Zölle bilden historisch betrachtet den Ursprung der Steuern. Dienten sie ursprünglich dem Einnahmezweck, steht heutzutage die Funktion als Schutzzoll, mit dem nationale Wirtschaftszweige geschützt werden sollen, im Vordergrund.

Durch den EU-Binnenmarkt und den Abbau von Handelshemmnissen mittels Freihandelsabkommen waren Zölle teils etwas in den Hintergrund gerückt. Spätestens seit dem 2. April beherrschen sie wieder die aktuelle Nachrichtenlage.

Bereits in seiner ersten Amtszeit zwischen 2017 und 2021 hatte US-Präsident Donald Trump den Satz „Tariffs are great“ geprägt. Folge der damals per Dekret auf Solarmodule, Waschmaschinen, Stahl und Aluminium verhängten Zollabgaben waren Gegenmaßnahmen der EU auf Produkte wie Whiskey, Erdnussbutter, Motorräder und Jeans.

Am 2. April 2025, dem sog. Liberation Day, verkündete Trump ein umfassendes Zollpaket für die USA und stürzte die Weltwirtschaft damit in eine erhebliche Unsicherheit bezüglich internationaler Liefer- und Produktionsketten von Unternehmen.

Ausgleich von US-amerikanischen Handelsdefiziten als Ziel

Erklärtes Ziel der neuesten Zollankündigungen ist es, bestehende Handelsdefizite der USA auszugleichen, einen fairen Wettbewerb zu fördern und die Abhängigkeit US-amerikanischer Unternehmen von ausländischer Produktion zu verringern. Die neu generierten Zolleinnahmen sollen dann insbesondere für eine Senkung der Energiepreise und der Unternehmenssteuer genutzt werden.

Rechtlicher Ausgangspunkt war die Verkündung einer nationalen Notlage aufgrund von großen und anhaltenden Handelsdefiziten mit anderen Ländern, die zu wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Risiken führen würden. Nach Section 232 des Trade Expansion Act aus dem Jahr 1962 ist der US-Präsident berechtigt, in solchen Fällen Einfuhrbeschränkungen zu verhängen. Diese ergingen zunächst am 12. März 2025 in Form von Strafzöllen unabhängig vom Ursprungsland auf die Einfuhr von Stahl- und Aluminiumerzeugnissen mit einem Zollsatz von 25 %, gefolgt von Zöllen in gleicher Höhe gegen Kraftfahrzeuge und deren Teile am 26. März 2025. Doch dabei sollte es nicht bleiben.

Reziproke Zölle gegen sämtliche US-Handelspartner

Am 2. April 2025 erfolgt dann das neueste, zollrechtlich bisher weitreichendste Dekret der neuen US-Regierung. Mit der Executive Order "Regulating Imports with a Reciprocal Tariff to Rectify Trade Practices that Contribute to Large and Persistent Annual United States Goods Trade Deficits“ werden pauschale Zölle in Höhe von 10% auf fast alle Importe in die USA eingeführt. Diese traten am 5. April 2025 in Kraft. Bereits am 9. April sollten für eine Vielzahl von Ländern, die aus US-Sicht ein besonders hohes Handelsdefizit aufweisen, noch höhere Abgaben hinzukommen. Am Tag des Inkrafttretens der reziproken Zölle lenkte der US-Präsident jedoch ein und verkündete deren Aussetzung für 90 Tage. Hintergrund ist, dass mehr als 75 Länder und Staatengemeinschaften (darunter die EU) mit den USA in Verhandlung treten wollen. Eine Liste mit den jeweiligen ursprünglichen Zolltarifen findet sich im Annex I der Executive Order. Die Europäische Union wäre danach mit Zöllen von 20 % betroffen, während beispielsweise für Importe aus der Schweiz 31 % vorgesehen wären. Die pauschalen Zölle von 10 % bleiben weiter bestehen und werden nicht für 90 Tage ausgesetzt.

Für Importe aus China hatte die US-Regierung zunächst Zusatzzölle von 34 % geplant. Nachdem die chinesische Regierung hierauf mit der Einführung von Sonderzöllen i.H.v. 34 % auf US-Produkte reagierte, verkündete Trump eine Erhöhung der Zölle für Waren aus China auf 104 %. Als Reaktion darauf erhöhte China wiederum die entsprechenden Einfuhrzölle auf 84 %. In einem weiteren Schritt verkündete der US-Präsident die Anhebung der entsprechenden US-Zölle auf 125 %. Diese reziproken Abgaben werden stets zusätzlich zu den bereits bestehenden Zöllen, Gebühren und Abgaben erhoben.

