Der Buffer - das „legale“ Unternehmen beim Umsatzsteuerbetrug

Im Oktober 2024 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) die für das Jahr 2023 maßgebliche jährliche Statistik über die Ergebnisse der Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten und die Ergebnisse der Steuerfahndung veröffentlicht. Hiernach entfällt der weitaus größte Teil des für das Berichtsjahr vorläufig festgestellten Mehrergebnisses der Steuerfahndung von insgesamt 2,5 Milliarden Euro mit 966,2 Millionen Euro auf die Umsatzsteuer. Die Verfolgung der Umsatzsteuerhinterziehung, insbesondere des Umsatzsteuerkarussells und der betrügerischen Umsatzsteuerkette, nimmt insoweit in Deutschland bei den Steuerfahndungsstellen und insbesondere bei der Europäischen Staatsanwaltschaft eine herausgehobene Stellung ein.
Trotz des sog. Reverse-Charge-Verfahrens (§ 13b UStG) auf betrugsanfällige Warengruppen sind Umsatzsteuerkarusselle und -ketten an der Tagesordnung. Ziel der Reverse-Charge-Regelung ist es, die Gefahr von Umsatzsteuerbetrug zu minimieren, indem die Möglichkeit entfällt, vereinnahmte Steuerbeträge nicht an das Finanzamt weiterzuleiten bzw. diese als Vorsteuer zu verrechnen. Anders als im Normalfall, bei dem der Leistungserbringer die Umsatzsteuer ans Finanzamt abführt und in der Rechnung an den Leistungsempfänger ausweist, geht beim Reverse-Charge-Verfahren die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger über. Dies hat zur Folge, dass der Leistende lediglich Netto-Beträge in seiner Rechnung ausweisen darf.
Das Reverse-Charge-Verfahren gilt allerdings nur für bestimmte Warengruppen. Die Täter bedienen sich insofern immer wieder neuer Warentypen, bei denen weiterhin der Leistungserbringer der Steuerschuldner ist, und die insofern umsatzsteuerbetrugsanfällig sind. Zu denken ist hierbei insbesondere an umsatzstarke Produkte wie Strom, Zertifikate, Luxusfahrzeuge, Uhren, aber auch an Dienstleistungen.
Im Blickpunkt der Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft stehen bei einem Umsatzsteuerbetrug nicht nur die Initiatoren des jeweiligen Betrugsmodells, die – da zumeist im außereuropäischen Ausland ansässig – ohnehin nicht greifbar sind. Ermittelt wird auch gegen an sich am Markt legal operierende Unternehmen, die als so genannter „Buffer“ in eine betrügerische Lieferbeziehung eingebunden sind. Die Aufgabe des Buffers besteht darin, die Lieferkette zu verlängern. Er steht in der Kette oder im Karussell nach dem Missing Trader, um das Betrugsschema zu verschleiern. Das nachfolgende Schaubild zeigt, dass sich der Buffer per se umsatzsteuerrechtlich legal verhält: Er stellt seinem Leistungsempfänger eine Rechnung mit Umsatzsteuer aus und führt diese, nachdem er sie vom Leistungsempfänger erhalten hat, ans Finanzamt ab bzw. verrechnet diese mit der Vorsteuer aus der Rechnung seines Vorlieferanten.
Das an sich für einen Unternehmer nach § 15 UStG geltende Recht auf Vorsteuerabzug ist allerdings nach § 25f Abs. 1 UStG zu versagen, wenn dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerbetrug, und zwar an irgendeinem Punkt in der Lieferkette, steht. Anhaltspunkte für ein „Hätte-Wissen-Müssen“ sind
Neben den mit der Versagung des Vorsteuerabzugs verbundenen steuerlichen Auswirkungen begeht der Verantwortliche des Buffers (also in der Regel der Geschäftsführer) darüber hinaus eine strafbewehrte Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO, für die er persönlich in Anspruch genommen wird, wenn er zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass (a) die Gesellschaft durch den Ansatz der Vorsteuern in den Umsatzsteuererklärungen aus den Rechnungen des Vorlieferanten zu einer Steuerverkürzung kommen könnte bzw. dass (b) die Gesellschaft ungerechtfertigte Steuervorteile in Form einer Steuervergütung erlangen würde. Diese Kenntnis muss nicht einmal in der Person des Geschäftsführers selbst vorliegen. Ausreichend für die strafrechtliche Verantwortung des Geschäftsführers kann vielmehr schon sein, dass ein Mitarbeiter des Unternehmens dieses Wissen oder „Hätte-Wissen-Müssen“ hatte. Denn für die Versagung des Vorsteueranspruchs kommt es nicht auf die Kenntnis des Hinterziehungstäters an, sondern auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen, also der Buffer-Gesellschaft als juristischer Person. Analog § 166 BGB können dieser nicht nur die Kenntnis ihrer Organe, sondern auch die der sonstigen Angestellten zugerechnet werden, wenn sie die Kenntnis aufgrund der vorgesehenen Arbeitsteilung und Organisation erlangt haben. Die Geschäftsleitung eines Buffer-Unternehmens ist folglich einem großen Risiko ausgesetzt.
Mit der strafrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers einher geht darüber hinaus auch die strafgerichtliche Einziehung der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbeträge beim Bufferunternehmen. Als in der Regel solventes Unternehmen stellt ein Buffer daher auch aus finanziellen Gründen ein wichtiges Ermittlungsobjekt dar.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Buffergesellschaften meist unfreiwillig Gegenstand von betrügerischen Umsatzsteuerlieferketten werden und sich die Geschäftsführung ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit gar nicht bewusst ist. Unternehmensleiter finden sich insofern oftmals völlig ungeahnt auf der Anklagebank einer Wirtschaftsstrafkammer wieder. Wenn der Staatsanwaltschaft der Nachweis gelingt, dass der Unternehmensverantwortliche von der Einbindung seiner Gesellschaft in ein betrügerisches Umsatzsteuersystem eingebunden war und die Wissenszurechnung gelingt, droht ihm infolge der üblicherweise im Millionenbereich angesiedelten Steuerschäden beim Umsatzsteuerbetrug regelmäßig eine Haftstrafe.
Es empfiehlt sich daher für Unternehmen in gefahrgeneigten Branchen, regelmäßig die Lieferbeziehungen durch einen „VAT-Health-Check“ zu analysieren, um nach Auffälligkeiten zu schauen, ein effektives Compliance-System vorzuhalten und die mit den Liefergeschäften betrauten Mitarbeiter zu überwachen. Sollte ein Risiko dabei aufgedeckt werden, gilt es zu überprüfen, ob ein Wissen oder „Hätte-Wissen-Müssen“ vorliegt.