Bundesverfassungsgericht schränkt Darlegungsanforderungen bei Nichtzulassungsbeschwerde ein

19.03.2025 | FGS Blog

Die Erfolgsaussichten von Nichtzulassungsbeschwerden sind gering: Laut aktueller Statistik des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt die Erfolgsquote bei lediglich 14 Prozent – was vor allem auf die hohen Darlegungsanforderungen zurückzuführen ist. Eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Februar 2025 sorgt nun für etwas Entlastung – insbesondere für Steuerpflichtige, die mehr als 90 Prozent der Nichtzulassungsbeschwerden einlegen.

Hintergrund der Entscheidung: Hohe Darlegungsanforderungen bei der Nichtzulassungsbeschwerde

Die Revision zum BFH ist zulassungsbedürftig (§ 115 FGO). Hat das Finanzgericht (FG) die Revision nicht zugelassen, kann diese im Wege einer Beschwerde beim BFH erstritten werden (§ 116 FGO). In der dann anzufertigenden Beschwerdebegründung müssen die Zulassungsvoraussetzungen dargelegt werden. Wird geltend gemacht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, hat der Beschwerdeführer regelmäßig mehrere Darlegungsschritte zu meistern: Er muss eine abstrakte Rechtsfrage formulieren und herausarbeiten, dass diese von allgemeinem Interesse, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Wird die grundsätzliche Bedeutung auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung gestützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit in der Regel nicht für eine Revisionszulassung. Vom Beschwerdeführer wird stattdessen eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik verlangt. Darüber hinaus muss sich die Beschwerde auch mit den möglichen Konsequenzen eines Verfassungsverstoßes befassen – insbesondere mit der Frage, ob eine verfassungskonforme Auslegung in Betracht kommt oder ob eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG erforderlich ist.

Bundesverfassungsgericht: Die Darlegungsanforderungen dürfen nicht überspannt werden

Mit dem jüngst veröffentlichten Beschluss vom 21. Februar 2025 hat das BVerfG einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, mit der sich der Steuerpflichtige gegen die Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH wandte. Der Steuerpflichtige führte ein erfolgloses Klageverfahren, das ohne Revisionszulassung abgeschlossen wurde. In seiner Nichtzulassungsbeschwerde machte er u. a. grundsätzliche Bedeutung mit dem Argument geltend, dass der „starre“ Rechnungszinsfuß von 6 Prozent für die Verzinsung von Pensionsrückstellungen in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Der BFH hat die Beschwerde zurückgewiesen und insoweit schon das Fehlen hinreichender Substantiierung bemängelt. Die Nichtzulassungsbeschwerde hätte auch Darlegungen dazu enthalten müssen, dass eine normverwerfende Entscheidung des BVerfG zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes oder zumindest zu einer Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle führen werde.

Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Die vom BFH vorgenommene Auslegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung erschwere den Zugang zur Revision in einer mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise. Der BFH verlange Darlegungen zu in der Zukunft liegenden Umständen, deren Eintritt ungewiss und zu denen eine belastbare Prognose nicht möglich sei. Das gelte sowohl hinsichtlich des Ausgangs einer Entscheidung des BVerfG über das Schicksal einer als verfassungswidrig beurteilten Norm als auch hinsichtlich eines die Entscheidung umsetzenden politischen Willensbildungsprozesses des Gesetzgebers. Das zu antizipieren verlange das BVerfG nicht einmal von den Fachgerichten, die eine Vorschrift dem BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG vorlegen. Rechtsschutzsuchenden bei Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung infolge eines Verfassungsverstoßes mehr abzuverlangen als den Fachgerichten bei konkreten Normenkontrollvorlagen sei sachlich nicht gerechtfertigt.

Fazit 

Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des BFH sind selten von Erfolg gekrönt – das zeigt die Statistik: Von den 71 im Jahr 2024 erledigten Verfassungsbeschwerden war keine einzige erfolgreich (BVerfG-Jahresbericht 2024, S. 53). Umso bemerkenswerter ist der vorliegende Fall. Die Entscheidung des BVerfG verschafft Rechtsschutzsuchenden zumindest etwas Entlastung. Zwar bleibt das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, das in der Praxis teils als „Stolper-Draht-Recht“ bezeichnet wird, eine Herausforderung. Doch zumindest ist es jetzt im Hinblick auf die Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung infolge eines Verfassungsverstoßes ein bisschen weniger „stolprig“.

Ausblick für die Praxis 

Rechtsschutzsuchende, die ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit der Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung infolge eines Verfassungsverstoßes planen, sollten sich im Zweifel an den Anforderungen orientieren, die für die Fachgerichte bei konkreten Normenkontrollvorlagen im Rahmen der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit gelten. So genügt es hier für eine Beanstandung der zur Prüfung gestellten Norm am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG etwa, wenn dem Kläger des Ausgangsverfahrens die Chance bleibt, eine für ihn günstigere Regelung zu erreichen. Nach der Entscheidung des BVerfG ist klar: Von Rechtsschutzsuchenden, die ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit der Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung infolge eines Verfassungsverstoßes führen (müssen), können im Rahmen der Darlegung zur Klärungsfähigkeit jedenfalls keine (noch) weitergehenden Darlegungen verlangt werden.