Das BMF-Schreiben vom 08.10.2024 betrifft die Aufteilung von Arbeitslohnzahlungen für den Fall, dass ein Arbeitnehmer - neben im Inland steuerpflichtigen Arbeitslohnzahlungen – auch nicht steuerpflichtige bzw. nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) in Deutschland steuerfreigestellte Arbeitslohnzahlungen bezieht. Das Schreiben ersetzt das bisherige Schreiben vom 14.03.2017 und nimmt erstmals zu praktischen Anwendungsfragen der Tagestabelle Stellung.

Lohnsteuerabzug nach der Tagestabelle bei ausländischen Arbeitstagen

Die Finanzverwaltung hat das BMF-Schreiben vom 08.10.2024 zum Anlass genommen, die Verpflichtung zur Ermittlung der Lohnsteuer nach der Tagestabelle um ein weiteres Jahr auf den 01.01.2025 zu verschieben. Seit der Änderung durch die Lohnsteuerrichtlinie 2023 sieht R 39b.5 Abs. 2 Satz 4 LStR 2023 vor, dass die Ermittlung der Lohnsteuer nach der Tagestabelle und nicht nach der Monatstabelle zu erfolgen hat, wenn das Arbeitsverhältnis den ganzen Monat bestand und der Arbeitnehmer in einem Monat – neben im Inland steuerpflichtigen Arbeitslohnzahlungen – auch nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Arbeitslohn bezieht. Angesprochen sind die in der Praxis häufig anzutreffenden Sachverhalte, dass ein Arbeitnehmer nur einen Teil seiner Tätigkeit in Deutschland ausübt und daher auch nur für den auf die inländischen Arbeitstage entfallenden Teil der Gehaltszahlungen eine Lohnsteuereinbehaltungsverpflichtung besteht. Wobei der Arbeitnehmer in Deutschland der unbeschränkten oder der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen kann.

Verschiebung der zeitlichen Ingangsetzung auf den 01.01.2025

Auf Grund praktischer Anwendungsprobleme hat das BMF die zeitliche Ingangsetzung der Anwendung der Tagestabelle zunächst vom 01.01.2023 auf den 01.01.2024 und nunmehr auf den 01.01.2025 verschoben. Hintergrund ist, dass R 39b.5 Abs. 2 Satz 4 LStR 2023 keine Aussage dazu trifft, wie die für die tageweise Lohnsteuerberechnung maßgeblichen Tage (die sog. Steuertage) zu ermitteln sind. Dies hat in der Praxis zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, unterschiedlichen Berechnungsmethoden und auch zu Anfragen der Wirtschaftsverbände an das BMF geführt.

Vereinfachungsregelung des BMF

Das BMF-Schreiben sieht nun die Vereinfachungsregelung vor, dass bei einem in Vollzeit tätigen Arbeitnehmer pauschal von 20 Steuertagen pro Monat ausgegangen werden kann. Setzt man die 30 Kalendertage ins Verhältnis zu 20 Steuertagen, ergibt sich der Faktor 1,5.

Bei einem Arbeitnehmer, der einen monatlichen Bruttoarbeitslohn von EUR 10.000 hat und sich in einem Kalendermonat an insgesamt 12 Tagen im Ausland und an 8 Tagen in Deutschland aufhält, sind somit EUR 6.000 (12/20 von EUR 10.000) in Deutschland steuerfrei und EUR 4.000 (8/20 von EUR 10.000) in Deutschland steuerpflichtig. Für die tageweise Lohnversteuerung ist von 12 Steuertagen auszugehen (8 x 1,5 = 12 Steuertage). Der Tagessatz für die Anwendung der Tagestabelle beträgt somit EUR 333,33 (= EUR 4.000/12).

Alternativ lässt es die Finanzverwaltung auch zu, die Steuertage anhand der tatsächlichen Arbeits- und Nichtarbeitstage des Arbeitnehmers in Deutschland zu ermitteln. Die Steuertage ergeben sich dann durch die Addition der inländischen Arbeitstage mit den (nachzuweisenden) inländischen Nichtarbeitstagen. Die Berechnungsvarianten führen nicht zu demselben Ergebnis. Regelmäßig ist allerdings die Vereinfachungsregelung des BMF günstiger.

Deutliche Erhöhung der Lohnsteuerschuld

In der Praxis hat die Anwendung der Tagestabelle eine erhebliche Erhöhung der Lohnsteuerschuld zur Folge. Dies ist insbesondere bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern von Relevanz. Hier entfaltet der inländische Lohnsteuerabzug Abgeltungswirkung. Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern hat wegen der ausländischen Progressionseinkünfte ohnehin eine Pflichtveranlagung zu erfolgen. Für unbeschränkt Steuerpflichtige ergibt sich daher nur eine temporäre Steuermehrbelastung.

Die Durchführung eines Lohnsteuerjahresausgleichs würde für beschränkt Steuerpflichtige – auf Grund der Ermittlung der Lohnsteuerschuld auf Jahresbasis – den aus der Tagestabelle resultierenden Steuererhöhungseffekt ausgleichen. Allerdings schließt § 42b Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG die Anwendung aus, wenn nach DBA freigestellte Einkünfte erzielt werden. Zudem soll die Vorschrift mit dem Jahressteuergesetz 2024 dahingehend verschärft werden, dass Einkünfte, von denen keine inländische Lohnsteuer einbehalten worden ist, einen Lohnsteuerjahresausgleich grundsätzlich ausschließen (s. BT-Drucks. 20/12780, 119). Damit sollen u.a. Nicht-DBA-Fälle erfasst werden, in denen kein Lohnsteuerabzug erfolgt.

Es bleibt dann – zumindest für Staatsangehörige und ansässige eines Mitgliedsstaates der EU bzw. des EWR (neuerdings auch für in der Schweiz ansässige Arbeitnehmer) – bei der Möglichkeit der Antragsveranlagung (§ 50 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Satz 7 EStG). Eine gesetzliche Verankerung des erweiterten Anwendungsbereichs der Antragsveranlagung ist mit dem Jahressteuergesetz 2024 geplant (s. BT-Drucksache 369/24, 21). Eine Veranlagung geht allerdings mit der Anwendung des Progressionsvorbehalts für die nicht in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte einher und verursacht zudem zwangsläufig höhere Beratungsaufwendungen.

Vorgehensweise bei erfolgter Anwendung der Tagestabelle in 2023 und 2024

Die mit dem BMF-Schreiben vom 08.10.2024 erfolgten Klarstellungen zu praktischen Anwendungsfragen der Tagestabelle sind grundsätzlich zu begrüßen. Besteht in Deutschland Sozialversicherungspflicht, gilt die steuerliche Berechnungsmethodik übrigens nicht. Hier ist weiterhin von 30 SV-Tagen auszugehen.

Die (erneute) zeitliche Verschiebung der Ingangsetzung wirft die Frage nach der Vorgehensweise in 2023 und 2024 auf. Ist bereits in 2023 der Lohnsteuerabzug auf der Grundlage der Tagestabelle erfolgt, ist zu prüfen, ob im Veranlagungsverfahren eine niedrigere Steuerbelastung erreicht werden kann. Für 2024 kommt – bis zur Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigungen – eine Berichtigung und Erstattung bislang zu hoch einbehaltener Lohnsteuer durch den Arbeitgeber in Betracht.