Produktbezogene Ausnahmen finden sich in Annex II der Executive Order und umfassen unter anderem Stahl- und Aluminiumprodukte, Kraftfahrzeuge/-teile, die bereits zusätzlichen Zöllen nach Section 232 Trade Expansion Act unterliegen. Außerdem sind bisher Kupfer, Pharmazeutika, Halbleiter, Holzartikel, bestimmte kritische Mineralien sowie Energie und Energieprodukte von den reziproken Zusatzzöllen ausgenommen.

Seit März wird durch das US-Handelsministerium eine Untersuchung auf Grundlage von Section 232 Trade Expansion Act im Zusammenhang mit Holzprodukten durchgeführt. Ähnlich wie dies bereits bei Stahl-/ Aluminiumprodukten oder Kraftfahrzeugen (jeweils 25 % Zusatzzoll) der Fall ist, könnten auf Holzprodukte ebenfalls zusätzliche Zölle erhoben werden. Mit weiteren Details bzw. einem Ergebnis kann voraussichtlich im November gerechnet werden.

Reaktion der EU und Auswirkungen für deutsche Unternehmen

Die Maßnahmen der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik lassen in der globalisierten Welt fast niemanden unberührt. Nicht nur für die Europäische Union sind die USA einer der wichtigsten Handelspartner, sondern insbesondere auch für Deutschland als große Exportnation. Die hiesige Wirtschaft ist damit besonders anfällig für Handelshemmnisse durch die aktuellen Zollveränderungen. Die derzeitigen Verwerfungen führen zu Störungen in internationalen Produktions- und Lieferketten.

Anders als bei der COVID19-Pandemie, bei der die Warenströme durch Abschottung gestört waren, sind es jetzt kurzfristig errichtete Handelsbarrieren der Vereinigten Staaten und in der Folge weiterer Staaten, die eine Anpassung der Lieferketten notwendig machen. Zeitgleich ist aufgrund der sich im Fluss befindlichen Gegenreaktionen kaum vorhersehbar, in welcher Weise vorgenommene Anpassungen längerfristig auf etwaige Hemmnisse stoßen. Da Unternehmen oftmals langfristige Lieferverträge mit Abnehmern in den USA geschlossen haben und eine Weiterbelastung der Zölle deshalb nicht immer möglich sein dürfte, besteht das Risiko, dass transatlantische Lieferbeziehungen kurzfristig gestört werden oder Unternehmen sich erheblichen Mehrbelastungen ausgesetzt sehen. Die neu errichteten Handelsbarrieren dürften daher auch kostenintensive Rechtstreitigkeiten zur Folge haben, was den internationalen Handel zusätzlich negativ beeinflussen dürfte. Diese Gesamtlage führt zu großer Unsicherheit bei Unternehmen und Investoren, die sich nicht zuletzt in den umfangreichen Kursverlusten an den Börsen widerspiegelt.

Die Unsicherheit wird verstärkt durch weitere drohende Maßnahmen wie bspw. die Ausdehnung der Verfahren nach Sec. 232 Trade Expansion Act auf weitere Produktgruppen. Bemerkenswert ist auch, dass die USA, welche über kein mit der EU vergleichbares Mehrwertsteuersystem verfügen, die (Einfuhr-)Umsatzsteuer in der Beurteilung bestehender Handelshemmnisse als eine Art Zollabgabe betrachten. Diese Sichtweise könnte dazu beitragen, dass die US-Regierung das Niveau der Einfuhrabgaben in der EU oder auch der Schweiz höher einstuft, als dies tatsächlich ist. Zudem ist mit weiteren äußeren Einflüssen auf den EU-Markt zu rechnen. Durch die neuen US-Zölle werden chinesische Hersteller möglicherweise versuchen, ihre Waren verstärkt in der EU zu vertreiben, wodurch es hier zu einem erhöhten Konkurrenzdruck kommen kann. Sinkende Marktpreise könnten die Folge sein. Abzuwarten bleibt, ob und wie die EU hier reagieren wird und ob sie möglicherweise ihrerseits Schutzzölle gegen China in Erwägung zieht, um den hiesigen Markt vor einer Überflutung mit chinesischer Ware zu schützen.

Mit Spannung bleibt abzuwarten, wie die EU auf die US-Zölle reagiert. Als Antwort auf die damaligen US-Zölle auf Stahl und Aluminium verhängte die EU im Jahr 2018 eigene Zölle auf amerikanische Produkte, wie etwa Harley-Davidson-Motorräder, Bourbon-Whisky und Erdnüsse. Auch dieses Mal sieht die EU aufgrund der im März eingeführten US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumerzeugnisse erste Gegenmaßnahmen vor, die auf eine Reihe von US-Produkten abzielen und den wirtschaftlichen Schaden für EU-Stahl- und Aluminiumexporte ausgleichen und ab dem 15. April 2025 wieder Inkrafttreten sollten. Einen entsprechenden Beschluss fassten die EU-Mitgliedstaaten am 9. April. Der Beschluss betrifft einerseits die Maßnahmen, die bereits ab 2018 mit den Durchführungsverordnungen (EU) 2018/886 sowie (EU) 2020/502 eingeführt wurden, wie bspw. Zusatzzölle auf Harley-Davidson-Motorräder und Jeans. Einzelne Ausnahmen hiervon wie z.B. Bourbon-Whisky werden aufgrund der Sorge insbesondere aus Italien und Frankreich auf EU-Ebene berücksichtigt, um bereits angedrohte Gegenzölle in den USA wie z.B. auf Wein zu verhindern. Zusätzlich werden etwa Stahl- und Aluminiumprodukte, Textilien oder Lederwaren, Rindfleisch und Sojabohnen mit zusätzlichen Zöllen belegt (Link). Diese Gegenzölle sollten zwischen 10 und 25 Prozent betragen und neben den bereits beschlossenen Gegenzöllen ab Mitte Mai und Ende des Jahres erhoben werden.  Allerdings kündigte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute als Reaktion auf die gestrige Entscheidung aus den USA an, die beschlossenen Gegenzölle auf US-Produkte, die ab Mitte nächster Woche gelten sollten, vorerst nicht in Kraft setzen zu lassen und ebenfalls für 90 Tage auszusetzen. Von der Leyen betonte, dass die Gegenmaßnahmen in Kraft treten, wenn die Verhandlungen nicht zufriedenstellend verlaufen. Die Reaktion der EU kommt insoweit überraschend, als sich die vorgenannten Gegenzölle auf die bereits vor rund einem Monat verhängten US-Zölle auf die Einfuhr von Stahl- und Aluminiumerzeugnissen richteten, die weiterhin bestehen.

Die Antwort der EU auf die jüngst veröffentlichten reziproken Zölle steht derweil noch aus. Mögliche Gegenmaßnahmen werden derzeit von der EU vorbereitet. Diskutiert wird dabei auch über die Einführung einer EU-Digitalsteuer. Gleichzeitig bemüht sich die EU – insbesondere vor dem Hintergrund der nun erfolgten 90tägigen Aussetzung – um Verhandlungslösungen. Zuletzt stand als möglicher Kompromiss gar eine gegenseitige Aufhebung der Zölle auf Industriegüter im Raum, ähnlich wie dies beim Freihandelsabkommen TTIP vorgesehen war. Dies wäre sicherlich der vorteilhafteste „Deal“ für Unternehmen und Verbraucher diesseits und jenseits des Atlantiks.

Auch der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 9. April sieht explizit vor, dass laufende Freihandelsverhandlungen der EU unterstützt werden und mit den USA mittelfristig ein Freihandelsabkommen angestrebt wird. Kurzfristig will man einen Handelskonflikt vermeiden und setzt auf die Reduzierung von Einfuhrzöllen auf beiden Seiten des Atlantiks.       

Ausblick

Festzuhalten ist, dass die Gesamtlage unübersichtlich bleibt. Die kurzfristig wahrgenommene Entspannung, die weltweit aufgrund der Aussetzung der reziproken Zölle für 90 Tage Einzug hält, sollte dazu genutzt werden, die bestehenden Liefer- und Produktionsstrukturen zu analysieren. Ziel sollte hierbei die Erstellung von Alternativplänen oder Ausweichmöglichkeiten zur Re-Organisation besagter Prozesse sein, um ad hoc auf weitere Entwicklungen reagieren zu können.

Daneben sollten Unternehmen bei Neuabschluss oder Ergänzung von Lieferverträgen möglichst versuchen mittels entsprechender Klauseln, dem immanenten Risiko des rapiden Anstiegs der Zollabgabenbelastung zu begegnen.

Sofern Einfuhren künftig wieder verstärkt Zöllen unterliegen, rücken in der Folge damit automatisch auch bei Unternehmen, die sich damit bisher nicht oder nur am Rande befassen mussten, Fragen des Zollrechts in den Fokus. Hierzu zählen bspw. außertarifliche Befreiungen, Warenursprungsregelungen, Zolltarifierung der jeweiligen Ware und Fragen des Zollwertrechts. Beim Zollwertrecht sind insbesondere die Einbeziehung von Lizenzzahlungen, abgespaltener Kaufpreisbestandteile oder Transferpreisanpassungen in den Zollwert von hoher Relevanz.