BMF vereinfacht umsatzsteuerlichen Umgang mit Direktverbrauch aus Anlagen zur Energieerzeugung

Unternehmen nutzen zunehmend eigene Anlagen zur eigenständigen Erzeugung von Strom und Wärme. Diese Anlagen verbessern regelmäßig nicht nur die Umweltbilanz, sondern bieten auch eine gewisse Autarkie und können die Energiekosten des Unternehmens mitunter deutlich reduzieren. In der Regel reichen die Anlagen jedoch nicht für eine vollständige Eigenversorgung aus. Andererseits kann es insbesondere in verbrauchsschwächeren Zeiten – etwa an Wochenenden – zu Stromüberschüssen kommen, die den Eigenbedarf übersteigen und mangels Speichermöglichkeiten nicht genutzt werden können.
Vielfach wird der erzeugte Strom oder die Wärme daher nur teilweise direkt verbraucht, teils in einer sog. Kundenanlage z. B. Mietern zur Verfügung gestellt und teilweise in das allgemeine Versorgungsnetz eingespeist. Hieran knüpfen sich mitunter schwierige umsatzsteuerliche Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit der sog. Direktentnahme, dem dezentralen Eigenverbrauch des produzierten Stroms.
Mit Schreiben vom 31. März 2025 hat sich nun auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit dem umsatzsteuerlichen Umgang mit der Direktentnahme beschäftigt und die bisherige Verwaltungsauffassung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) angepasst.
Im Falle der Direktentnahme von Strom sind Finanzbehörden vielfach davon ausgegangen, dass eine - wenn auch nur fingierte - Lieferung des Anlagenbetreibers an den Netzbetreiber und eine Rücklieferung durch den Netzbetreiber an den Anlagenbetreiber/Verbraucher vorliegt. Hierfür sollte insbesondere sprechen, dass der Anlagenbetreiber auch für den nicht eingespeisten Strom einen KWK-Zuschlag vom Netzbetreiber erhält. Dieser Auffassung hatte der BFH eine Absage erteilt. Mit seinem Schreiben reagiert das BMF nunmehr auf insgesamt vier Urteile des BFH aus den Jahren 2022 und 2023.
Zunächst hatte der BFH in seinen Urteilen vom 29. November 2022 (XI R 18/21) und vom 11. Mai 2023 (V R 22/21) entschieden, dass die Zahlung eines KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom nicht zu einer Lieferung im umsatzsteuerlichen Sinne führt. Gegen eine Lieferung im Falle des Direktverbrauchs durch den Anlagenbetreiber spreche, dass eine Lieferung die Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand gegen Entgelt voraussetzt. Der Unternehmer oder ein von ihm beauftragter Dritter erhält also die Möglichkeit, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Daran fehle es beim Direktverbrauch, da der Anlagennutzer den Strom bereits verbraucht hat und dieser somit dem Netzbetreiber nicht mehr zur Verfügung steht. Mangels Einspeisung des Stroms in das allgemeine Stromnetz komme es daher weder zu einer Substanz- noch zu einer Wert- oder Ertragsübertragung des erzeugten und dezentral verbrauchten Stroms. Der Netzbetreiber erlange keine Verfügungsgewalt über den Strom.
Aber auch eine mögliche fingierte Stromlieferung des Anlagenbetreibers an den Netzbetreiber, weil dieser den KWK-Zuschlag zahlt, hat der BFH ausgeschlossen. Aus der bloßen Vergütungsregelung des § 4 Abs. 3a KWKG könne nicht geschlossen werden, dass derjenige, der den KWK-Zuschlag zahle, auch Leistungsempfänger sei. Der KWK-Zuschlag stelle somit kein umsatzsteuerliches Entgelt dar, wenn keine Entnahme aus dem Netz erfolge.
Nach diesen Grundsätzen sei die Lieferung des Anlagenbetreibers auf die tatsächlich eingespeiste Menge beschränkt, sodass auch eine fiktive Rücklieferung der selbst verbrauchten Menge ausscheiden müsse. Darüber hinaus liege auch im Rahmen der sog. kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung keine Lieferung vor, da der Anlagenbetreiber den selbst erzeugten Strom in sein eigenes Stromnetz liefere (sog. Kundenanlage), ohne dass bilanziell eine Stromeinspeisung in das Versorgungsnetz und eine Stromentnahme aus dem Versorgungsnetz erfolgt.
Darüber hinaus hat der BFH mit Urteilen vom 15. März 2022 (V R 34/20) und vom 9. November 2022 (XI R 31/19) entschieden, dass im Rahmen der Umsatzbesteuerung der Wärmeabgabe aus einem Blockheizkraftwerk oder einer Biogasanlage der Ansatz des durchschnittlichen Fernwärmepreises als Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe gegen § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG verstoße und daher unzulässig sei. Vielmehr sei die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe von Wärme nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG nach den Selbstkosten zu bestimmen, wenn sich ein Einkaufspreis für den entnommenen oder einen gleichartigen Gegenstand am Markt nicht ermitteln lässt – etwa wenn die Wärmeerzeugungsanlage nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen sei.
Darüber hinaus sei die Aufteilung der Selbstkosten nicht nach der sog. „energetischen Methode“ vorzunehmen, nach der die Aufteilung nach der Menge der erzeugten elektrischen und thermischen Energie erfolgt. Vielmehr sei für die Aufteilung der Selbstkosten die Marktpreismethode maßgeblich, bei der auf einen tatsächlichen oder ggfs. fiktiven Umsatz abzustellen ist.
Das BMF hat die Grundsätze der BFH-Urteile vollständig übernommen und Abschnitt 2.5 UStAE aktualisiert. Damit geht nun auch die Finanzverwaltung davon aus, dass bei der Direktentnahme von Strom weder eine fiktive Lieferung an den Netzbetreiber noch eine Rücklieferung an den Anlagenbetreiber vorliegt. Vielmehr ist nur der tatsächlich in das Netz eingespeiste Strom umsatzsteuerlich relevant. Möglich bleibt jedoch die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei Neuanlagen regelmäßig nicht mehr auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet werden muss, um in den Genuss eines Vorsteuerabzugs zu kommen, da die Eingangsleistungen bereits nicht mit Umsatzsteuer belastet sind.
Bei den Neuanlagen, die seit dem 1.1.2023 angeschafft wurden, sieht der § 12 Abs. 3 UStG einen Nullsteuersatz vor, womit keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug gegeben ist und folglich kein steuerbarer Ausgangsumsatz vorliegt. Bei Altanlagen wurde die Umsatzsteuer noch berechnet. Betreiber von kleinen PV-Anlagen verzichteten deshalb häufig auf die Kleinunternehmerregelung, um den Vorsteuerabzug aus der PV-Anlage geltend machen zu können. Dann unterlag auch der private Verbrauch der Umsatzsteuer.
Darüber hinaus greift das BMF auch die Ausführungen des BFH zur Wärmelieferung auf. Insofern sieht der neue Abschnitt 2.5 UStAE vor, dass nicht mehr der durchschnittliche Fernwärmepreis als Bemessungsgrundlage zulässig ist, sondern die anteiligen Selbstkosten, sofern kein Marktpreis ermittelt werden kann.
Für den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung von Stromspeichern und Wallboxen gelten die allgemeinen Grundsätze. Ein Vorsteuerabzug aus der Anschaffung oder Herstellung dieser Vorrichtungen ist folglich ausgeschlossen, wenn der gespeicherte oder durchgeleitete Strom zu weniger als 10 % für unternehmerische Zwecke genutzt -eingespeist oder für unternehmerische Tätigkeiten verwendet- wird.
Wichtig für die Praxis ist die Einräumung einer Nichtbeanstandungsregelung. Für Umsätze, die vor dem 1. Januar 2026 ausgeführt werden, wird es nicht beanstandet, wenn die Parteien weiterhin von fiktiven Lieferungen im Sinne der vormaligen Auffassung der Verwaltung ausgehen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn Netzbetreiber und Anlagenbetreiber übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass es sich bei dem KWK-Zuschlag um ein steuerbares und steuerpflichtiges Entgelt handelt.
Mit den Neuerungen schafft das BMF Klarheit bei der Beurteilung der Direktentnahme von Strom. Dies führt gleichzeitig zu einer deutlichen Vereinfachung. Werden Strommengen für das Unternehmen selbst entnommen, sind diese nun umsatzsteuerlich irrelevant. Zu beachten bleibt jedoch, dass der dezentral verbrauchte Strom einer Wertabgabenbesteuerung unterliegen kann.
Zu beachten ist bei Abgaben von Mengen an Mieter, dass nach der Rechtsprechung des BFH vom 17. Juli 2024 (XI R 8/21) eine selbständige Leistung von Strom angenommen wird. Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt die Stromlieferung noch eine Nebenleistung zur Vermietung dar und teilt damit umsatzsteuerlich das Schicksal der Vermietungsleistung (Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE).