Bundesweit sind wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit beantragten Corona-Hilfen tausende Ermittlungsverfahren anhängig. Bei einigen Staatsanwaltschaften wurden bereits Sonderzuständigkeiten eingerichtet. Dabei ergeben sich für die Ermittlungsbehörden aus den Steuerakten entscheidende Erkenntnisse. Der Zugriff auf die Steuerakten hat bereits begonnen.

Subventionsbetrug durch Beantragung von Corona-Hilfen

Wer bei der Beantragung von Corona-Hilfen unrichtige Angaben macht, kann den Straftatbestand des Subventionsbetrugs erfüllen. In diesem Zusammenhang reicht bereits leichtfertiges Handeln aus. Auf die Auszahlung der beantragten Geldsumme kommt es dagegen nicht an (zu den strafrechtlichen Risiken vergleiche unseren Blog-Beitrag vom 5. Juli 2021).

Die Gewährung von Corona-Hilfen setzt durch die Pandemie bedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten (Existenzbedrohung beziehungsweise Liquiditätsengpass) voraus. Entscheidende Hinweise zur Überprüfung dieser Antragsvoraussetzung können sich aus den Steuerakten ergeben. Bei Anträgen der Ermittlungsbehörden auf Übersendung der Steuerakten müssen die Finanzämter entscheiden, ob das Steuergeheimnis entgegensteht.

Durchbrechung des Steuergeheimnisses

Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5b Abgabenordnung (AO) ist die Offenbarung dem Steuergeheimnis unterliegender Daten aber zulässig, wenn Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden erheblich zu erschüttern.

Nach der im steuerlichen Verfahrensrecht vorherrschenden Meinung ist dies nur der Fall, wenn die Tat Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Zusammenspiel hat. Dies ist dann gegeben, wenn eine hohe Zahl von Geschädigten vorhanden ist oder die Tat sich durch Ketten- oder Schneeballfolgen auf eine größere Zahl von Unternehmen auswirkt. Darüber hinaus liegt eine erhebliche Störung der gesamtwirtschaftlichen Ordnung in aller Regel nur vor, wenn der Schadensumfang im konkreten Einzelfall erheblich ist, sodass nur Fälle großen Ausmaßes in Betracht kommen.

Im Zusammenhang mit gewährten Corona-Hilfen haben die Gerichte bislang aber nur geringe Anforderungen an die Durchbrechung des Steuergeheimnisses gestellt. Dies wird mit den Besonderheiten im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie begründet. Die bereitgestellten Corona-Hilfen in Milliardenhöhe sollten wirtschaftlich existenzbedrohte Unternehmen beziehungsweise Selbstständige durch schnelle und unbürokratische Auszahlung finanzieller Mittel unterstützen. Das Ausnutzen eines solchen Vertrauensvorschusses in einer Krise, welche die gesamte Bevölkerung schwerwiegend betreffe, führe dazu, dass das allgemeine Vertrauen in die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich erschüttert sei. Die Allgemeinheit erwarte daher berechtigterweise eine effektive Strafverfolgung entsprechender Verdachtsfälle.

Das Landgericht Aachen (Beschluss vom 16. November 2020 – 86 Qs 19/20) hat in einem Strafverfahren wegen der unberechtigten Inanspruchnahme von Corona-Hilfen in Höhe von lediglich 9.000 Euro die Verletzung des Steuergeheimnisses verneint. Gleichzeitig hat es die Beschlagnahmeanordnung von Steuerunterlagen des Beschuldigten bestätigt. Weitere landgerichtliche Entscheidungen liegen auf dieser Linie.

Herausgabe von Steuerakten

Es ist davon auszugehen, dass die Finanzbehörden die Steuerakten bei dem Verdacht eines Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit Corona-Hilfen künftig auf Antrag herausgeben. Sollte dies im Einzelfall nicht so sein, dürfte eine gerichtliche Beschlagnahmeanordnung ergehen.

In vielen Fällen verfügt die Finanzverwaltung heute aber noch gar nicht über die relevanten Daten. Dies liegt daran, dass die Steuererklärungen für das Jahr 2020 noch ausstehen, da die Erklärungsfristen für die Jahreserklärungen noch nicht abgelaufen sind. Wer Corona-Hilfen beantragt hat, sollte bei der Abgabe der Steuererklärungen bedenken, dass die Steuerakten künftig in die Hände der Ermittlungsbehörden gelangen könnten.

Stellt die Finanzverwaltung fest, dass es zu einer unberechtigten Inanspruchnahme der Corona-Hilfen kam, ist sie umgekehrt nach § 31a Abs. 2 AO verpflichtet, dies der zuständigen Bewilligungsinstitution mitzuteilen. Dies dürfte in künftigen Außenprüfungen relevant werden.

Fazit

Steuerakten des Beschuldigten können bei Ermittlungen wegen des Verdachts des Subventionsbetruges im Zusammenhang mit Corona-Hilfen bei der Finanzverwaltung herausverlangt werden. Dies ist selbst bei geringen Schäden der Fall.

Wer im Nachhinein begründete Zweifel an seiner Antragsberechtigung erlangt oder die Unrichtigkeit seiner Angaben erkennt, sollte sich umgehend rechtlich beraten lassen. In vielen Fällen ist eine (vorsorgliche) Korrektur gegenüber den Behörden ratsam. Wird die Unrichtigkeit der Angaben nachträglich erkannt, löst dies sogar Handlungspflichten aus, deren Verletzung strafbewehrt ist.

Durch die Mitteilungspflicht der Finanzverwaltung einerseits und die geringen Anforderungen an die Herausgabe der Steuerakten andererseits besteht ein erhöhtes Aufgriffsrisiko. Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit Corona-Hilfen werden die Justiz daher noch über Jahre beschäftigen. Wer bei der Beantragung von Corona-Hilfen unrichtige Angaben gemacht hat, muss im Fall des Untätigbleibens umgekehrt noch Jahre mit den strafrechtlichen Risiken leben.