Am 25.07.2024 trat das 2. Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes in Kraft, durch das die bis dato geltenden gesetzlichen Regelungen zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ergänzt und vor allem präzisiert wurden. Arbeitgebern wird die gesetzeskonforme Bemessung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern zukünftig erleichtert.
I. Urteil des BGH als Auslöser für Rechtsunsicherheit
Ausgangspunkt für die Gesetzesänderung bildete ein Urteil des BGH vom 10.01.2023 (6 StR 133/22), in dem sich das Gericht in einer strafrechtlichen Konstellation mit der arbeitsrechtlichen Frage zu befassen hatte, ob an Betriebsratsmitglieder gezahlte Arbeitsentgelte gegen das Verbot, Betriebsratsmitglieder wegen ihres Amtes zu begünstigen, verstießen.
Grundsätzlich gilt: Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Sie werden ohne Minderung des Arbeitsentgelts zur Ausübung des Betriebsratsamts von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt. Dabei sind sie so zu vergüten, als hätten sie „normal“ weitergearbeitet. Ergänzend besteht ein umfassendes Verbot, Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit zu benachteiligen oder zu begünstigen. Damit Betriebsratsmitgliedern auch bei langjähriger Betriebsratstätigkeit keine Nachteile erwachsen, hat die Entgeltentwicklung die hypothetische Karriere des Betriebsratsmitglieds nachzuvollziehen. Dabei darf die Entgeltentwicklung die eines vergleichbaren Arbeitnehmers mit betriebsüblicher Entwicklung nicht unterschreiten.
Der BGH legte diese Regelungen zur Betriebsratsvergütung strenger aus als das BAG dies bis dato getan hatte. In der Praxis führte die Entscheidung zu erheblicher Verunsicherung bei Arbeitgebern: Wie war die Betriebsratsvergütung aufgrund der Entscheidung des BGH korrekt zu bemessen? Gewährt ein Arbeitgeber zu wenig, stellt dies eine Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds dar, gewährt ein Arbeitgeber zu viel, verstößt er gegen das Begünstigungsverbot und kann sich ggf. strafbar machen. Zudem können sich Haftungsfragen stellen.
An dieser Stelle hat nun der Gesetzgeber angeknüpft und die Regelungen zur Betriebsratsvergütung präzisiert und punktuell ergänzt.
II. Konkretisierung der Vergleichbarkeit durch Betriebsvereinbarung und Beschränkung des Überprüfungsmaßstabs
Klarstellend hat der Gesetzgeber im Betriebsverfassungsgesetz nun geregelt, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln können, anhand denen sich sodann die Entgeltentwicklung bemisst. Neu ist allerdings, dass eine solche Konkretisierung der Vergleichbarkeit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar ist. Gleiches ist für die Festlegung der konkreten Vergleichspersonen vorgesehen, wenn diese einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert wird.
Die neuen gesetzlichen Regelungen räumen den Betriebsparteien bei Festlegung von Vergleichspersonen einen gewissen Beurteilungsspielraum ein. Die Betriebsparteien haben damit die Möglichkeit, eine transparente Regelung zu schaffen, nach der sich die Entgeltentwicklung von Betriebsratsmitgliedern vollzieht. Voraussetzung dafür ist, dass (1.) die Betriebsparteien eine entsprechende Betriebsvereinbarung über das Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer schließen und (2.) für jedes Betriebsratsmitglied sodann einvernehmlich Vergleichspersonen festlegen.
III. Ermessensspielraum bei Beförderung von Betriebsratsmitgliedern
Zudem hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, einvernehmliche Regelungen mit einem Betriebsratsmitglied zu treffen, gesetzlich hervorgehoben und die Grenzen für solche einvernehmlichen Regelungen festgesetzt.
Bislang galt: Waren sich Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied einig, dass das Betriebsratsmitglied ohne sein Amt eine Beförderungsstelle erhalten hätte, und vergütete der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied in der Folge entsprechend der Beförderungsstelle, stellte sich die Frage, ob die Beförderung unter Verstoß gegen das Begünstigungsverbot erfolgte, wobei das Gegenteil im Einzelfall bisweilen nur schwer darzulegen war. Insoweit hat der Gesetzgeber nun gesetzlich festgeschrieben, dass keine Begünstigung oder Benachteiligung vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien für die Gewährung des Arbeitsentgeltes erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.
Für Beförderungsentscheidungen heißt dies konkret: Gibt es eine freie Beförderungsstelle und ist das Betriebsratsmitglied objektiv für diese Stelle geeignet, kann der Arbeitgeber die Stelle mit dem Betriebsratsmitglied besetzen, sofern der Arbeitgeber vernünftigerweise davon ausgehen durfte, dass das Betriebsratsmitglied diese Stelle ohne sein Amt hätte bekommen können. Arbeitgebern wird dadurch – in gewissen Grenzen – bei Beförderungsentscheidungen ein Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum eingeräumt.
IV. Auswirkung für die Praxis
Die gesetzlichen Neuerungen sind zu begrüßen. Die Möglichkeit der Konkretisierung der Vergleichbarkeit durch Betriebsvereinbarung und einvernehmliche Festlegung von Vergleichspersonen sowie die damit einhergehende Beschränkung des Überprüfungsmaßstabs auf grobe Fehlerhaftigkeit tragen zu mehr Rechtssicherheit bei. Arbeitgeber und Betriebsräte sind nun gehalten, von den neuen gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen – zum Vorteil aller Beteiligten: Für Betriebsratsmitglieder kann klar definiert werden, anhand welcher Vergleichspersonen sich ihre Vergütungsentwicklung bemisst, was zu mehr Rechtssicherheit und Transparenz führt. Für Arbeitgeber lassen sich Haftungs- und Strafbarkeitsrisken erheblich reduzieren. Zudem hat der Gesetzgeber Spielräume und Grenzen für die Beförderung von Betriebsratsmitgliedern klar definiert, sodass die Gesetzesneuerung auch insoweit erheblich zu mehr Rechtssicherheit in der Betriebsratsvergütung führt.