Das Hessische Finanzgericht hat sich mit Urteil vom 7. Oktober 2024 (6 K 756/23) zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Sprachkursen, die mit typischen Reiseleistungen verbunden sind, geäußert. Das Gericht unterwarf Sprachkurse, die gemeinsam mit Unterbringungs-, Verpflegungs- sowie Transportleistungen angeboten wurden, als einheitliche Leistungen der Margenbesteuerung für Reiseleistungen und versagte eine Aufteilung der Leistungen in einen als Bildungsleistungen steuerbefreiten und einen nicht steuerbefreiten Teil.

Grundsätze der Margenbesteuerung

Im Falle der Margenbesteuerung bemisst sich die Umsatzsteuer nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger für die Leistung aufwendet, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet, wobei die Umsatzsteuer jeweils nicht berücksichtigt wird. Ein Vorsteuerabzug ist im Gegenzug nicht möglich. Dabei unterliegen Reiseleistungen der Margenbesteuerung nur insoweit, als der Unternehmer die gegenüber dem Reisekunden erbrachten Leistungen als sog. Reisevorleistungen von fremden Unternehmern zum Zwecke der Leistungserbringung gegenüber dem Reisekunden in Anspruch genommen hat (§ 25 Abs. 1 S. 1 UStG). Solche Reisevorleistungen sind alle Leistungen Dritter, die den Reisenden „unmittelbar zugutekommen“ (§ 25 Abs. 1 S. 5 UStG). Dabei fordert die Rechtsprechung, dass bei der Ausführung der Leistung der Dritte dem Reisenden gegenüber tatsächlich tätig wird (BFH, Beschl. v. 21.1.1993, V B 95/92, BFH/NV 1994,346). Dagegen gelten für Eigenleistungen des Unternehmers die allgemeinen umsatzsteuerlichen Vorschriften einschließlich möglicher Steuerbefreiungen.

Sachverhalt der Entscheidung

Die Klägerin ist Organträgerin mehrerer Kapitalgesellschaften („Institutsgesellschaften“), die Sprachkurse für Ausländer in Deutschland zur Erlernung der deutschen Sprache anbieten und nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG als Bildungseinrichtungen anerkannt sind. Zum Programm gehören Gruppen- und Einzelunterricht sowie Schulbesuche mit kostenpflichtiger Unterbringung bei Gastfamilien. Daneben bieten die Institutsgesellschaften in unterschiedlicher Ausprägung je nach gebuchtem Programmpaket Transfers vom und zum Fernbahnhof oder Flughafen, die Unterbringung in Sammelunterkünften, Hotels, Pensionen mit und ohne Verpflegung, die Organisation von Ausflügen und Freizeitaktivitäten im Rahmen eines Begleitprogramms, die Vermittlung einer Versicherung sowie die laufende Betreuung und Begleitung durch Ansprechpartner vor Ort an. Die Leistungen werden teils durch eigenes Personal, teils durch Dritte (z. B. Gastfamilien, Hotels, freiberufliche Dozenten auf Honorarbasis) erbracht. Die Klägerin erklärte die Sprachkurse in den für die Streitjahre abgegebenen Steuererklärungen als umsatzsteuerfreie Bildungsleistungen. Unterkunft und Verpflegung wurden als steuerpflichtig behandelt, außer bei Teilnehmern unter 27 Jahren, für die sie auf § 4 Nr. 23 UStG a.F. i.V.m. Art. 132 MwStSystRL verwies.

Bewertung durch das Finanzgericht

Das Finanzgericht sah, wie auch zuvor das Finanzamt, in den erbrachten Leistungen gebündelte Reiseleistungen i.S.d. § 25 UStG in Gestalt von Sprachreisen und Studienaufenthalten. Die in Rechnung gestellten Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen sowie die Leistungen der selbstständigen Lehrkräfte seien als Reisevorleistungen anzusetzen.

Die Beherbergungsleistungen stellten im Streitfall auch keine unselbstständigen Nebenleistungen zu steuerfreien Unterrichtsleistungen dar. Auf die Unterbringung und Verpflegung entfalle ein erheblicher Teil der Reisekosten. Zudem seien sie ein typisches und wesentliches Element einer Reise und die Unterbringung ein Teil des Konzepts einer Sprachreise mit Inhaltsaufenthalt und daher eine Leistungskomponente des Gesamtpakets.

