im Ausland zu verlassen.
An dieser Stelle möchten wir Sie gerne auch auf unsere Webinarreihe „Spotlight Arbeitsrecht“ hinweisen, in deren Rahmen im Januar ein vertiefender Vortrag zum Thema „Employer of Record“ stattfinden wird. Neben der in diesem Beitrag behandelten Thematik gehen wir im Webinar auch auf andere arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Implikationen in verschiedenen Konstellationen ein. Hier können Sie sich für unseren Einladungsverteiler anmelden und erhalten so in den nächsten Wochen die konkrete Einladung (bitte das Häkchen bei „Arbeits-/Sozialversicherungsrecht“ setzen).