Ausländische Betriebsstätten: Unilaterale Umschaltklausel erfordert Mehrheitsbeteiligung
Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) erst kürzlich zur Anwendung abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte auf ausländische Betriebsstätteneinkünfte entschied (siehe Blog), hatte er sich nunmehr mit der unilateralen Umschaltklausel des § 20 Abs. 2 AStG zu befassen. Mit Urteil vom 08. April 2025, IX R 32/23 stellte der BFH klar, dass die Umschaltklausel eine Inländerbeherrschung i. S. d. § 7 AStG voraussetzt.
Eine betriebliche Personengesellschaft vermittelt ihrem Gesellschafter eine (anteilige) Betriebsstätte. In DBA-Outboundfällen, also wenn Steuerpflichtige Einkünfte aus dem Ausland beziehen, mit dem ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, kann die regelmäßig verankerte Freistellungsmethode versagt werden, wenn es sich um eine sog. passive Betriebsstätte handelt. Dieses Umschalten von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode (switch-over) kann entweder durch das DBA selbst herbeigeführt werden (z. B. DBA-Aktivitätsvorbehalte) oder unilateral über § 20 Abs. 2 AStG.
Die Vorschrift verlangt, vereinfacht gesprochen, die hypothetische Prüfung der Anwendbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung, d. h niedrig besteuerter Einkünfte aus einer nicht aktiven Tätigkeit i. S. v. § 8 Abs. 1 AStG.
Umstritten war bisher, ob auch eine sog. Inländerbeherrschung i.S.d. § 7 AStG erforderlich und dabei eine gesellschafts- oder gesellschafterbezogene Betrachtung vorzunehmen ist.
Im Streitfall ging es um eine inländische Kapitalgesellschaft, die in den Streitjahren 2007 bis 2009 zu 30 % an einer Limited Partnership (Auslandsgesellschaft) in den USA beteiligt war. Weitere Gesellschafter waren im Inland nicht steuerpflichtige Personen. Die Auslandsgesellschaft war nach dem Rechtsformtypenvergleich als Personengesellschaft einzuordnen.
Die Auslandsgesellschaft übte ihre Tätigkeit in ihrer US-amerikanischen Betriebsstätte aus. Zum Betriebsvermögen gehörten Lizenzrechte für die Nutzung einer Marke. Lizenznehmer waren konzerninterne und -fremde Unternehmen. Aus der Lizenzvergabe wurden gewerbliche Einkünfte erzielt, die nach US-Steuerrecht nicht der Gesellschaft, sondern deren Gesellschaftern zugewiesen wurden. Der Steuerpflicht in den USA unterlag allerdings nur der Teil der Lizenzeinnahmen, der von konzernfremden Unternehmen erbracht wurde.
Nach Ansicht der Klägerin waren die ihr zuzurechnenden Lizenzeinkünfte im Inland in vollem Umfang von der Besteuerung freizustellen. Das Finanzamt (FA) hingegen bezog nach § 20 Abs. 2 AStG nicht nur die nicht besteuerten, sondern die vollständigen Lizenzeinkünfte in die inländische steuerliche Bemessungsgrundlage ein und rechnete die in den USA gezahlte Steuer auf die Körperschaftsteuer an.
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der Klage des Steuerpflichtigen statt. Die Voraussetzungen der unilateralen Umschaltklausel mit dem Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode lägen nicht vor, da die Klägerin bei gesellschaftsbezogener Betrachtung nicht mehrheitlich an der Auslandsgesellschaft beteiligt gewesen sei.
Das FA hielt an seiner Ansicht einer gesellschafterbezogenen Betrachtung fest, dass jede Beteiligung an einer Personengesellschaft mit ausländischer Betriebsstätte für jeden Beteiligten eine eigene Betriebsstätte darstellt und sich kein Mehrheitserfordernis aus § 20 Abs. 2 AStG ergäbe, und ging in Revision.
Für die steuerliche Behandlung der Lizenzeinkünfte war damit die Kernfrage zur Reichweite des Anwendungsbereichs der Umschaltklausel in § 20 Abs. 2 AStG: Ist bei der Beteiligung eines Steuerinländers an einer ausländischen Personengesellschaft auf eine gesellschafts- oder gesellschafterbezogene Betrachtung hinsichtlich der Beherrschung abzustellen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG. Während der Wortlaut nicht ganz eindeutig sei, hält der BFH aufgrund des systematischen Zusammenhangs und dem Zweck der Norm die Auffassung des FG für zutreffend.
Ähnlich wie im Fall der Aktivitätsvorbehalte (siehe Blog) hebt der BFH hervor, dass § 20 Abs. 1 AStG umfassend (in Gänze) auf die Regelungen zu §§ 7 bis 18 AStG verweist. Damit ist auch das in § 7 Abs. 1 und 2 AStG festgelegte Beherrschungserfordernis maßgebend.
Abschließend wies der BFH darauf hin, dass die unterschiedliche Behandlung von Einzelunternehmer und einem minderheitsbeteiligten Mitunternehmer durch das System der Hinzurechnungsbesteuerung gerechtfertigt ist.
Mit vorliegendem Urteil schränkt der BFH den Anwendungsbereich der unilateralen Umschaltklausel des § 20 Abs. 2 AStG ein. Neben niedrig besteuerten Einkünften aus passiver Tätigkeit muss auch eine Inländerbeherrschung der gewerblichen Personengesellschaft vorliegen. Die Auffassung der Finanzverwaltung der gesellschafterbezogenen Betrachtung im Rahmen des aktuellen AStG-Anwendungserlasses vom 22.12.2023, Tz. 1002 ist durch die Rechtsprechung widerlegt und zu überarbeiten.
Ob eine sog. Inländerbeherrschung vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. Grundvoraussetzung ist u.a. eine Mehrheit der Stimmrechte oder Anteile am Nennkapital oder des Gewinnanspruchs (§ 7 Abs. 2 AStG). Nach gegenwärtigem Recht ist diese Prüfung für den Steuerpflichtigen allein oder zusammen mit ihm nahestehenden Personen vorzunehmen. Eine rein „zufällige“ Inländerbeherrschung ist seit dem VZ 2022 nicht mehr ausreichend.
Die Vorschrift ist in der Praxis insbesondere bei der Beteiligung von Steuerinländern an ausländischen Personengesellschaften relevant, über die betriebliche Einkünfte bezogen werden, nicht für reine Betriebsstättenstrukturen. Ferner ist die Regelung des § 20 Abs. 2 AStG regelmäßig nur in Fällen ohne DBA-Aktivitätsvorbehalt relevant.
Greift die unilaterale Umschaltklausel, unterliegen die ausländischen Einkünfte der Einkommen- oder Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer, sofern in EU-Fällen der Gegenbeweis in § 7 Satz 9 GewStG nicht geführt werden kann. Eine Anrechnung der ausländischen Steuer auf die Gewerbesteuer sieht das GewStG derzeit nicht vor. Insofern wird man die weiteren Entwicklungen abwarten müssen.