Anträge auf verbindliche Auskunft zu mindeststeuerlichen Rechtsfragen: Erste (erfolgreiche) Praxiserfahrung

Das Mindeststeuergesetz (MinStG) gilt für Geschäftsjahre, die nach dem 30.12.2023 beginnen, und ist mittlerweile seit gut einem Jahr anzuwenden. Die mindeststeuerlichen Regelungen betreffen Unternehmensgruppen mit einem Ausweis von jährlichen Umsatzerlösen im Konzernabschluss von 750 Mio. EUR oder mehr innerhalb von zwei der letzten vier Geschäftsjahre.
Durch die Vorgaben des MinStG wurden Umstrukturierungen innerhalb von Konzernstrukturen um eine weitere Komplexitätsstufe erweitert. Hierbei kommt der handelsbilanziellen Abbildung von Umwandlungs- und Umstrukturierungsvorgängen zunehmende Bedeutung zu, da sich der MinSt-Jahresüberschuss bzw. der MinSt-Jahresfehlbetrag der an einer Umstrukturierung beteiligten Geschäftseinheiten aus dem Konzernrechnungslegungsstandard der obersten Muttergesellschaft (in Deutschland v.a. IFRS oder HGB) ableitet. Da bei Umstrukturierungen häufig beachtliche Vermögensmassen bewegt werden, können – auch bei steuerlicher Buchwertfortführung – entsprechend hohe Effekte in der handelsbilanziellen Abbildung eintreten. Soweit diese für Zwecke der Mindeststeuer relevant sind, kann auch in einem Hochsteuerland wie Deutschland eine Situation eintreten, in der die Steuerbelastung die mindeststeuerliche Schwelle unterschreitet.
Bei komplexen Konzernumstrukturierungen, die verschiedene Restrukturierungsschritte umfassen, werden üblicherweise gebührenpflichtige Anträge auf verbindliche Auskünfte nach § 89 Abs. 2 AO gestellt. Durch einen solchen Antrag erlangt der betroffene Steuerpflichtige Rechtssicherheit hinsichtlich der mit der Reorganisation verbundenen ertrag-, umsatz- sowie grunderwerbsteuerlichen Fragestellungen und Folgen. Gleichzeitig werden die Finanzbehörden hierdurch über das geplante Vorhaben informiert sowie eingebunden. Im Rahmen des Auskunftsprozesses können dabei relevante Weichenstellungen für die Umsetzung der Umstrukturierungsschritte in Abstimmung mit den Finanzbehörden gesetzt werden.
Kürzlich wurde einem unserer Mandanten in einem von uns betreuten Auskunftsprozess die – soweit ersichtlich – erste verbindliche Auskunft zu einer mindeststeuerlichen Fragestellung in konstruktiver Zusammenarbeit mit der Finanzverwaltung positiv erteilt. Im Zusammenhang mit der Stellung eines Antrags auf verbindliche Auskunft zu mindeststeuerlichen Rechtsfragen sind unserer Erfahrung nach insbesondere folgende relevante Aspekte für eine deutsche Konzerngruppe zu beachten:
Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 MinStG ist grundsätzlich jeder nach § 1 MinStG Steuerpflichtige zur Abgabe einer Steuererklärung (Steueranmeldung) verpflichtet, d. h. alle im Inland steuerpflichtigen Geschäftseinheiten. Die Steuererklärung für eine Mindeststeuergruppe im Sinne von § 3 MinStG ist jedoch gemäß § 95 Abs. 1 Satz 6 Halbs. 1 MinStG durch den Gruppenträger im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 MinStG (verpflichtend) abzugeben. Folglich sollte grundsätzlich der Gruppenträger als Steuerschuldner als Antragsteller der verbindlichen Auskunft zu beurteilen sein. In Inbound-Konstellationen sind die Besonderheiten der Bestimmung des Gruppenträgers zu beachten.
Hinweis: Die Meldung des Gruppenträgers hat spätestens bis zum 28.2.2025 nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle zu erfolgen (zur Bestimmung und Anmeldung des Gruppenträgers vgl. Blog-Beitrag).
Für Zwecke der Besteuerung nach dem MinStG ist nach § 96 Abs. 1 Satz 1 MinStG das Finanzamt zuständig, das für die Besteuerung nach dem Einkommen der jeweils nach § 1 MinStG steuerpflichtigen Geschäftseinheit zuständig ist. Abweichend hiervon liegt die örtliche Zuständigkeit gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 MinStG bei Vorliegen einer Mindeststeuergruppe nach § 3 MinStG bei dem Finanzamt, das für die Besteuerung des Einkommens des Gruppenträgers zuständig ist. Indes ist zu beachten, dass sich nach § 96 Abs. 2 MinStG aus den landesrechtlichen Regelungen nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 Satz 3 FinVerwG eine abweichende Zuständigkeit ergeben kann.
Nach den ersten Verlautbarungen und Informationen gehen einzelne Bundesländer derzeit dazu über, die Zuständigkeiten und Kompetenzen für mindeststeuerliche Rechtsfragen in einzelnen Finanzbehörden zu bündeln. In Bayern ist beispielsweise das Finanzamt München zentrale Stelle für die Veranlagung der Mindeststeuer.
Der Antrag auf verbindliche Auskunft für mindeststeuerliche Rechtsfragen steht vor der besonderen Aufgabe, die IFRS-technische Abbildung als Grundlage für die mindeststeuerliche Beurteilung für die Finanzbehörden nachvollziehbar darzustellen sowie die übrige ertragsteuerliche Würdigung zu berücksichtigen. Denn nur aus dem gesamthaften Zusammenspiel dieser Komponenten kann eine rechtssichere verbindliche Auskunft erlangt werden.
Die Darstellung der eigenen Rechtsauffassung zu den mindeststeuerlichen Rechtsfragen steht vor dem Problem, dass eine Vielzahl von unklaren Rechtsbegriffen und nicht abschließenden Regelungen des MinStG abzuwägen und auszulegen sind. Die weitergehenden Erläuterungen der OECD zu den Pillar 2-Regelungen helfen in den Detailfragen oftmals nicht und Ausführungen in der Literatur oder der Finanzverwaltung fehlen. Auch im Hinblick auf die Auslegung der IFRS-Regelungen stellen sich viele Probleme, da die konkrete Abbildung konzerninterner Umwandlungen in der Konzernrechnungslegung wegen der dortigen Konsolidierung bisher nicht von hoher Relevanz war. Für das MinStG ist dies anders. Vor diesem Hintergrund ist der enge Austausch mit der Finanzverwaltung unserer Erfahrung nach sehr positiv verlaufen.
Insbesondere im Falle größerer Umstrukturierungen können sich bedeutsame mindeststeuerliche Risiken ergeben, die sich negativ auf die effektive Steuerquote und/oder die Anwendung der Safe-Harbour Regelungen auswirken können. Der Antrag und die Erteilung von verbindlichen Auskünften zu mindeststeuerlichen Rechtsfragen stellen für Unternehmensgruppen zwar aufgrund der Rechtsunsicherheiten des MinStG eine neue Herausforderung dar. Gleichwohl lohnt es sich, den Weg über eine verbindliche Auskunft zu gehen, um Rechtssicherheit hinsichtlich der mindeststeuerlichen Rechtsfolgen zu erlangen.