Die Einnahmenüberschussrechnung und die Tabellenkalkulation - Chancen, Risiken und die strengen Regeln der GoBD

26.06.2025 | FGS Blog

Viele Selbstständige und Freiberufler nutzen Tabellenkalkulationssoftware wie Microsoft Excel oder LibreOffice Calc zur Erstellung ihrer Einnahmenüberschussrechnung (EÜR). Diese Vorgehensweise erscheint bequem und kostengünstig. Doch ist sie auch gesetzeskonform?

Wichtig ist die Feststellung: Tabellenkalkulationssoftware ist lediglich ein Hilfsmittel zur Aufzeichnung - keine eigenständige Methode der Gewinnermittlung. Die entscheidende Frage ist, ob der Einsatz den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff" (GoBD) sowie § 146 Abgabenordnung (AO) definieren hierfür einen strengen Rahmen. Eine Nichtbeachtung dieser Vorgaben kann bei Betriebsprüfungen zu erheblichen Problemen führen.

Paradoxerweise wäre die klassische papierbasierte Methode - handschriftliche EÜR mit systematischer Einzelerfassung jedes Geschäftsvorfalls, chronologisch abgeheftete Kontoauszüge und dahinter sortierte Papierbelege - heute noch immer GoBD-konform, da die GoBD primär für elektronische Aufzeichnungen gelten.

Rechtliche Grauzone: Ist § 146 AO überhaupt auf die EÜR anwendbar?

Die Anwendbarkeit von § 146 AO auf die Einnahmenüberschussrechnung ist rechtlich umstritten. Während die Finanzverwaltung (GoBD) eine Anwendbarkeit bejaht, wird dies in der Kommentarliteratur differenzierter gesehen. Eine abschließende höchstrichterliche Klärung steht noch aus.

Die Finanzverwaltung argumentiert "durch die Hintertür": Sie stützt sich nicht auf die klassischen Buchführungspflichten, sondern auf die „sonst erforderlichen Aufzeichnungen“ des § 146 Abs. 1 S. 1 AO. Diese ergeben sich nach Ansicht der GoBD aus § 22 UStG (umsatzsteuerliche Aufzeichnungspflichten) und § 4 Abs. 3 S. 5 EStG. Über diese Konstruktion werden EÜR-Ersteller in den Anwendungsbereich des § 146 AO „hineingezogen“.

Praktisch macht es keinen Unterschied: Die GoBD-Standards werden in der Praxis durchgesetzt - egal, auf welcher Rechtsgrundlage. Bei Betriebsprüfungen liegt das Risiko beim Steuerpflichtigen.

GoBD durch die Hintertür: Das Datenzugriffsrecht als Fallstrick

Selbst wenn man der Meinung folgt, dass § 146 AO nicht für EÜR-Ersteller gilt, lauert eine weitere Falle: das Datenzugriffsrecht nach § 147 Abs. 6 AO. Dieses erfasst alle aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten - also auch die der EÜR-Ersteller, die zumindest umsatzsteuerliche Aufzeichnungspflichten haben. Unstreitig ist, dass die digitale Außenprüfung auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zulässig ist.

Bei einer Betriebsprüfung kann das Finanzamt verlangen, dass die Daten in maschinell auswertbarer Form übergeben werden. Eine Standard-Tabellenkalkulationsdatei erfüllt jedoch nicht die Anforderungen der GoBD an die maschinelle Auswertbarkeit und die erforderlichen Strukturinformationen. Die Konsequenz: Nach § 158 Abs. 2 Nr. 2 AO (neu seit 2024) werden unzureichend strukturierte elektronische Daten nicht der Besteuerung zugrunde gelegt - faktisch ein Verwertungsverbot. Die Alternative ist dann eine Schätzung nach § 162 AO, die selten zu Gunsten des Steuerpflichtigen ausfällt.

EÜR-Ersteller landen über das Datenzugriffsrecht de facto bei denselben GoBD-Anforderungen wie Buchführungspflichtige.

GoBD-Konformität bei Tabellenkalkulationssoftware: Die Herausforderungen

Die GoBD stellen umfassende Anforderungen an elektronische Aufzeichnungen: Nachvollziehbarkeit, Vollständigkeit, Richtigkeit, zeitgerechte Erfassung und Unveränderbarkeit der Daten sowie Datenzugriff für die Finanzverwaltung.

In der Praxis erweist sich die GoBD-konforme Nutzung von Tabellenkalkulationssoftware als schwierig und fehleranfällig. Zwar ist es theoretisch möglich, solche Programme unter Einhaltung umfangreicher flankierender Maßnahmen GoBD-konform zu nutzen. Der dafür notwendige Aufwand wird jedoch meist erheblich unterschätzt.

Das Kernproblem: Standard-Tabellenkalkulationsprogramme bieten keine hinreichenden systemseitigen Mechanismen für die geforderte Unveränderbarkeit. Änderungen oder Löschungen sind oft ohne automatisch protokollierte, nachvollziehbare Historie möglich. Auch die maschinelle Auswertbarkeit und Schnittstellen für den Datenzugriff erfordern meist zusätzliche, komplexe Vorkehrungen.

Vorsicht bei selbst erstellten Rechnungen: Speichern Sie digital erstellte Rechnungen (z.B. als PDF), werden diese zu digitalen Originalbelegen und müssen GoBD-konform archiviert werden - eine einfache Ordnerablage genügt nicht.

Alternativen zur EÜR mittels Tabellenkalkulationssoftware: Auf der sicheren Seite

Die Einnahmenüberschussrechnung mittels Tabellenkalkulationssoftware ist verlockend einfach, birgt jedoch erhebliche Risiken hinsichtlich der GoBD-Konformität. Die gesetzlichen Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit und Unveränderbarkeit von Aufzeichnungen sind präzise und dürfen nicht unterschätzt werden. Eine kritische Analyse Ihrer aktuellen Aufzeichnungspraxis ist unerlässlich. Angesichts der dargestellten Risiken empfiehlt sich im Zweifel, frühzeitig auf professionelle Buchhaltungssoftware umzusteigen, wie sie auch von modernen Steuerkanzleien eingesetzt werden. Solche Programme sind darauf ausgelegt, die GoBD-Anforderungen zu erfüllen, was oft durch entsprechende Testate belegt wird. Sie ermöglichen eine effizientere, fehlerreduzierte und nachvollziehbare Erfassung aller Geschäftsvorfälle.