Carried Interest nach BFH Gewinnverteilungsabrede und keine Tätigkeitsvergütung

Im Umfeld von Private Equity und Venture Capital Fonds ist es üblich, dass die Initiatoren der Fonds einen kapitaldisproportionalen Gewinnanteil erhalten. Dieser sog. Carried Interest stellt eine zusätzliche Vergütung für die immateriellen Leistungen der Initiatoren dar und beträgt regelmäßig etwa 20% der Gewinne. Mit Urteil vom 16.04.2024 (VIII R 3/21) hat sich der BFH nunmehr zu der Frage geäußert, ob Carried Interest systematisch eine Tätigkeitsvergütung oder einen Gewinnanteil des Gesellschafters darstellt.
Im Regelfall handelt es sich bei der Fondsgesellschaft um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, welche aus der Beteiligung an verschiedenen Portfoliogesellschaften Veräußerungsgewinne und Ausschüttungen erzielt. Mit § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG existiert eine Sondervorschrift, wonach unter weiteren Voraussetzungen „Einkünfte, die ein Beteiligter an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft oder Gemeinschaft, deren Zweck im Erwerb, Halten und in der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften besteht, als Vergütung für Leistungen zur Förderung des Gesellschafts- oder Gemeinschaftszwecks erzielt [...]“ Einkünfte aus selbständiger Arbeit darstellen. Trotz der Einordnung als Einkünfte aus selbständiger Arbeit wird gleichzeitig angeordnet, dass das Teileinkünfteverfahren anzuwenden ist (§ 3 Nr. 40a EStG). Fraglich ist, ob dieser Carried Interest systematisch als Tätigkeitsvergütung oder als Gewinnanteil des Gesellschafters einzuordnen ist.
Während die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 16.12.2003 – IV A 6 – S 2240, Rz. 24 (noch vor der gesetzlichen Festschreibung in § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG) eine Tätigkeitsvergütung bejaht, geht die h. M. im Schrifttum vom Vorliegen eines Gewinnanteils für die Gesellschafterbeiträge des Initiators aus. Mit erstem höchstrichterlichen Urteil zu der Thematik vom 11.12.2018 (VIII R 11/16) hat der VIII. Senat des BFH entschieden, dass disproportionale Gewinnverteilungsabreden steuerlich anzuerkennen sind. Die Annahme einer Tätigkeitsvergütung sei nur dann denkbar, wenn die Vergütung handelsrechtlich als Ausgabe erfasst würde und auch im Verlustfall zu zahlen wäre. Da dem Urteilsfall eine gewerbliche Fondsgesellschaft zugrunde lag, bestand weiterhin Unsicherheit hinsichtlich der Qualifikation im Fall vermögensverwaltender Fondsgesellschaften.
Mit dieser Frage beschäftigte sich das FG München in seinem Urteil vom 17.11.2020 (12 K 2334/18). Bei der Klägerin handelte es sich um eine Limited Partnership nach dem Recht der Cayman Islands. An dieser waren In- und Ausländer beteiligt. Gesellschaftsvertraglich war die Zuweisung eines erhöhten Gewinnanteils an die Initiatoren geregelt. Obwohl die Klägerin die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfüllte, ordnete die Finanzverwaltung den Carried Interest in einer Außenprüfung für die Streitjahre 2006, 2007 und 2010 als Entgelt für die Tätigkeit der Initiatoren ein und begründete dies damit, dass eine anteilige Einkünfteüberlassung durch die übrigen Gesellschafter an die Initiatoren vorläge. Im Ergebnis erfolgte seitens der Finanzverwaltung eine kapitalproportionale Gewinnverteilung auf Fondsebene. Gegen die infolge der Außenprüfung erlassenen Änderungsbescheide richtete sich der Einspruch der Klägerin und letztlich die vor dem FG München erhobene Klage mit der Begründung, die kapitaldisproportionale Einkünfteverteilung sei zu Unrecht nicht anerkannt worden. Das FG gab der Klage statt und urteilte, dass eine zivilrechtlich ordnungsgemäß getroffene inkongruente Gewinnverteilung im Grundsatz steuerlich anzuerkennen sei. Der Carried Interest stelle auf Ebene der Fondsgesellschaft einen Gewinnanteil und keine Tätigkeitsvergütung dar. Daraufhin legte das Finanzamt Revision ein und beantragte die Urteilsaufhebung.
Der VIII. Senat hat seine bisherige Auffassung bestätigt, dass ein zivilrechtlich anzuerkennender und fremdüblich vereinbarter Carried Interest als disproportionale Gewinnverteilung steuerlich anzuerkennen sei.
Der Auffassung der Finanzverwaltung sei nicht zu folgen. Derartige Rückschlüsse ließen sich nicht aus § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG ableiten. Der dortige Wortlaut knüpfe vielmehr daran an, dass der Carried Interest ein Gewinnanteil sei, um auch immaterielle Gesellschafterbeiträge zu honorieren und enthalte keinen Hinweis darauf, dass ein Gewinnverzicht der übrigen Gesellschafter vorliege. Eine Qualifikation als Tätigkeitsvergütung komme nur dann in Frage, wenn die Vergütung als Ausgabe zu behandeln sei und auch im Verlustfall gezahlt werden müsse. Bei Fehlen derartiger Vereinbarungen liege im Zweifel eine Gewinnverteilungsabrede vor.
Der BFH verwies auf die bereits mit Judikat aus 2018 zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG auf Gesellschafterebene und nicht bei der Fondsgesellschaft zur Anwendung komme. Daher erzielten die Initiatoren und übrigen Gesellschafter zunächst auf Fondsebene die ihnen im Rahmen der Gewinnverteilung zugewiesenen Einkünfte.
Das Urteil weist jedoch die Besonderheit auf, dass der BFH das vorinstanzliche Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufhob und die Sache an das FG München zurückverwies. Das FG hatte es unterlassen, neben den ausgeschiedenen Gesellschaftern der Klägerin auch die übrigen inländischen Feststellungsbeteiligten beizuladen. Die Ausführungen zum Carried Interest waren daher Hinweise für den zweiten Rechtsgang.
Obwohl die Entscheidung aufgrund der verfahrensrechtlichen Aspekte Besonderheiten hat, ist diese doch erfreulich für die Venture Capital und Private Equity Szene. Die wesentliche Frage zur steuerlichen Einordnung des Carried Interest dürfte bereits vor dem zweiten Rechtsgang dahingehend geklärt sein, dass im Regelfall eine Gewinnverteilungsabrede vorliegt und die Umqualifizierung zu Einkünften aus selbständiger Arbeit nicht bereits auf Fondsebene stattfindet.