Verfahren zur Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer soll durch das AbzStEntlModG modernisiert und vereinfacht werden

 

 

Das Bundesfinanzministerium hat am 20. November 2020 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugssteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer (AbzStEntlModG) vorgelegt. Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen in erster Linie die Durchführung des Abzugs- und Erstattungsverfahrens für im Abzugswege erhobene Steuern. Außerdem revidiert werden sollen die unilaterale LoB- bzw. Anti-treaty-shopping-Regelung sowie die Vorschriften zur beschränkten Steuerpflicht bei der Überlassung oder Veräußerung von in einem inländischen Register eingetragenen Rechten. Zuletzt sieht der Referentenentwurf punktuelle Änderungen im Umwandlungssteuergesetz sowie der Abgabenordnung vor.

Anpassung der beschränkten Steuerpflicht im Rahmen der Überlassung oder Veräußerung von Rechten (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f), Nr. 6 EStG-E)

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) und Nr. 6 EStG können Einkünfte aus der Überlassung oder der Veräußerung von Rechten auch dann unter die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland fallen, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder im Inland verwertet werden. Nach dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) und Nr. 6 EStG könnte also bereits eine inländische Registereintragung für die Begründung deutschen Besteuerungsrechts auszureichen, ohne dass eine Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder ein inländischer Zahlungsstrom erforderlich sind. Ungeachtet kontrovers geführter Diskussionen in der Fachwelt, hat die Finanzverwaltung diese Auffassung erst jüngst bekräftigt und selbst für solche Fälle bejaht, in denen aufgrund einer Anmeldung beim Europäischen Patent- und Markenamt eine Eintragung der Rechte im Inland erfolgt. (BMF-Schreiben v. 6.11.2020).

 

Der Referentenentwurf des AbzStEntlModG wendet sich hiervon nun etwas überraschend ab, indem das in der aktuellen Gesetzesfassung enthaltene Merkmal der inländischen Buch- oder Registereintragung ersatzlos gestrichen werden soll. Zu einer beschränkten Steuerpflicht soll es danach nur noch dann kommen, wenn das überlassene Recht in einer inländischen Betriebsstätte oder Einrichtung des Lizenznehmers verwertet wird. Nach der Entwurfsbegründung soll hierdurch der Tatbestand zur Besteuerung von Rechteüberlassungen bei beschränkter Steuerpflicht auf Fälle mit einem substantiellen Inlandsbezug zurückgefahren und der verbreiteten Praxis Rechnung getragen werden, Rechte häufig auch ohne konkreten Verwertungszusammenhang in einem Land schützen zu lassen. Der Regelungsvorschlag ist zu begrüßen und soll in allen noch offenen Fällen Anwendung finden. Im Zusammenhang mit aktuellen Fällen darf dennoch das kürzlich ergangene BMF-Schreibens v. 6.11.2020 nicht ausgeblendet werden (Taxpod #20.10).

Steuerabzugs- und Entlastungsverfahrens (§ 50c EStG-E)

In den neu gefassten § 50c EStG-E werden diejenigen Regelungen des § 50d überführt, welche das Verfahren zur Entlastung von Kapitalertragsteuer und vom Steuerabzug nach § 50a auf der Grundlage der §§ 43b, 50g oder eines DBA außerhalb des Veranlagungsverfahrens betreffen. Dabei soll es – sollte keine Freistellungsbescheinigung vorliegen – bei der schon bekannten (heute § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG) Anordnung bleiben, den Quellensteuerabzug auch bei Vorliegen der Voraussetzungen der Entlastungsvoraussetzungen gem. der §§ 43b, 50g EStG oder eines DBA dennoch in voller Höhe vorzunehmen. Übernommen werden zudem die Möglichkeiten des Vergütungsgläubigers, etwaige Entlastungsansprüche im Wege des Freistellungs- oder Erstattungsverfahrens geltend machen zu können (§ 50c Abs. 2 und Abs. 3 EStG-E). Freistellungsbescheinigungen sollen ihre Gültigkeit künftig allerdings erst mit dem Zeitpunkt ihrer Ausstellung erlangen. Nach geltender Rechtslage ist in diesem Zusammenhang hingegen der Tag des Antragseingangs beim BZSt maßgeblich (§ 50d Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 EStG). Zudem soll der Vergütungsschuldner künftig auch dann zur Steueranmeldung verpflichtet sein, wenn er keine Steuer abzuführen hat (§ 50c Abs. 2 Satz 2 EStG-E).

 

Eine in diesem Zusammenhang wesentliche Änderung betrifft die gesetzliche Vorbereitung auf eine vollständig digitalisierte Antragsbearbeitung beim BZSt ab dem Jahr 2024. Dazu werden in § 50c Abs. 5 EStG die elektronische Antragstellung und der elektronische Bescheidabruf als Grundsatz und Regelmethode vorgeschrieben. Danach sollen künftig Freistellungs- und Erstattungsanträge ebenso wie Ansässigkeitsbescheinigungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle übermittelt werden. Entsprechende Freistellungsbescheinigungen und -bescheide werden dann zum Datenabruf durch Datenfernübertragung bereitgestellt. Dies ist sehr zu begrüßen, dürfte hiermit doch die Hoffnung auf deutlich vereinfachte sowie beschleunigte Verfahrensabläufe verbunden sein. Zulässig bleiben soll daneben aber auch die aktuelle Praxis einer Antragstellung auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck. Dessen Zulassung soll jedoch im Ermessen des BZSt stehen, sofern andernfalls unbillige Härten vorliegen würden.

Neufassung von § 50d Abs. 3 EStG-E im AbzStEntlModG

Neu gefasst wird im vorliegenden Entwurf des AbzStEntlModG die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG. Diese Norm beinhaltet die Voraussetzungen, unter denen eine Freistellung bzw. Erstattung (bislang nach § 50d Abs. 1, 2 EStG, künftig gem. § 50c EStG-E) auf der Grundlage von DBA erwirkt werden kann. Mit der Neuregelung soll insbesondere der EuGH-Rechtsprechung (C-504/16 und C-613/16 v 20.12.2017), den ATAD-Vorgaben der EU und den OECD BEPS-Empfehlungen Rechnung getragen werden. Sie soll – wie schon heute – auch im Rahmen von § 43b EStG (Inanspruchnahme der Mutter-Tochter-Richtlinie), § 50g EStG (Inanspruchnahme der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie) sowie § 44a Abs. 9 EStG (unilaterale Reduktion der Kapitalertragsteuer bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht) Anwendung finden.

 

Konkret wird mit Satz 1 der Vorschrift eine Abzugssteuerentlastung untersagt, wenn die Vermutung eines Gestaltungsmissbrauchs besteht. Um treaty shopping zu verhindern, ist zu prüfen, ob die Anteilseigner einen Entlastungsanspruch auch ohne Einschaltung der Gesellschaft hätten und, ob die Einkunftsquelle (Beteiligung, Lizenzrecht etc.) der wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient. Keine Wirtschaftstätigkeit in diesem Sinne soll vorliegen, wenn a) Einkünfte erzielt und an beteiligte oder begünstigte Personen weitergeleitet werden sowie b) eine Tätigkeit mit einem für den Geschäftszweck nicht angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt wird. Besteht hiernach die Vermutung eines Gestaltungsmissbrauchs, soll diese nach Satz 2 durch den Nachweis widerlegt werden können, dass der Einschaltung der ausländischen Gesellschaft nicht die Erlangung eines steuerlichen Vorteils zugrunde lag. Zudem sollen – wie schon heute – börsennotierte Gesellschaften von der Regelung ausgenommen sein.

 

Im Ergebnis sind die geplanten Neuerungen im AbzStEntlModG ambivalent. Die Rückführung der Norm auf den europarechtskonformen Kern ist zwar grundsätzlich begrüßenswert. Gleichzeitig sollen mit der Neufassung – so die Gesetzesbegründung – aber auch Verschärfungen verbunden sein. So soll die erste Voraussetzung (Entlastungsanspruch des Anteilseigners) im Gegensatz zur geltenden Fassung selbst dann erfüllt sein, wenn die Anteilseigner der ausländischen Gesellschaft auf der Grundlage einer anderen Anspruchsnorm einen vergleichbaren Entlastungsanspruch hätten wie die Gesellschaft selbst. Zudem soll § 50d Abs. 3 EStG-E lt. der Entwurfsbegründung auch dann gelten, wenn im DBA selbst eine Vorschrift zur Missbrauchsvermeidung/LoB-Klausel enthalten ist.

