Um die wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona-Krise für Unternehmen abzufedern, gewährt der Staat auf Antrag verschiedene Subventionen. Ein zu Unrecht gestellter Antrag kann als Subventionsbetrug geahndet werden. Entsprechende Gerichtsurteile gibt es bereits. Die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens droht bereits, wenn die Antragsvoraussetzungen objektiv nicht vorliegen, also nicht nur in eindeutigen Missbrauchsfällen, sondern z.B. auch bei in Verkennung der Rechtslage gestellten Anträgen (zu den strafrechtlichen Risiken iim Zusammenhang mit den steuerlichen Erleichterungen vgl. bereits unseren Blog-Beitrag vom 1. April 2021). Das gilt sowohl für die antragstellenden Unternehmen als auch für die als sogenannte prüfende Dritte in das Antragsverfahren eingebundenen steuerlichen Berater.
Überblick über wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen
Im März 2020 hat der Staat den sogenannten Corona-Schutzschild für Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen etabliert. Mit diesem bislang größten Hilfspaket in der Geschichte Deutschlands, hat er mehrere hundert Milliarden Euro bereitgestellt, um die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit dieser Unternehmen zu sichern. Zu den im strafrechtlichen Kontext relevanten Subventionen zählt dabei vor allem die Gewährung sogenannter Sofort- und Überbrückungshilfen.
Corona-Soforthilfen
Die zwischen Ende März und Ende Mai 2020 gewährten Soforthilfen umfassten einen vom Bund finanzierten Zuschuss zu den laufenden Betriebskosten. Die maximale Bezuschussung betrug EUR 9.000 (bei bis zu fünf Beschäftigten) beziehungsweise EUR 15.000 (bei bis zu zehn Beschäftigten) pro Monat.
Corona-Überbrückungshilfen
Zeitlich und sachlich unmittelbar an die Soforthilfeprogramme anknüpfend gewährte der Bund die sogenannte Überbrückungshilfen in Form von Zuschüssen zu den anfallenden unternehmerischen Fixkosten. Nach der Überbrückungshilfe I (Juni bis August 2020) und II (September bis Dezember 2020) erhalten Unternehmen derzeit (noch bis Ende Juni 2021) die Überbrückungshilfe III. Die maximale Fördersumme bei der Überbrückungshilfe III beträgt EUR 1,5 Mio. im Monat beziehungsweise EUR 3 Mio. im Falle verbundener Unternehmen. Anfang Juni 2021 hat sich die Bundesregierung entschlossen, die Überbrückungshilfen für betroffene Unternehmen zumindest bis zum 30. September 2021 fortzuführen. Im Rahmen der „Überbrückungshilfe III Plus“ wird die maximale monatliche Förderung auf EUR 10 Mio. erhöht. Außerdem ist mit der „Restart-Prämie“ ein Zuschuss zu den Personalkosten vorgesehen.
November- und Dezemberhilfe
Ebenfalls als Subventionen einzuordnen sind die außerordentlichen Wirtschaftshilfen des Bundes in Form der November- und Dezemberhilfen zur Kompensation der Verluste von Unternehmen, die von den temporären Schließungen am Jahresende 2020 besonders betroffen waren.
Missbrauchsgefahr und Fehleranfälligkeiten im Rahmen des Antragsverfahrens
Die bürokratischen Hürden des Antragsverfahrens sind bewusst niedrig. Die Hilfen sollen möglichst schnell ausgezahlt werden. Bei der Beantragung der Soforthilfen musste der Unternehmer lediglich die Richtigkeit seiner Angaben versichern. Die damit verbundene Missbrauchsgefahr hat sich schnell realisiert. In vielen Fällen haben Antragsteller die niedrigen Antragsvoraussetzungen ausgenutzt, um sich zu bereichern. Nicht zuletzt aus diesem Grund bedarf es für die Beantragung der Überbrückungshilfen der Mitwirkung eines sogenannten „prüfenden Dritten“. D.h. ein Steuerberater, ein steuerberatender Rechtsanwalt, ein Wirtschaftsprüfer oder ein vereidigter Buchprüfer muss die Angaben des Unternehmers verifizieren und den Antrag bei der zuständigen Stelle einreichen. Fälle gezielten Missbrauchs gibt es dennoch. Vereinzelt haben sich etwa Betrüger als „prüfende Dritter“ registriert und die Auszahlung von Hilfsgeldern erreicht.
Unberechtigte Anträge aufgrund objektiv falscher Angaben sind aber nicht allein das Resultat gezielten Missbrauchs. Oftmals sind sie auch der Ausgestaltung des Antragsverfahrens geschuldet. Der Antragsteller wird hier mit zum Teil komplexen Rechtsfragen konfrontiert. Zudem sind die verwendeten Antragsformulare uneinheitlich und bisweilen in ihren konkreten Anforderungen auch in sachlicher Hinsicht unklar. Bei der Antragstellung besteht daher eine hohe Fehleranfälligkeit. Ein Beispiel: Im Rahmen der Überbrückungshilfe darf für verbundene Unternehmen nur ein Förderantrag gestellt werden. Für die Bestimmung, ob verbundene Unternehmen vorliegen, ist auf die geltende Definition des EU-Rechts zurückzugreifen. Hier kann eine tiefgehende rechtliche und wirtschaftliche Betrachtung notwendig sein. Letztlich trägt damit nicht (nur) der Antragsteller, sondern (auch) der Staat selbst die Verantwortung für eine Vielzahl unberechtigt gestellter Subventionsanträge. Vor diesem Hintergrund ist die dem Versprechen schneller wirtschaftlicher Hilfe gegenüberstehende weitgehende Drohung mit Strafverfolgung besonders misslich.
Strafverfolgungsrisiken für antragstellende Unternehmer
Bei objektiv unberechtigter Antragstellung besteht für den Unternehmer ein Strafverfolgungsrisiko wegen Subventionsbetrugs gemäß § 264 Abs. 1 StGB. Bei den Corona-Hilfen handelt es sich um echte Subventionen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) für die Soforthilfen kürzlich bestätigt (Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 StR 137/21). Für die Tatbestandsverwirklichung genügt es im Übrigen, dass der Unternehmer – vorsätzlich oder auch bloß leichtfertig – unrichtige Angaben gegenüber dem Subventionsgeber macht. Auf eine Auszahlung der beantragten Geldsumme kommt es dabei nicht an (abstraktes Gefährdungsdelikt). Die falschen Angaben müssen sich jedoch auf subventionserhebliche Tatsachen beziehen, die der Subventionsgeber im Antragsformular eindeutig als solche gekennzeichnet haben muss. Ein bloß pauschaler oder oberflächlicher Verweis genügt diesen Anforderungen nicht.
Da die Bundesländer für die Corona-Soforthilfen eigene, im Detail voneinander abweichende Antragsformulare verwenden, ist im Einzelfall genau zu überprüfen, ob die subventionserheblichen Tatsachen für den Subventionsnehmer klar erkennbar waren oder ob wegen eines nur unzureichenden Hinweises eine Strafbarkeit von vornherein abzulehnen ist.
Strafverfolgungsrisiken bestehen jedoch nicht nur in eindeutigen Fällen gezielt missbräuchlich gestellter Anträge, sondern auch dann, wenn der Antragsteller in bloß fahrlässiger Weise – also noch unterhalb der Schwelle zur Leichtfertigkeit – falsche Angaben getätigt hat. Aufgrund der beschriebenen Unklarheiten und der Komplexität des Gewährungsverfahrens sind fehlerhafte Anträge geradezu vorprogrammiert. Jedenfalls auf den ersten Blick ist die bewusst missbräuchliche Antragstellung von der einfach fahrlässigen Stellung eines unberechtigten Antrags nicht zu unterscheiden. Aufgrund der Falschangaben liegt in beiden Fällen aus Sicht der Strafverfolgungsbehörde zunächst ein strafbares Verhalten des Antragstellers nahe. Insofern wird ein Anfangsverdacht und damit eine Pflicht zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen angenommen.
Strafverfolgungsrisiko des „prüfenden Dritten“
Strafverfolgungsrisiken wegen Subventionsbetrugs bestehen unter Umständen auch für den „prüfenden Dritten“. Da er den Antrag einreicht und gegenüber der zuständigen Stelle auftritt, macht er eigene Angaben gegenüber der Bewilligungsbehörde. Er ist somit potenzieller (Mit-)Täter. Lehnt man die Täterschaft ab, kommt eine Beihilfe zum Subventionsbetrug des Unternehmers in Betracht. Hier setzt die Strafbarkeit jedoch voraus, dass der prüfende Dritte weiß oder sich ihm jedenfalls aufdrängen muss, dass die Angaben des Unternehmers unrichtig sind und diese darauf zielen, einen Subventionsbetrug zu verwirklichen. Ansonsten handelt es sich nur um eine sogenannte „neutrale“ und daher straflose Beihilfe.
Umgang mit im Nachhinein aufkommenden Zweifeln an Antragsberechtigung
Kommen dem Unternehmer im Nachhinein begründete Zweifel an seiner Antragsberechtigung, so ist zur Vermeidung der Strafbarkeit eine Korrektur der Angaben unbedingt in Betracht zu ziehen. Drei Konstellationen sind dabei zu unterscheiden. In allen drei Fällen gilt dabei ausdrücklich, dass ein proaktives Vorgehen und eine – gegebenenfalls höchst vorsorgliche – Korrektur vielfach ratsam ist. Ob die Behörde von einem schuldhaften, d.h. mindestens leichtfertigen, Verhalten ausgeht, ist im weiteren Verfahrensgang zu klären.
