AG-Hauptversammlung: BGH schärft Einberufungsanforderungen

14.10.2025 | FGS Blog

Die Hauptversammlung zählt zu den komplexesten und formalisiertesten Vorgängen im Aktienrecht. Kaum ein anderer Bereich ist so stark durch eine solche Vielzahl rechtlicher Vorgaben geprägt. Bei der Vorbereitung einer Hauptversammlung ist größte Sorgfalt geboten, denn neben den zahlreichen Vorschriften sind auch die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungslinien zu beachten. Die erste Herausforderung bereitet meist schon die Einberufung der Hauptversammlung, die eine Fülle von Informationen für die Aktionäre beinhalten muss.

Das gilt insbesondere für die Angaben zur Tagesordnung einer Hauptversammlung, die einen zentralen Bestandteil der Einberufung darstellen. Die Tagesordnung gibt – üblicherweise in prägnanter Form – den Kern der Themen wieder, über die im Rahmen der Hauptversammlung diskutiert und letztlich abgestimmt werden sollen. Durch die frühzeitige Bekanntgabe der Tagesordnung sollen sich die Aktionäre im Vorfeld ausreichend über die zu behandelnden Themen informieren können, um ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung sachgerecht auszuüben. Die Anforderungen an den Umfang der Tagesordnung hängen dabei regelmäßig vom jeweiligen Beschlussgegenstand ab.

Die Folgen eines Verstoßes gegen die formellen Anforderungen an die Einberufung können gravierende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen: Der daraufhin gefasste Beschluss kann durch Aktionäre angefochten und durch gerichtliche Entscheidung für nichtig erklärt werden. Daher ist es umso wichtiger, die Entwicklungen in der Rechtsprechung kontinuierlich im Blick zu behalten.

Neue BGH-Entscheidung schärft Anforderungen an die Tagesordnung

Dies verdeutlicht eindrücklich die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 30. September 2025 (Az. II ZR 154/23), in welcher die Anforderungen an die ordnungsgemäße Einberufung weiter konkretisiert wurden: Der BGH erklärte einen Hauptversammlungsbeschluss der Volkswagen AG (VW) im Kontext des sog. Dieselskandals aufgrund unzureichender Angaben in der Tagesordnung für nichtig. Gegenstand der angefochtenen Beschlussfassung war die Zustimmung der Hauptversammlung zum Abschluss eines Vergleichs mit mehreren Versicherern.

Zum Hintergrund: Das Unternehmen hatte zugunsten seiner Manager Haftpflichtversicherungen, sog. „D&O-Versicherungen“, abgeschlossen, um sowohl die Organmitglieder als auch (mittelbar) sich selbst gegen Schäden durch Pflichtverletzungen der Manager abzusichern. Im Zusammenhang mit dem Dieselskandal hatte VW bei zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern solche schadensbegründenden Pflichtverletzungen angenommen.

Ein Schadensfall mit Versicherungsschutz aus einer D&O-Versicherung wird dabei grundsätzlich wie folgt abgewickelt: Das geschädigte Unternehmen nimmt zunächst das Organmitglied in Anspruch (Haftungsverhältnis), welches sich seinerseits über die D&O-Versicherung bei den Versicherern schadlos hält (Deckungsverhältnis). Soll die Regulierung eines Schadens im Wege eines Vergleichs erfolgen, etwa weil unklar ist, ob tatsächlich ein Anspruch gegen das Organmitglied und/oder gegen die Versicherer besteht, sind diese Anspruchsverhältnisse gleichfalls zu beachten.

Zur Abgeltung von Ansprüchen im Haftungsverhältnis schlossen betroffene Vorstandsmitglieder mit VW insoweit einen Vergleich (Haftungsvergleich). Der anschließend zwischen VW und den Versicherern geschlossene Vergleich umfasste aber neben Regelungen zum Deckungsverhältnis (Deckungsvergleich) zusätzlich die Verpflichtung von VW, Ansprüche gegen amtierende und ehemalige Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat dauerhaft nicht bzw. nicht mehr geltend zu machen (Haftungsverzichte). Solche Haftungsverzichte sind in der Praxis bei Vergleichen mit Versicherern zwar üblich, um den Schadensfall abschließend zu regeln. In der Tagesordnung wurde der Vertrag jedoch ausschließlich als „Deckungsvergleich“ bezeichnet. Erst ein Blick in den ergänzenden Bericht zur Tagesordnung brachte die Haftungsverzichte zum Vorschein.

Die beiden Vorinstanzen hielten den Beschluss dennoch unter Verweis auf die Offenlegung der Haftungsverzichte im ergänzenden Bericht für wirksam. Der BGH beurteilte das anders: Nach seiner Auffassung hätte bereits die Tagesordnung einen Hinweis auf die Haftungsverzichte im Vergleich mit den Versicherern enthalten müssen. Angesichts der Bezeichnung des Tagesordnungspunkts als „Deckungsvergleich mit den D&O-Versicherern” musste ein durchschnittlicher Aktionär nicht damit rechnen, dass sich in den ergänzenden Informationen weitere Auskünfte zu Haftungsverzichten finden würden. Diese Haftungsverzichte sind für die Aktionäre aber von besonderer Bedeutung, da sie nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden.

Implikationen für die rechtssichere Gestaltung von Einberufungen

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass ergänzende Informationen zur Tagesordnung – auch wenn sie gemeinsam mit der Einberufung veröffentlicht werden – nicht Bestandteil der Tagesordnung sind. Fehlende Informationen in der Tagesordnung können dabei nicht durch zusätzliche Erläuterungen innerhalb der Einladung zur Hauptversammlung kompensiert werden. Insbesondere ersetzen pauschale Bezugnahmen auf weitergehende Begleitinformationen in der Einladung nicht die Angabe eines konkreten Tagesordnungspunktes. Entsprechendes dürfte für die Einberufung der Gesellschafterversammlung einer GmbH gelten.

Unternehmen sollten daher ein besonderes Augenmerk auf eine präzise und vollständige Formulierung der Tagesordnungspunkte legen. Welche Angaben im konkreten Fall ausreichend sind, hängt dabei stets von den Umständen des Einzelfalls ab und sollte im jeweiligen Kontext des Beschlussgegenstands sorgfältig geprüft werden. Vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung ist zudem davon abzuraten, wesentliche Angaben in begleitende Informationen „auszulagern”, um ein Anfechtungsrisiko zu minimieren. Dies gilt insbesondere für Rechtsgeschäfte, deren Wirksamkeit von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängt.