Der ungewollte Wegzug von Kapitalgesellschaften in der Pandemie

03.05.2021 | FGS Blog

Mobiles Arbeiten ist in der deutschen Wirtschaft angekommen. Auch Führungskräfte führen Besprechungen und Sitzungen vielfach digital durch. Anders als vor der Pandemie müssen sie nicht zwangsläufig physisch im Unternehmen anwesend sein. Beliebte Arbeitsorte in der Pandemie sind nicht zuletzt Ferienhäuser, die sich häufig im Ausland befinden.

Sowohl aus gesellschaftsrechtlichen als auch aus steuerlichen Gründen ist jedoch in Bezug auf längerfristiges mobiles Arbeiten im Ausland Vorsicht geboten! Bei Kapitalgesellschaften kann dies zu einer Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes bzw. des Orts der Geschäftsleitung ins Ausland führen. Ein solcher Wegzug hat dann möglicherweise die gesellschaftsrechtliche Liquidation der Kapitalgesellschaft einschließlich einer Liquidationsbesteuerung zur Folge. Ein besonderes Risiko droht, wenn eine GmbH z.B. nur eine Person als Geschäftsführerin oder Geschäftsführer bestellt hat. In diesem Fall hängen die vorgenannten Folgen dann häufig von der Tätigkeit und dem Aufenthalt dieser einen Person ab. Die strengen Konsequenzen drohen jedoch grundsätzlich nicht, wenn die Kapitalgesellschaft innerhalb der EU bzw. des EWR wegzieht. Allerdings kann der Wegzug innerhalb der EU bzw. des EWR zur Besteuerung der stillen Reserven hinsichtlich derjenigen Wirtschaftsgüter der Kapitalgesellschaft führen, die der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind.

Das Problem des pandemiebedingten ungewollten Wegzugs hat die OECD bereits erkannt und eine für die Geschäftsführung günstige Auslegung zumindest aus steuerlicher Sicht vorgeschlagen (https://www.oecd.org/coronavirus/policy-responses/updated-guidance-on-tax-treaties-and-the-impact-of-the-covid-19-pandemic-df42be07/). Die deutsche Finanzverwaltung schweigt hierzu bislang noch (dies gilt auch für aktuelle Konsultationsvereinbarungen mit anderen Staaten, z.B. Österreich).

Ungewollter Wegzug und tatsächlicher Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung

Der tatsächliche Verwaltungssitz bzw. der Ort der Geschäftsleitung ist bei einer Kapitalgesellschaft dort, wo die Geschäftsführung ihre Tätigkeit entfaltet. Dies sind regelmäßig die Büroräume der Geschäftsführung, ersatzweise aber auch der Wohnsitz bzw. das Ferienhaus der leitenden Geschäftsführerin/des leitenden Geschäftsführers. Es handelt sich folglich um eine Frage auf Tatbestandsebene, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind.

Ungewollter Wegzug und gesellschaftsrechtliche Liquidation

Der Wegzug durch die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes ins Ausland führt nicht zwangsläufig zur Liquidation der Kapitalgesellschaft. Innerhalb der EU bzw. des EWR ist die Verlegung aufgrund der Niederlassungsfreiheit unproblematisch. Der Wegzug in einen Drittstaat kann jedoch zur gesellschaftsrechtlichen Liquidation führen, wenn der Zuzugsstaat nicht der Gründungstheorie, sondern der Sitztheorie folgt, wie z.B. die Türkei. Dann richtet sich das Gesellschaftsstatut nach dem Staat des tatsächlichen Verwaltungssitzes. Wenn das ausländische Recht die deutsche GmbH in der Konsequenz als Personengesellschaft behandelt, kann der Wegzug aus deutscher Sicht die gesellschaftsrechtliche Liquidation der GmbH auslösen. Zwar ist auch denkbar, dass eine Liquidation unterbleibt, da aus deutscher Sicht ein sogenanntes gespaltenes Gesellschaftsstatut vorliegen könnte. Darauf sollte die Geschäftsführung aber nicht vertrauen.

Ungewollter Wegzug und steuerliche Liquidation

Eine gesellschaftsrechtliche Liquidation aufgrund des Wegzugs führt zur Liquidationsbesteuerung. Aber auch ohne gesellschaftsrechtliche Liquidation kann bei Drittstaatenberührung eine steuerliche Liquidation durchzuführen sein. EU- und EWR-Fälle sind wiederum unproblematisch mit Ausnahme der Wirtschaftsgüter, die der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Eine Liquidationsbesteuerung ist dann vorzunehmen, wenn die GmbH auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens infolge der Verlegung ihrer Geschäftsleitung und des darin liegenden Wegzugs in den Drittstaat als außerhalb der EU bzw. des EWR ansässig anzusehen ist.

Beispiel Schweiz: Eine Kapitalgesellschaft, die sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz ansässig ist, gilt nach dem DBA-Schweiz als dort ansässig, wo sich der Mittelpunkt ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Dieser könnte bei einem längerfristigen pandemiebedingten Aufenthalt der alleinigen Geschäftsführerin bzw. des alleinigen Geschäftsführers in der Schweiz liegen. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Geschäftsführung für eine gewisse Dauer sämtliche relevanten Unternehmensentscheidungen in der Schweiz trifft. Somit würde die Gesellschaft für abkommensrechtliche Zwecke als in der Schweiz ansässig gelten. Dies würde die Liquidationsbesteuerung der deutschen GmbH auslösen.

Zu der Liquidationsbesteuerung auf Ebene der Kapitalgesellschaft kommt ferner die fiktive Veräußerung der Gesellschaftsbeteiligungen durch die Gesellschafter hinzu. Zu Gunsten der Steuerpflichtigen kommt eine Billigkeitslösung nach § 163 AO in Betracht.

Ungewollter Wegzug und ausländische Betriebsstätte

Mobiles Arbeiten im Ausland kann auch bei Mitarbeitern, die nicht als Führungskräfte tätig sind, zu steuerlichen Fallstricken führen. Deren „Wegzug“ begründet möglicherweise eine ausländische Betriebsstätte, die nicht vom Unternehmen gewollt sein wird. Zwar sieht beispielsweise die Konsultationsvereinbarung zwischen Deutschland und Österreich günstige Auslegungsregelungen zur pandemiebedingten Betriebsstätte vor, jedoch hat Deutschland (noch) nicht mit allen Nachbarländern entsprechende Vereinbarungen geschlossen (https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Internationales_Steuerrecht/Staatenbezogene_Informationen/Laender_A_Z/Oesterreich/2021-01-25-konsultationsvereinbarung-zwischen-der-bundesrepublik-deutschland-und-der-republik-oesterreich-vom-15-01-2021.html).

Fazit

So schön es sein mag, wenn man in der Pandemie vom Sehnsuchtsort im Ausland aus arbeiten kann: Wenn daraus ein Dauerzustand wird, wird es gefährlich. Die Geschäftsführungen von Kapitalgesellschaften sollten hier frühzeitig Vorkehrungen treffen, die einen ungewollten Wegzug verhindern. Dadurch können sie dem Unternehmen und den Gesellschaftern viel Ärger und Geld sparen.