Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seinen am 17.04.2025 veröffentlichten Entscheidungen vom 12.12.2024 (VI R 25/22, VI R 26/22 und VI R 27/22) mit der Einstufung einer ausländischen Betriebsstätte als abkommensrechtlicher Arbeitgeber auseinandergesetzt.

Gegenstand der Entscheidungen ist der höchst praxisrelevante Sachverhalt, bei dem es um die abkommensrechtliche Zuordnung des Besteuerungsrechts von Arbeitslohnzahlungen für im Ausland ansässige Arbeitnehmer geht. Werden Mitarbeiter, die einer ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Stammhauses (nach Veranlassungsgrundsätzen) zugeordnet sind, im Inland tätig, stellt sich folgende Frage: Steht Deutschland das Besteuerungsrecht für Arbeitslohnzahlungen zu, die auf die inländischen Arbeitstage entfallen – auch bei nur tageweisen Arbeitseinsätzen der Mitarbeiter im Inland, z.B. im Rahmen von Besprechungen oder Fortbildungsmaßnahmen.

Arbeitgeber i.S.d. Abkommensrechts können nur „rechtlich selbstständige Personen“ sein

Klägerinnen waren im Inland ansässige Kapitalgesellschaften, bei denen die in den Zweigniederlassungen im DBA-Ausland (Länder, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht) eingesetzten Mitarbeiter angestellt waren. In Deutschland hielten sich die Mitarbeiter nur tageweise im Rahmen kurzfristiger Dienstreisen auf. Im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung wurden die gesamten Aufwendungen, die mit diesen Mitarbeitern zusammenhingen, den ausländischen Betriebsstätten zugeordnet. Streitig war, ob Deutschland das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht hinsichtlich der auf die inländischen Arbeitstage entfallenden Arbeitslohnzahlungen zusteht und die Klägerinnen zum Lohnsteuereinbehaltverpflichtet sind.

Unstreitig war, dass die auf die inländischen Arbeitstage der Arbeitnehmer entfallenden Arbeitslohnzahlungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit zählen. 

Die in den Streitfällen einschlägigen Vorschriften des jeweiligen DBA entsprechen im Wesentlichen dem OECD-MA (OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung). Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA steht das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit uneingeschränkt Deutschland als dem Tätigkeitsstaat zu. Art. 15 Abs. 2 OECD-MA schränkt das Besteuerungsrecht allerdings zu Lasten des Tätigkeitsstaates ein, wenn die Mitarbeiter nicht an mehr als 183 Tagen - innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten - im Tätigkeitsstaat tätig werden (Buchst. a), die Mitarbeiter nicht für einen inländischen abkommensrechtlichen Arbeitgeber tätig werden (Buchst. b) und die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte des Arbeitsgebers im Tätigkeitsstaat getragen werden (Buchst c). Art. Buchst. a und Buchst. c OECD-MA waren im Streitfall unstreitig erfüllt. Die Tätigkeitsdauer der Mitarbeiter im Inland betrug weniger als 183 Tage und die Vergütungen wurden auch nicht von einer inländischen Betriebsstätte getragen.

Die Klägerinnen waren allerdings der Auffassung, dass die ausländischen Zweigniederlassungen (die abkommensrechtlich unstreitig als Betriebsstätten einzustufen waren) und nicht das Stammhaus in Deutschland als Arbeitgeber i.S.d. Art. 15 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA einzustufen sei. Deutschland stehe nicht das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht für die auf die inländischen Arbeitstage entfallenden Arbeitslohnzahlungen zu.

Der Begriff des Arbeitgebers wird in Art. 15 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA nicht definiert. Die Vorinstanz in den Verfahren (Finanzgericht Niedersachsen vom 16.12.2021) hatte entschieden, dass als Arbeitgeber i.S.d. Abkommensrechts nur eine Person in Betracht kommt, die in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sein kann. Eine Betriebsstätte erfüllt die Voraussetzungen einer ansässigen Person i.S.d. Abkommens nicht und kann daher auch nicht Arbeitgeber sein. Es handelt sich nicht um eine juristische Person im abkommensrechtlichen Sinne. Dieser Beurteilung hat sich der BFH angeschlossen und damit auch die langjährige Verwaltungsauffassung (s. zuletzt BMF-Schreiben vom 23.12.2023, Rn. 221 ff.) bestätigt.

Hieran ändert - entgegen der Sichtweise der Klägerinnen - auch die durch den Authorised OECD-Approach (AOA) eingeführte Selbstständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion von Betriebsstätten nichts. Die Selbstständigkeitsfiktion ist auf Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung beschränkt und macht die Betriebsstätte nicht zu einer abkommensrechtlichen Person. Auch die Stellung eines wirtschaftlichen Arbeitgebers kann abkommensrechtlich nur eine „rechtlich“ selbstständige Person einnehmen.

Rechtsfolgen für die Praxis

Im Ergebnis sind allein die Klägerinnen als abkommensrechtliche Arbeitgeber einzustufen. Dies hat dann aber zur Folge, dass Deutschland das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht für die inländischen Arbeitstage der Mitarbeiter zusteht. Das inländische Stammhaus ist gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (als zivilrechtlicher Arbeitgeber) zum Einbehalt und zur Abführung der Lohnsteuer verpflichtet.

Für die betroffenen Unternehmen resultieren aus Inlandsdienstreisen von Mitarbeitern einer Betriebsstätte erhebliche Abwicklungsaufwendungen. Bereits für einen einzelnen physisch in Deutschland verbrachten Arbeitstag ist der anteilig in Deutschland zu versteuernde Arbeitslohn (ab 01.01.2025 nach der Tagestabelle) zu ermitteln. Insbesondere für größere Unternehmen der Banken- und Versicherungsbranche, die ihr Auslandsgeschäft häufig unter Einsatz von Betriebsstätten strukturieren, ergeben sich bei der Abwicklung von Inlandsdienstreisen erhebliche administrative Aufwendungen. Regelmäßig wird das Stammhaus die auf inländische Arbeitstage entfallende Lohnsteuer übernehmen (müssen), wodurch ein zusätzlicher lohnsteuerpflichtiger Vorteil ausgelöst wird.

Hinweis auf die Möglichkeit der Pauschalversteuerung zu Lasten des Arbeitgebers

Für die praktische Abwicklung der Versteuerung ist auf den mit Wirkung ab dem 01.01.2020 anzuwendenden § 40a Abs. 7 EStG hinzuweisen. Danach kann ein inländisches Stammhaus (inländischer Arbeitgeber) bei kurzfristigen Arbeitseinsätzen seiner beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer der ausländischen Betriebsstätten von dem Wahlrecht zur Pauschalversteuerung der Arbeitslohnzahlungen mit einem Steuersatz von 30 % Gebrauch machen.

Durch § 40a Abs. 7 EStG soll die Steuerübernahme durch den Arbeitgeber vereinfacht werden. In betragsmäßiger Hinsicht weist das Wahlrecht zur Pauschalversteuerung keine Begrenzung auf. Zulässig ist die Pauschalversteuerung aber nur bei kurzfristigen Tätigkeiten im Inland, die über 18 zusammenhängende Arbeitstage nicht hinausgehen; bei Nichterfüllung der 18-Tage-Grenze gilt die Regelbesteuerung. Der Arbeitgeber muss den Vereinfachungseffekt der Pauschalversteuerung im Vergleich zur Regelbesteuerung (i.d.R. mit Steuerklasse I) teilweise teuer erkaufen.