BFH-Urteile zur Organschaft: Nicht-Durchführung eines Gewinnabführungsvertrages in Mindestlaufzeit führt zur rückwirkenden Unwirksamkeit

14.02.2023 | FGS Blog

Mit zwei Urteilen vom 2.11.2022 (I R 29/19; I R 37/19) hat der Bundesfinanzhof (BFH) zu verschiedenen Aspekten der wirksamen Durchführung eines Gewinnabführungsvertrages (GAV) Stellung genommen. Darüber hinaus hat er bestätigt, dass die unterlassene Durchführung des GAV innerhalb der 5-jährigen Mindestlaufzeit zur rückwirkenden steuerlichen Unwirksamkeit der Organschaft führt. 

1. Hintergrund

Um die Besteuerung in Konzernstrukturen zu optimieren, insbesondere die Konsolidierung von Gewinnen und Verlusten zu ermöglichen, werden häufig die Spezialvorschriften der Organschaft genutzt. Dabei wird zwischen dem Organträger (OT) und der Organgesellschaft (OG) ein GAV abgeschlossen. Zivilrechtlich wird der OT dazu verpflichtet etwaige Verluste der OG auszugleichen. Dagegen ist die OG dazu verpflichtet etwaige Gewinne an den OT abzuführen. Steuerlich ergibt sich dabei regelmäßig auf Ebene der OG ein Gewinn bzw. eine Körperschaftssteuerbelastung von 0 €. Dabei müssen die Vertragsparteien tatbestandlich unter anderem beachten, dass der GAV tatsächlich durchgeführt wird.

2. Ausgangslage

I R 29/29: Im Streitjahr wurde sowohl für den OT als auch für die OG die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung lag lediglich ein vorläufiger Jahresabschluss für die OG vor. Ein endgültiger Jahresabschluss wurde nicht festgestellt. Das Jahresergebnis des vorläufigen Jahresabschlusses entsprach nicht dem eines potenziellen endgültigen Jahresabschlusses.

I R 37/19: Im Streitjahr hatte die OG gegen den OT einen Verlustausgleichsanspruch. Dieser wurde im Jahresabschluss nicht als Forderung verbucht. Auf den Verlustausgleichsanspruch wies die OG lediglich in internen Begleitschreiben und Berichten hin.

3. Entscheidungen des BFH

In beiden Sachverhalten lag nach Auffassung des BFH keine wirksame Durchführung vor:

I R 29/19: Der Umstand, dass Forderungen der Gläubiger in einem Insolvenzverfahren gem. § 38 InsO nicht bedient werden dürfen, stellt eine schädliche Nicht-Durchführung des GAV dar, wenn dadurch das Ergebnis der vorläufigen Bilanz nicht der der endgültigen Bilanz entspricht. Insoweit widerspricht der BFH ausdrücklich der Auffassung der Vorinstanz (FG Nürnberg 11.12.2018 – 1 K 483/17), dass die Nicht-Durchführung eines GAV aus wichtigem Grund unschädlich sei. § 14 Abs. 3 Satz 2 KStG ist nicht analog auf die Durchführung anwendbar. Dabei ist es auch unbeachtlich, ob die Erfüllung aufgrund der Entscheidung des Steuerpflichtigen verhindert wird oder eine gesetzliche Norm der Erfüllung entgegensteht.

I R 37/19: In der Literatur war bisher strittig, ob die sich aus dem zivilrechtlichen GAV entstehende Forderung oder Verbindlichkeit tatsächlich in der Bilanz gebucht werden muss. Der BFH stellte klar, dass diese Buchung eine objektiv unabdingbare Pflicht darstellt. Die Buchung dient der Verdeutlichung, dass die Durchführung des GAV tatsächlich „gelebt“ wird.

Mangels eines notwendigen endgültigen Jahresabschlusses (I R 29/19) bzw. eines fehlerhaften Bilanzansatzes (I R 37/19) verneint der BFH jeweils die Anwendung der Heilungsvorschrift des § 14 I Satz 4 KStG. Ein fehlerhafter Bilanzansatz auf Ebene der OG ist insoweit nur dann heilbar, wenn sich dieser auf die Höhe des abzuführenden Gewinns- oder des Verlustausgleichanspruches bezieht. Nicht heilbar ist dagegen, wenn der Fehler darin besteht, dass ein verbleibender Gewinn oder Verlust aus dem unterlassenen Buchen der zivilrechtlichen Verpflichtung des GAV resultiert.

Als die sich aus dem Verstoß gegen die tatsächliche Durchführung des GAV ergebende Rechtsfolge bestätigte der BFH das bereits im Urteil vom 10.05.2017- I R 51/15 dargelegte Verständnis. So führt der Verstoß  gegen die Durchführung während der Mindestvertragslaufzeit der Organschaft zur rückwirkenden steuerlichen Unwirksamkeit der Organschaft.

4. Fazit und Ausblick

Einerseits schafft der BFH mit den Urteilen Rechtssicherheit darüber, welche konkreten Umstände einer tatsächlichen Durchführung eines GAV entgegenstehen. Die Anwendung der etwaig einschlägigen Heilungsvorschrift ist dabei streng anhand des Wortlauts der Norm zu prüfen und insoweit eng auszulegen. Zudem bestätigte er, dass ein Verstoß gegen die Durchführung des GAV während der Mindestvertragslaufzeit zum rückwirkenden steuerlichen Scheitern der Organschaft führt.

Andererseits verpasste der BFH leider die Gelegenheit Rechtssicherheit darüber zu verschaffen, zu welchem Zeitpunkt die Bedienung einer aus einem GAV entstandenen Forderung (bspw. durch Zahlung oder Verrechnung) erfolgen muss. Insoweit wird die dahingehend strittige Diskussion weitergehen, ob es einer tatsächlichen Durchführung des GAV entgegensteht, wenn der jeweilige Anspruch erst nach Ende der Organschaft beglichen wird.

Inwieweit eine geringfüge Abweichungen bei der tatsächlichen Durchführung eines GAV im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen ist, lies der BFH ebenfalls offen.

Dieser Beitrag ist unter Mitarbeit des wissenschaftlichen Mitarbeiters Herrn Darius Schanz entstanden.