Bedingt vorsätzlich oder leichtfertiges Handeln
Möglich ist zum einen, dass der Unternehmer bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bedingt vorsätzlich oder leichtfertig gehandelt und den Antrag gestellt hat, obwohl die Antragsvoraussetzungen nicht vorliegen. Hat er die Auszahlung der Corona-Hilfe noch nicht erhalten, so muss er die fehlerhaften Angaben korrigieren beziehungsweise die fehlenden Angaben noch vor Erhalt der Subvention ergänzen. Verhindert der Unternehmer so, dass die Subvention an ihn ausgezahlt wird, kann er sich auf tätige Reue berufen und einer Bestrafung wegen Subventionsbetrugs gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB entgehen. Nach der Auszahlung hingegen scheidet eine tätige Reue aus. Die unverzügliche Rückzahlung auf eigene Initiative kann aber dennoch ratsam sein, weil diese als Schadenswiedergutmachung strafmildernd zu berücksichtigen ist.
Fahrlässiges Handeln
Hat der Unternehmer in Bezug auf seine Antragsberechtigung lediglich (leicht) fahrlässig gehandelt, hat er sich noch nicht strafbar gemacht. Berichtigt er die von ihm im Nachhinein als fehlerhaft erkannten Angaben aber nicht, droht ihm eine Strafbarkeit wegen Subventionsbetrugs durch Unterlassen gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer auf seinen Fehler noch vor oder erst nach Gewährung der Subvention aufmerksam wird. Hintergrund ist die – vergleichbar zur steuerlichen Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO – in § 3 SubvG normierte Pflicht des Subventionsnehmers, dem Subventionsgeber gegenüber alle Tatsachen offenzulegen, welche entweder schon zur Versagung oder aber zur Rückgewährung der bereits geleisteten Subvention führen können (sogenannter Grundsatz der Subventionsehrlichkeit).
Nachträglich fehlerhaft werdende Angaben
Schließlich kann auch der Fall eintreten, dass die vom Unternehmer getätigten Angaben nicht bereits von Anfang an fehlerhaft waren, sondern erst nach Abgabe des Subventionsantrags fehlerhaft geworden sind (z.B., weil wider Erwarten die existenzgefährdende Wirtschaftslage weggefallen ist). Auch hier greift im Falle des Erkennens durch den Unternehmer – insofern dann vergleichbar mit § 153 Abs. 2 AO – die Verpflichtung aus § 3 SubvG. Kommt er dieser nicht nach, macht er sich ebenfalls wegen Subventionsbetrugs durch Unterlassen gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar.
Fazit
Die strafrechtliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle ist bereits in vollem Gange. Bundesweit sollen mehr als 25.000 Verdachtsfälle wegen möglichen Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit Corona-Hilfen vorliegen. Allein in NRW sind im Zeitraum April 2020 bis März 2021 knapp 7.000 Ermittlungsverfahren gegen Empfänger von Corona-Hilfen eingeleitet worden. Die verhängten Strafen sind teilweise drastisch. Schon im Juli des vergangenen Jahres verurteilte etwa das AG Berlin-Tiergarten einen Angeklagten, der sich durch sechs unberechtigte Anträge auf Zuschüsse insgesamt 21.500 Euro erschlichen hatte, wegen Subventionsbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung. Im März verhängte das LG München gegen den Angeklagten unter anderem wegen Subventionsbetrugs (Schadenssumme EUR 2,5 Mio.) sogar eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren.
Die bisherigen Verurteilungen betrafen vorwiegend klare Missbrauchsfälle. In Fällen, in denen der Antragsteller das Nichtvorliegen der Antragsvoraussetzungen verkannt hat – dies betrifft insbesondere Anträge auf Gewährung von Überbrückungshilfen –, ist im Einzelfall genau zu prüfen: Einerseits, ob sich die Angaben des Antragstellers tatsächlich auf subventionserhebliche Tatsachen beziehen und andererseits, ob diese auch schuldhaft falsch getätigt wurden oder die fehlerhaften Angaben nicht vielmehr Folge des inhaltlich komplexen Antragsverfahrens sind. Insofern bleibt zu wünschen, dass die Strafverfolgungsbehörden mit dem nötigen Augenmaß vorgehen und die individuelle Situation des Antragstellers hinreichend berücksichtigen.
Unternehmer, die künftig noch einen Antrag auf Corona-Hilfen stellen wollen, sind gut beraten, die Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen sorgfältig zu überprüfen beziehungsweise überprüfen zu lassen. Sollten Unternehmer bereits einen Antrag gestellt haben, ist dieser unter Umständen dahingehend (erneut) zu überprüfen und gegebenenfalls zu erwägen, welche Handlungsmöglichkeiten bestehen. Insofern ist rasches Handeln geboten. Gleiches gilt für den „prüfenden Dritten“, der bei der Antragstellung mitgewirkt hat.