Die Leistungen seien den Reisekunden unmittelbar zugutegekommen. Insbesondere auch im Falle der Unterbringung bei Gasteltern sei die Leistungszuwendung stets unmittelbar durch die Gasteltern erfolgt. Ferner kämen die Unterrichtsleistungen der selbstständigen Dozenten den Reisekunden auch dann unmittelbar zugute, wenn die Dozenten Unterrichtsmaterialien des beauftragenden Unternehmers nutzten und sich an Lehr- und Zeitvorgaben halten müssten. Denn es sei allgemein üblich, dass Teilnehmer Lehrkräfte offiziell oder inoffiziell bewerten und ihren persönlichen Lernerfolg in erheblichem Umfang von der Qualität der Lehrkraft abhängig machen würden. Eine Eigenleistung der Klägerin liege zudem nicht vor. Dies sei zwar grundsätzlich bei enger Einbindung in die Leistungsausführung des Kursanbieters in Form einer Weisungsgebundenheit denkbar. Hier seien die Dozenten aber – wie es für Lehrveranstaltungen typisch sei – für die Teilnehmer erkennbar frei in der Gestaltung ihres Unterrichts gewesen trotz der von der Klägerin vorgegebenen Materialien und Lehrpläne.

Die Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb und § 4 Nr. 23 UStG a.F. fänden auf die im Rahmen des (Reise-)Leistungspakets ausgeführten Unterrichts- und Unterbringungs- nebst Betreuungs- und ähnlichen Leistungen keine Anwendung. Soweit die Margenbesteuerung einschlägig sei, seien allgemeine Steuerbefreiungen regelmäßig nur dann anwendbar, wenn es sich um personenbezogene Steuerbefreiungen (z.B. für „Einrichtungen mit sozialem Charakter“) handle, nicht dagegen aber spezifisch leistungsbezogene Befreiungsvorschriften.

Die Einordnung als Reiseleistungen ohne Anwendbarkeit der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen führe dazu, dass die Leistungen der Institutsgesellschaften hier nach der Margenbesteuerung steuerpflichtig seien, während die von den selbständigen Dozenten an die Institutsgesellschaften erbrachten Unterrichtsleistungen weiterhin der Steuerbefreiung unterlägen. Dies widerspreche dem Zweck der Steuerbefreiung, die gerade den Endverbrauch begünstigen solle. Auf dieser Grundlage äußerte das Gericht Zweifel an diesem Verständnis.

Das Gericht ließ womöglich auch aufgrund dieser Zweifel die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, wie der Begriff des „unmittelbaren Zugutekommens“ auszulegen ist, zu. Die Revision wurde eingelegt (Az. XI R 30/24).

Folgerungen für die Praxis

Die Entscheidung des Finanzgerichts liegt auf einer Linie mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung von EuGH (Rs. ISt, C-200/04) und der entsprechenden Nachfolgeentscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Sie dürfte für viele Anbieter im Bereich von Sprachreisen, aber auch für Anbieter von Summer Schools im universitären Bereich relevant sein, die ihre Leistungen bisher gegebenenfalls in einen steuerfreien Bildungsteil und nicht steuerfreie sonstige Leistungen aufgeteilt haben, und Anlass zur Prüfung der gewählten umsatzsteuerlichen Aufteilung geben. Solche Anbieter könnten einer einheitlichen Margenbesteuerung für die Unterrichtsleistungen unter Umständen durch eine Umgestaltung (z.B. auf Vermittlungsmodelle) aus dem Weg gehen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich der BFH positionieren wird. Auch ist offen, ob die Finanzverwaltung Abschnitt 25.1 Abs. 2, S. 8 UStAE ändern wird, nachdem das Finanzgericht in seiner Entscheidung dessen Unvereinbarkeit mit § 25 UStG angenommen hat. Nach der aktuellen Fassung von Abschnitt 25.1 Abs. 2, S. 8 UStAE sind die Einräumung von Eintrittsberechtigungen für Messen, Ausstellungen, Seminare und Kongresse und damit im Zusammenhang erbrachte Beförderungs-, Verpflegungs- und Beherbergungsleistungen, die vom Veranstalter als einheitliche Leistung angeboten werden, keine Reiseleistungen. Jedenfalls bis zu einer Entscheidung des BFH sollte diese Verwaltungsauffassung nur unter Beachtung dieser Entscheidung herangezogen werden.