Neun Monate nach dem Inkrafttreten des Mindeststeuergesetzes (MinStG) hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) bereits den Diskussionsentwurf eines Anpassungsgesetzes veröffentlicht. Ziel dieses Diskussionsentwurfs ist es, die dritte Verwaltungsrichtlinie der OECD, die im Schwerpunkt den CbCR-Safe-Harbour betreffen, umzusetzen (vgl. FGS-Blogbeiträge v. 10.10.2023, v. 02.01.2024, v. 10.01.2024 sowie v. 17.01.2024). Zudem sieht das BMF redaktionellen und tatsächlichen Anpassungsbedarf insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung latenter Steuern im Übergangsjahr.
Qualifizierter länderbezogener Bericht als Voraussetzung
Der CbCR-Safe-Harbour enthält drei selbstständige Tests, die auf Basis eines „qualifizierten“ länderbezogenen Berichts anzuwenden sind. Die OECD hat im Dezember 2023 ihre dritte Verwaltungsrichtlinie zum Inclusive Framework mit umfänglichen Hinweisen zu Anwendung und notwendigen Voraussetzungen der CbCR-Safe-Harbour Regelung veröffentlicht. Dies betrifft insbesondere die Berücksichtigung von Bilanzierungsanpassungen bei einer Kaufpreisallokation (sog. „PPA Adjustments“), die jurisdiktionsbezogene Betrachtungsweise bei Joint-Venture Gestaltungen und Einzelfragen zu den verwendeten Datenquellen eines „qualifizierten“ länderbezogenen Berichts. Zudem werden Aspekte für die Ermittlung des vereinfacht berechneten effektiven Steuersatzes (sog. „ETR-Test“), zum sog. „Substanztest“ sowie für eine vereinfachte Safe-Harbour Regelung für nicht wesentliche Geschäftseinheiten angesprochen.
Umsetzung der dritten Verwaltungsrichtlinie in nationales Recht
§§ 87a und 87b MinStG-E setzen die aus der dritten Verwaltungsrichtlinie bekannten (zusätzlichen) Anforderungen an die Datenbasis des qualifizierten länderbezogenen Berichts in nationales Recht um. Sie enthalten verpflichtende Regelungen zur Anpassung der den CbCR-Safe-Harbour-Tests zugrundeliegenden Gewinn- und Steuergrößen bei PPA Adjustments und Inkongruenzen.
Nach § 87a MinStG-E sind PPA Adjustments in den Berichtspaketen und/oder Jahresabschlüssen, die dem länderbezogenen Bericht zugrunde liegen, ausnahmsweise unschädlich, wenn sie in allen länderbezogenen Berichten für nach dem 31.12.2022 beginnende Geschäftsjahre durchgehend enthalten sind oder eine erstmalige gesetzliche oder aufsichtsrechtliche Verpflichtung zum Einbezug besteht. Wertminderungen eines Geschäfts- oder Firmenwerts, welcher auf einem Beteiligungserwerb nach dem 30.11.2021 beruht, sind gleichwohl unter Berücksichtigung latenter Steuern zu neutralisieren. Hier gilt es, sehr zeitnah die Prozesse zur Behandlung von PPA-Adjustments im länderbezogenen Bericht zu prüfen, um eine einheitliche Behandlung sicherzustellen. Ferner müssen die Geschäfts- und Firmenwerte auf ihren Entstehungszeitpunkt untersucht werden.
Neutralisiert werden müssen nach § 87b MinStG auch sog. Inkongruenzen aus (Änderungs- oder Übertragungs‑)Vereinbarungen nach dem 15.12.2022. Inkongruenzen liegen vor, wenn eine Vereinbarung zwischen Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe zu Aufwendungen ohne korrespondierenden Ertrag, doppelte Aufwendungen bzw. Verlusten (Ausnahme bei Belegenheit in demselben Steuerhoheitsgebiet) oder einer mehrfachen Berücksichtigung desselben Steueraufwands führt. Auch hier gilt es, betroffene Sachverhalte zeitnah zu identifizieren, um sie zutreffend in den CbCR-Safe-Harbour-Berechnungen und -Prognosen berücksichtigen zu können.
Berücksichtigung latenter Steuern (auch im Übergangsjahr)
Im Übergangsjahr, d.h. dem ersten Jahr, für das der CbCR-Safe-Harbour nicht (mehr) in Anspruch genommen werden kann – entweder durch Zeitablauf oder weil die Voraussetzungen nicht erfüllt sind – ist eine vollständige Steuerberechnung durchzuführen.
In der Vergangenheit war dort aufgrund des Wortlauts „alle […] in den Abschlüssen […] erfassten oder ausgewiesenen […] latenten Steuern“ des § 82 Abs. 1 MinStG unklar, ob nach § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB zulässigerweise nicht bilanzierte Aktivüberhänge für Mindeststeuerzwecke berücksichtigt werden durften. Es bestand ein ernstzunehmendes Risiko, dass entsprechende Verlustvorträge nicht in das Mindeststeuersystem überführt werden konnten (dazu ausführlich: Bestelmeyer/Linnemann, IStR 2024, S. 161ff.). Der Diskussionsentwurf schafft hier Abhilfe und sieht vor, einen Überhang aktiver latenter Steuern auch dann zu berücksichtigen, wenn er aufgrund des Wahlrechts nicht bilanziert wurde. Nach der Begründung des Diskussionsentwurfs müssen die Positionen lediglich anhand „geeigneter Daten nachvollziehbar sein“. Dies soll ausdrücklich „auch“ für das Übergangsjahr gelten.
Berücksichtigung der Hinweise bereits im Deklarationsprozess
Der Diskussionsentwurf zeigt, dass die Mindeststeuer noch „in Bewegung“ ist. Die weiteren Entwicklungen sind deshalb aufmerksam zu beobachten und interne Prozesse kontinuierlich anzupassen. Falls nicht bereits aufgrund der dritten Verwaltungsrichtlinie geschehen, sollten nun die CbCR-Berichtstemplates überarbeitet und etwaige Zweifelsfälle hinsichtlich PPA-Adjustments und Inkongruenzen aufgearbeitet werden. Wenn die CbCR-Safe-Harbour-Tests in einzelnen Ländern voraussichtlich nur knapp erfüllt werden, ist dies von besonderer Bedeutung. Andernfalls besteht bei Aufgriff im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung das Risiko, dass die Finanzverwaltung den CbCR-Safe-Harbour nicht akzeptiert. In sehr kurzer Frist müssten dann Strukturen geschaffen sowie eine Vielzahl an Datenpunkten für die Vollberechnung erhoben, validiert und verarbeitet werden.