Änderungen im Umwandlungssteuergesetz durch das AbzStEntlModG

Der Entwurf schlägt in § 2 Abs. 5 UmwStG-E die Aufnahme eines Verrechnungsverbots für negative Einkünfte aus der Veräußerung oder Bewertung von Finanzinstrumenten oder Anteilen an Körperschaften vor. Nach der Ausführungen in der Entwurfsbegründung sollen durch die Regelung Gestaltungen vorgebeugt werden, die darauf abzielen, einem Dritten innerhalb des steuerlichen Rückwirkungszeitraums noch nicht realisierte stille Lasten in Finanzinstrumenten oder Anteilen an einer Körperschaft zur Verrechnung mit positiven Einkünften zur Verfügung zu stellen. Dabei soll sich das Verrechnungsverbot nicht nur auf Verschmelzungen auf Personen- oder Kapitalgesellschaften sowie Spaltungen von Kapitalgesellschaften beschränken, sondern daneben auch für Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft sowie für Einbringungen gelten. Sofern der Zweck der Umwandlung oder Einbringung nachweislich nicht in der Verrechnung negativer Einkünfte bestand, soll das Verrechnungsverbot jedoch nicht eingreifen.

 

Das in § 2 Abs. 5 UmwStG-E enthaltene Verrechnungsverbot soll erstmals auf Umwandlungen und Einbringungen anzuwenden sein, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das für die Wirksamkeit des Vorgangs maßgebende öffentliche Register bzw. bei Einbringungen der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach dem Tag der Veröffentlichung des Referentenentwurfs (20.11.2020) erfolgt. Daneben soll das Verrechnungsverbot aber auch in offenen Fällen zur Anwendung gelangen, sofern die äußeren Umstände darauf schließen lassen, dass die Verrechnung übergehender stiller Lasten wesentlicher Zweck der Umwandlung oder Einbringung war und der Steuerpflichtige Gegenteiliges nicht glaubhaft machen kann (§ 27 Abs. 16 UmwStG-E). 

AbzStEntlModG – sonstige Änderungen

Nach § 50a Abs. 5 Satz 3 EStG-E soll der Schuldner der Vergütung künftig zur Abgabe einer Steueranmeldung beim BZSt auch dann verpflichtet sein, wenn ein Steuerabzug gesetzlich vorgesehen (§ 50a Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Satz 1, § 50c Abs. 2 EStG-E) tatsächlich unterbleiben kann.

 

Die Vorschrift zur Quellensteuererstattung bei hybriden Rechtsträgern (§ 50d Abs. 1 Satz 11 EStG) soll in einen separaten Absatz 11a überführt werden.

 

Durch den neuen § 45b EStG-E werden Angaben zur Bescheinigung und Abführung der Kapitalertragsteuer im Zusammenhang mit Kapitalerträgen aus girosammelverwahrten Aktien aufgeführt. Um die Finanzverwaltung frühzeitig über die in den Steuerbescheinigungen enthaltenen Informationen in Kenntnis zu setzen, sind dies nach Maßgabe von § 93c AO an das BZSt zu übermitteln. Die den Kapitalertrag auszahlende Stelle ist zur Übermittlung von Informationen über Art und Umfang der Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug sowie zur Höhe der einbehaltenen und angeführten Steuer auch dann verpflichtet, wenn keine Steuerbescheinigung erteilt oder keine Angaben nach § 45a Abs. 2a EStG-E übermittelt wurden.

 

§ 45c EStG-E führt in Ergänzung zu den in § 45b EStG-E auf Steuerbescheinigungen auszuweisenden Informationen und darauf bezogenen Meldepflichten weitere Informationen zum Umfang der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer auf, die von den auszahlenden Stellen und Wertpapiersammelbanken an das BZSt zu übermitteln sind.

 

Mit § 88c AO-E soll eine Rechtsgrundlage für den Informationsaustausch der Finanzbehörden über kapitalmarktbezogene Gestaltungen aufgenommen werden. Lt. der Entwurfsbegründung dient die Vorschrift insbesondere der zielgerichteten Aufdeckung missbräuchlicher Gestaltungen im Zusammenhang mit Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag.