BGH zu Cum/Ex: Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Rechtsgutachten
Im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Aufarbeitung der Cum/Ex-Geschäfte hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 7. Juli 2025 (Az. 1 StR 484/24) bestätigt, dass sich Rechtsanwälte und Steuerberater durch die bewusste Erstellung unrichtiger Rechtsgutachten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar machen können. Der BGH bestätigte damit das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2024 (Az. 5/24 KLs 7480 Js 208433/21), das einen Rechtsanwalt wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt hat. Die dagegen eingelegte Revision verwarf der BGH als unbegründet. Die Entscheidung enthält wichtige Hinweise, die bei der Erstellung von Rechtsgutachten zu berücksichtigen sind.
Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Rechtsanwalt eine zentrale Rolle in der steuerrechtlichen Beratung von Cum/Ex-Geschäften ein, indem er Mandanten bei der Durchführung dieser Transaktionen begleitete. Für eine Bank erstellte er mehrere Rechtsgutachten, in denen er die steuerliche Unbedenklichkeit der Cum/Ex-Geschäfte bescheinigte. Dabei legte er den Rechtsgutachten nach den Feststellungen des Landgerichts bewusst unzutreffende bzw. unvollständige Sachverhalte zugrunde, um die tatsächlichen wirtschaftlichen Beweggründe der Transaktion zu verdecken und den Anschein einer steuerrechtlichen Unbedenklichkeit der Gestaltungen zu erzeugen. Der Rechtsanwalt nahm dabei nach den Feststellungen des Landgerichts billigend in Kauf, dass seine Gutachten die Umsetzung der Geschäfte begünstigten und die Bank eine Kapitalertragsteuer erstattet bekommen würde, die ihr tatsächlich nicht zustand.
Der BGH hat seine Rechtsprechung bestätigt, dass auch berufstypische Handlungen wie die Erstellung von Rechtsgutachten eine strafbare Beihilfehandlung darstellen können, wenn sie bewusst auf unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalten beruhen (unrichtige (Gefälligkeits-)Gutachten). Weder Alltagshandlungen noch berufstypische Handlungen sind in jedem Fall neutral. Nahezu jede Handlung kann nach der Rechtsprechung in einen strafbaren Kontext gestellt werden. Allerdings betont der BGH auch, dass das Bewusstsein und der Wille eines Rechtsanwalts bei Erteilung eines Rechtsrats in der Regel darauf gerichtet sind, pflichtgemäß Rat zu erteilen, und nicht darauf, eine Straftat zu fördern.
Die in Rechtsgutachten geäußerten Rechtsauffassungen können wegen ihres normativen Charakters grundsätzlich nicht ohne Weiteres nach den Kategorien „richtig“ oder „falsch“ bewertet werden. So dürfen Rechtsanwälte und Steuerberater in streitigen Fragen abweichende Rechtsauffassungen vertreten, soweit diese rechtlich vertretbar sind. Rechtsauskünfte lege artis bewegen sich innerhalb des erlaubten Risikos. Die Grenze des erlaubten Risikos wird überschritten, wenn
Ob eine beratende Tätigkeit als strafbare Beihilfe zu werten ist, hängt dabei stets von einer wertenden Betrachtung im Einzelfall ab.
Für Rechtsanwälte und Steuerberater bedeutet die Entscheidung, dass bei der Erstellung von Rechtsgutachten der zugrunde liegende Sachverhalt sorgfältig geprüft und vollständig dargestellt werden muss. Beachtliche gegenläufige Rechtsansichten dürfen nicht bewusst ausgeblendet werden, sondern sind in dem Gutachten darzustellen.
Werden diese Grundsätze beachtet, können zur Klärung der Rechtslage eingeholte Gutachten weiterhin exkulpierende Wirkung haben. Zu beachten sind insoweit allerdings die Risikohinweise sowie die Hinweise auf entgegenstehende Rechtsansichten. Werden diese von dem Steuerpflichtigen ignoriert und die begutachtete steuerliche Gestaltung von der Finanzverwaltung nicht anerkannt, dürfte eine erfolgreiche Verteidigung in einem Steuerstrafverfahren unter Bezugnahme auf das Gutachten schwierig sein. Aus steuerstrafrechtlicher Sicht können Risikohinweise in Gutachten ggf. eine Offenlegung des Sachverhalts gegenüber der Finanzverwaltung erforderlich machen.
Ein Steuerpflichtiger darf eine für ihn günstige, von der Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis abweichende Rechtsauffassung, vertreten. In Zweifelsfällen besteht aber eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung von der Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht.
Rechtsgutachten können eine wertvolle Orientierungshilfe sein und im Einzelfall auch exkulpieren. Zugleich verdeutlicht der Beschluss des BGH, dass die Erstellung von Rechtsgutachten für Angehörige beratender Berufe mit strafrechtlichen Risiken verbunden sein kann. Für Rechtsanwälte und Steuerberater bedeutet dies, bei der Gutachtenerstellung höchste Sorgfalt walten zu lassen, insbesondere bei der vollständigen Darstellung des Sachverhalts sowie relevanter Gegenauffassungen.