Dr. Sebastian BinderKlaus Himmer M.Sc.

Hintergrund

Am 12. Mai 2022 hat das BMF das lange erwartete Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und sonstigen Token veröffentlicht. Darin erläutert das BMF auf über 24 Seiten die technischen Grundlagen und Begrifflichkeiten der Blockchain-Technologie und die steuerliche Behandlung diverser darauf aufbauender Vermögenswerte und Geschäftsvorfälle.

 

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über einige praxisrelevante Inhalte des BMF-Schreibens und bespricht einzelne Änderungen gegenüber dem Entwurf des Schreibens vom 17. Juni 2021 (siehe FGS Blog zum Entwurf):

Definitionen und technische Grundlagen

Wie auch das Entwurfsschreiben vom 17. Juni 2021 widmet sich das finale BMF-Schreiben zunächst ausführlich der Erläuterung von wesentlichen Grundlagen und Begrifflichkeiten aus Verwaltungssicht.

 

Es finden sich Definitionen sowie allgemeine ökonomische und technische Hintergründe zu virtuellen Währungen und Token sowie der Blockchain-Technologie. Im Speziellen wird dabei auf Einzelaspekte von Nodes, Mining, Staking, Masternodes, Wallets, Initial Coin Offerings, Lending, Forks und Airdrops eingegangen.

 

Auch wenn im BMF-Schreiben noch keine Ausführungen zu aktuellen Themengebieten wie Decentralized Finance und NFTs enthalten sind, sollte das nunmehr geschaffene einheitliche Begriffsverständnis der Finanzverwaltung wesentlich dazu beitragen, den steuerlichen Diskurs und die Deklaration von Einkünften in der Praxis zu erleichtern.

Token als Wirtschaftsgüter

Wie bereits im BMF-Entwurf bestätigt das Ministerium seine Auffassung, dass es sich bei virtuellen Währungen und Token grundsätzlich um Wirtschaftsgüter handelt. Ob dies pauschalierend und ohne Einzelfallprüfung sachgerecht ist, darf bezweifelt werden. Die Zurechnung soll sich weiter nach der tatsächlichen Herrschaft über den private key bestimmen. Im Falle des Handels über eine zentralisierte Kryptobörse sollen die digitalen Assets indes dem Nutzer als wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen sein.

 

Die Wirtschaftsguteigenschaft sowie steuerliche Zurechnung waren bereits Gegenstand erster Finanzgerichtsurteile und werden in der Fachliteratur teils erheblich kritisiert. Letztlich kommt diesen Fragestellungen deshalb eine so elementare Bedeutung zu, weil sie die Grundlage aller weiteren Besteuerungsimplikationen (z.B. der Besteuerung von Krypto-zu-Krypto Transaktionen) darstellen.

 

Mehr Rechtssicherheit verspricht in diesem Zusammenhang das derzeit beim BFH unter dem Az. IX R 3/22 anhängige Revisionsverfahren. Die Entscheidung bleibt insoweit mit Spannung zu erwarten.

Keine Verlängerung der Haltedauer bei privaten Veräußerungsgeschäften

Die wohl für Privatanleger interessanteste Neuerung stellt die Abkehr von der Anwendung der Haltefristverlängerung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG auf virtuellen Währungen und Token dar. So sah der BMF-Entwurf eine Verlängerung der Haltefrist für Vermögenswerte auf 10 Jahre vor, wenn diese für Staking, Lending oder eine anderweitige Einkünfteerzielung im Privatvermögen eingesetzt wurden. Diese Auffassung wurde im finalen Schreiben aufgegeben, sodass es bei der einjährigen Spekulationsfrist bleibt.

 

Vorteilhaft ist dies insbesondere bei einer positiven Wertentwicklung von Kryptowährungen, denn Veräußerungsgewinne bleiben nach einem Jahr steuerfrei. Freilich gilt dies auch im umgekehrten Fall. Sinkt der Wert eines Assets und wird deshalb ein Veräußerungsverlust erzielt, steht dieser nach einem Jahr Haltedauer nicht mehr für eine steuerliche Verlustverrechnung zur Verfügung.

Klarstellung zu den Voraussetzungen an gewerbliche Tätigkeiten

Bei dem Handel mit virtuellen Währungen und Token soll weiterhin auf die allgemeinen Grundsätze für die Abgrenzung einer vermögensverwaltenden zu einer gewerblichen Tätigkeit beim Wertpapierhandel zurückgegriffen werden. Dies erscheint sachgerecht. Es verbleiben im Einzelfall jedoch Unsicherheiten. Insbesondere dürften von diesen Unsicherheiten, neben dem umtriebigen Privatanleger, Fondsinitiatoren betroffen sein, da für sie die Klarheit über eine gewerbliche Einordnung der Fondsaktivitäten von großer Bedeutung ist.

