Der Brexit als Besteuerungstatbestand in Deutschland

05.10.2016

Bei dem im britischen EU-Referendum vom 23. Juni 2016 geforderten Austritts Großbritanniens aus der EU (Brexit) handelt es sich nicht nur um ein politisches Thema eines EU-Mitgliedstaates. Vielmehr ist davon auszugehen, dass von dem Brexit nahezu jeder Lebenssachverhalt betroffen sein wird, welcher auch nur einen irgendwie gearteten Konnex zu Großbritannien aufweist.

Steuerliche Auswirkungen in Deutschland

Mit dem Brexit werden sich mannigfaltige Implikationen im deutschen Steuerrecht ergeben. Beginnend mit der Steuerpflicht (unbeschränkte Steuerpflicht für EU-Bürger auf Antrag) bis zur Steuerbeitreibung (entsprechend der europäischen Beitreibungsrichtlinie) ist das ganze Rechtsgebiet betroffen. Von der zoll- und umsatzsteuerlichen Behandlung eines Einkaufs bis zur ertragsteuerlichen Behandlung von Gewinnausschüttungen müssen künftig andere Grundsätze angewendet werden, sobald Großbritannien nicht mehr als EU/EWR-Staat, sondern als Drittstaat zu qualifizieren ist.

Die Steuerfolgen beschränken sich dabei keineswegs auf die laufende Besteuerung im Anschluss an den Brexit. Vielmehr besteht die Gefahr, dass das Brexit-Ereignis selbst Steuerbelastungen auslösen wird, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.

Verbringung von Wirtschaftsgütern

Verbringt ein deutsches Unternehmen ein Wirtschaftsgut in seine Betriebsstätte in Großbritannien, sieht das deutsche Steuerrecht zwar grundsätzlich die Aufdeckung von stillen Reserven in dem entsprechenden Wirtschaftsgut vor. Gleichzeitig ist jedoch die Bildung eines Ausgleichspostens (§ 4g EStG) möglich, mit dem im Ergebnis der Aufdeckungsgewinn kompensiert und in der Folgezeit ratierlich versteuert werden kann.

Scheidet das nach Großbritannien verbrachte Wirtschaftsgut jedoch aus der Besteuerungshoheit der EU-Mitgliedstaaten aus, müsste der Ausgleichsposten sofort gewinnwirksam aufgelöst werden. Der Gesetzeswortlaut ist dabei so weit formuliert, dass zu befürchten ist, dass das erforderliche Ausscheiden aus der EU-Besteuerungshoheit auch durch den Brexit erfolgen kann. Ohne Zutun des Steuerpflichtigen droht entsprechend eine Steuerbelastung.

Umstrukturierungsvorgänge

Ähnlich verhält es sich in Bezug auf bereits durchgeführte Umstrukturierungsvorgänge, deren Steuerfolgen sich noch rückwirkend ändern können. So ist beispielsweise die Steuerneutralität der Einbringung eines Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft oder des Formwechsels einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft von einem gewissen Wohlverhalten der Beteiligten im Anschluss an die Umstrukturierung abhängig. Je früher innerhalb von sieben Jahren nach der Maßnahme Gesellschaftsanteile verkauft werden, desto stärker kann die Umstrukturierung noch rückwirkend besteuert werden (§ 22 UmwStG).

Dem schädlichen Anteilsverkauf sind dabei weitere Sachverhalte gleichgestellt, u.a. der Wegfall der EU-Ansässigkeit von Gesellschaft oder Gesellschafter. Auch wenn der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen eher den aktiven Wegzug von Unternehmen oder Gesellschaftern im Auge gehabt haben dürfte, droht im Fall eines Brexits folglich ebenso eine rückwirkende Besteuerung bereits erfolgter Umstrukturierungen.

Wegzugsbesteuerung

Im Bereich der Wegzugsbesteuerung sind ebenfalls Brexit-bedingte Steuerlasten zu befürchten. Ist der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nach Großbritannien verzogen, musste er die in seinem Gesellschaftsanteil vorhandenen stillen Reserven zwar aufdecken. Weil der Wegzug jedoch in einen EU-Mitgliedstaat erfolgte, war die aus der Aufdeckung der stillen Reserven resultierende Steuer zinslos zu stunden und zwar grundsätzlich bis zur tatsächlichen Anteilsveräußerung (§ 6 AStG).
Mit einem Austritt Großbritanniens aus der EU wären die Stundungsvoraussetzungen jedoch nicht mehr gegeben. Dies wirft die Frage nach den Möglichkeiten zum Widerruf der Stundung auf. Letztlich ist auch hier eine Steuerzahlung nicht auszuschließen, ohne dass beim Steuerpflichtigen ein Liquiditätszufluss stattfindet, aus dem die Steuer bezahlt werden könnte.
Erbschaft- und Schenkungsteuer
Über den Bereich der Ertragsteuern hinaus drohen Belastungen ferner im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer. So hängt die Gewährung der Betriebsvermögensbegünstigungen (wohl auch nach der gegenwärtig geplanten Erbschaftsteuerreform) unter anderem vom Bestehen des sog. Lohnsummentests ab (§ 13a ErbStG). Beim Lohnsummentest wird auf Basis der in der Vergangenheit gezahlten Löhne eines Unternehmens eine Ausgangslohnsumme ermittelt. Mit den Löhnen, die in den auf die unentgeltliche Unternehmensübertragung folgenden Jahren gezahlt werden, ist dann ein Vielfaches dieser Ausgangslohnsumme zu erreichen.

Problematisch könnte dabei sein, dass die Löhne in EU-Tochtergesellschaften im Rahmen des Tests zu berücksichtigen sind. Tochtergesellschaften in Großbritannien können also über die Ausgangslohnsumme die Messlatte für die Begünstigungsgewährung hoch gehängt haben. Nach einem Brexit wäre die Berücksichtigungsfähigkeit der künftigen Löhne jedoch fraglich, sodass der Lohnsummentest auch ganz ohne Arbeitsplatzabbau der Unternehmensverschonung entgegenstehen könnte. Gerade in Fällen von bereits erfolgen Unternehmensübertragungen könnte damit noch eine Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung drohen.

Fazit

Die genannten Fälle zeigen beispielhaft, dass ein EU-Austritt Großbritanniens gravierende Steuerfolgen in Deutschland auslösen kann. Steuerpflichtige sollten sich auf die Brexit-Gefahr entsprechend aktiv vorbereiten und nicht nur passiv auf wünschenswerte Übergangsregelungen des deutschen Fiskus hoffen.

Kontakt für Rückfragen:

<link external link in current>Dr. Jan Bron, LL.M.
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