Bewertungsabschläge werden bei Immobilien sowohl im Zivilrecht als auch im Steuerrecht lebhaft diskutiert. Anlässe hierfür können insbesondere Miteigentumsanteile oder ungeteilte Erbengemeinschaften sein. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat sich in seiner Entscheidung mit beiden beschäftigt. Im Urteilssachverhalt hat der Sohn des Erblassers seinen Pflichtteilsanspruch gegen seine Stiefmutter geltend gemacht, da sich die Parteien nicht auf die Höhe des Bewertungsabschlages einigen konnten.

Wird ein Nachkomme von der Erbschaft ausgeschlossen oder schlägt er die Erbschaft aus, hat er Anspruch auf einen Pflichtteil in Höhe des Wertes der Hälfte des gesetzlichen Erbrechts (§ 2303 BGB). Maßgebend für den Pflichtteil ist der Verkehrswert der Nachlassgegenstände. Befindet sich lediglich ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück im Nachlass, sind aufgrund der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit und Verwertbarkeit Wertabschläge vorzunehmen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich sämtliche Miteigentumsanteile in der Hand eines Erben vereinigen.

Dem Urteil vom OLG Hamm vom 9.3.2023 (Az: 10 U 25/22) lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Eltern des Klägers waren ursprünglich je hälftige Miteigentümer einer Immobilie. Nachdem die Mutter verstorben war, ging ihr Miteigentumsanteil auf die Erbengemeinschaft bestehend aus dem Vater, dem Kläger und dessen Schwester über. Die Erbengemeinschaft wurde bis zum Tode des Vaters nicht auseinandergesetzt. Zwischenzeitlich hatte der Vater erneut geheiratet. Der Vater setzte seine zweite Ehefrau - die Beklagte - als alleinige und befreite Vorerbin und seine Kinder jeweils hälftig als Nacherben ein. Nach dem Tode des Vaters schlug der Kläger die Nacherbschaft aus und machte seinen Pflichtteilsanspruch gegen die Beklagte geltend. Im Nachlass befand sich einerseits ein Miteigentumsanteil an der Immobilie i.H.v. 50% und andererseits ein hälftiger Anteil an der Erbengemeinschaft nach der vorverstorbenen Mutter, die ebenfalls einen Miteigentumsanteil an der Immobilie i.H.v. 50% hielt.

Für den sich unmittelbar im Nachlass befindlichen Miteigentumsanteil hielt das Landgericht (LG) Dortmund als Vorinstanz einen Bewertungsabschlag von 15% für angemessen. Dies wurde von den Parteien nicht beanstandet. Das OLG Hamm musste nur zum Bewertungsabschlag für den Miteigentumsanteil Stellung nehmen, der sich in der ungeteilten Erbengemeinschaft nach der vorverstorbenen Mutter befand. Aufgrund der Einschränkung der tatsächlichen Verwertungsmöglichkeit – der Erbschaftskauf an Dritte habe keine praktische Bedeutung – ist nach Auffassung des OLG Hamm ein Abschlag von 30% gerechtfertigt.

Auch im Steuerrecht werden (mittlerweile) Bewertungsabschläge bei Miteigentumsanteilen an Immobilien von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. FG Münster, Urteil vom 24.11.2022 – 3 K 1201/21 F).