 

Eine im Vergleich zum BMF-Entwurf neue systematische Herangehensweise stellt das BMF bei der gewerblichen Qualifikation von Mining und Staking vor. Hierbei soll nunmehr entscheidend sein, ob die Tätigkeit mit einer Blockerstellung verbunden ist. Ist dies der Fall, sieht die Finanzverwaltung die Sphäre der privaten Vermögensverwaltung grundsätzlich als überschritten an, da der Dienstleistungscharakter überwiegt. Soweit Staking mit einer Blockerstellung verbunden ist, spricht das Schreiben deshalb auch von sog. „Forging“, als begriffliche Abgrenzung zum (grds. nicht gewerblichen) „Staking“, das nach Verwaltungsverständnis ausschließlich in der Bereitstellung eines Stakes besteht. Zu unterscheiden ist weiter, ob die Blockerstellung durch den Steuerpflichtigen selbst oder durch einen Dritten (delegated Staking, zentralisierte Kryptobörse) erfolgt. In letzterer Fallkonstellation sollte die Dienstleistung der Blockerstellung im Netzwerk nicht dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden und damit eine vermögensverwaltende Tätigkeit weiterhin denkbar sein.

 

Die Abgrenzung der vermögensverwaltenden zu einer gewerblichen Tätigkeit ist deshalb relevant, da virtuelle Währungen und Token, die in einem Betriebsvermögen steuerverstrickt sind, über keine Spekulationsfrist verfügen. Veräußerungsgewinne sind demnach grundsätzlich steuerpflichtig, unabhängig davon, wie lange die Vermögensgegenstände gehalten wurden. Die Vorteile der entfallenen Haltefristverlängerung könnten daher für Forger, die bisher von keinem gewerblichen Unterfangen ausgingen, insoweit neutralisiert werden. Zudem ist eine Gewerbesteuerpflicht zu beachten.

Vereinfachungen bei Wertermittlung und Verbrauchsfolge

Die Möglichkeit der Nutzung von Bewertungsvereinfachungsverfahren bleibt auch im finalen Verwaltungsschreiben erhalten. Grundsätzlich kommt der Einsatz einer Durchschnittswertmethode und des Verbrauchsfolgeverfahrens First In First Out (FIFO) in Betracht.

 

Im Betriebsvermögen kann für die Ermittlung eines Veräußerungsgewinns die Durchschnittswertmethode verwendet werden, wenn eine Einzelbetrachtung ausscheidet.

 

Im Privatvermögen besteht, soweit keine Einzelbewertung möglich ist, ein Wahlrecht zwischen der Anwendung des Verbrauchsfolgeverfahrens FIFO und einer modifizierten Durchschnittswertermittlung nach BFH-Rechtsprechung.

 

Unklar verbleibt, wann eine Einzelbewertung nicht möglich ist bzw. welche Anstrengungen der Steuerpflichtige unternehmen muss, um eine solche durchzuführen. Jedenfalls bei Transaktionen auf zentralisierten Kryptobörsen sollte indes eine Einzelbewertung ausscheiden, da der Nutzer nicht bestimmen oder erkennen kann, welche Token veräußert werden.

 

Zu den Mitwirkungspflichten ist bereits das Erscheinen eines weiteren BMF-Schreibens angekündigt, das ggf. für weitere Klarheit sorgen wird.

Token als Arbeitslohn

Weitere Klarstellungen wurden zu der Fragestellung aufgenommen, welche Besteuerungsimplikationen bei der vergünstigten Übertragung von Token an Arbeitnehmer bestehen.

 

Erwirbt ein Arbeitnehmer zu vergünstigten Konditionen und ist die Vergünstigung durch das Beschäftigungsverhältnis veranlasst, kann in Höhe der Vergünstigung steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegen. Der Arbeitslohn ist nach allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen im Zuflusszeitpunkt zu besteuern. Der Zufluss findet nach der präzisierten Verwaltungsauffassung regelmäßig durch die Übertragung auf die Wallet des Arbeitnehmers statt.

 

Frühestens soll eine Versteuerung allerdings stattfinden, sobald die Token handelbar sind. Diese Regelung ist u.E. so zu verstehen, dass eine technische Übertragbarkeit gegeben sein muss. Etwaige Verfügungsbeschränkungen oder Vesting-Klauseln sollten, wie bei klassischen Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, den Zufluss grundsätzlich nicht hindern.