Was haben Änderungen des Gesetzes zur Modernisierung des Postrechts, auch Postmodernisierungsgesetz (kurz PostModG), mit dem Steuerrecht zu tun? Eine Menge! Fast unbemerkt von der steuerlichen Öffentlichkeit ist das PostModG geändert und am 18. Juli 2024 im BGBl. I 2024, Nr. 236, veröffentlicht worden (Bundesgesetzblatt Teil I - Gesetz zur Modernisierung des Postrechts - Bundesgesetzblatt). In diesem Zusammenhang wurde durch Art. 20 auch die Abgabenordnung (AO), konkret die §§ 122 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a, 122a Abs. 4, 123 Satz 2 AO, geändert.
Was sind die Folgen?
Für die Wirksamkeit eines Steuerverwaltungsaktes kommt es maßgeblich auf dessen Bekanntgabe an. Ein schriftlicher Verwaltungsakt (VA), der durch die Post übermittelt wird, gilt nach bisheriger Regelung bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 AO). Die aufgrund des PostModG geänderten Vorschriften der AO führen dazu, dass sich die Bekanntgabevermutung von bisher drei auf nunmehr vier Tage verlängert. Die Verlängerung von drei auf vier Tage gilt auch für die Fälle, in denen ein VA elektronisch übermittelt (§ 122 Abs. 2a AO), zum Datenabruf bereitgestellt (§ 122a Abs. 4 AO) oder an einen Empfangsbevollmächtigten bekanntgegeben wird (§ 123 Satz 2 AO).
Was kann der Steuerpflichtige tun, wenn die Post später ankommt?
Auch die Verlängerung auf vier Tage schließt es nicht aus, dass es in der Praxis (weiterhin) zu einem späteren Zugang kommen kann. Wird z. B. ein Bescheid am 28. Juli 2025 (Montag) von der Finanzbehörde zur Post gegeben, gilt der Bescheid am 01. August 2025 (Freitag) als bekannt gegeben. Kommt der Bescheid jedoch tatsächlich erst am 05. August 2025 (Dienstag) beim Steuerpflichtigen an, muss der Steuerpflichtige auf den verspäteten tatsächlichen Zugang des Bescheids hinweisen und dies substantiiert erläutern, um die widerlegliche Vermutung außer Kraft zu setzen. Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Steuerpflichtige die Vermutung durch substantiierten Sachvortrag in Zweifel zieht (widerlegt). Das ist der Fall, wenn die ernstliche – nicht bloß theoretische – Möglichkeit dargelegt wird, dass der VA nicht oder später zugegangen ist. Ist die Vermutung widerlegt, muss die Behörde einen früheren – als dem vom Steuerpflichtigen angegeben – tatsächlichen Zugang beweisen.
Ab wann ist die neue Regelung anwendbar?
Die Änderungen der §§ 122 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a, 122a Abs. 4, 123 Satz 2 AO treten am 1. Januar 2025 in Kraft. Gem. Art. 21 PostModG (BGBl. I 2024, Nr. 236, S. 53) i.V.m. Art. 97 § 1 Abs. 15 EGAO n.F. sind diese dann auf alle VA anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2024 zur Post gegeben, elektronisch übermittelt oder elektronisch zum Abruf bereitgestellt werden.
Fazit
Mit der Verlängerung hat der Gesetzgeber auf die in der deutschen Öffentlichkeit beklagte immer unzuverlässiger werdende Postzustellung reagiert. Dies ist zu begrüßen. Indes wird es auch bei Anwendung der Neuregelung weiterhin Fälle geben, in denen die Übermittlung tatsächlich länger dauert. Zum einen verbleibt auch bei der Versendung im Rahmen eines Postuniversaldienstes ein – wenn auch geringes – statistisches Risiko, dass der Brief im Einzelfall nicht binnen vier Tagen nach Aufgabe zur Post sein Ziel erreicht (§ 18 PostG verpflichtet Postuniversaldienste von den an einem Werktag eingelieferten Briefsendungen im Jahresdurchschnitt jeweils mindestens 95 Prozent an dem dritten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 99 Prozent an dem vierten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zuzustellen). Zum anderen greifen Behörden aus Kostengründen auf private Postdienstleister zurück, die keine Universaldienstleister sind, weil sie nicht im gesamten Bundesgebiet zustellen. Diese wiederum bedienen sich Subunternehmern, die die Zustellung außerhalb des eigenen Zustellungsgebiets übernehmen. Dadurch kann es zu Postlaufzeiten kommen, die tatsächlich länger dauern, als vom Gesetz vermutet (vgl. FG Münster, Urteil vom 15. Mai 2019, 13 K 3280/18 Kg). Der Steuerpflichtige sollte daher auch in Zukunft die Vermutung überprüfen und etwaige Verspätungen im Postlauf substantiiert darlegen (können). Das gilt nicht nur, aber in besonderem Maße, wenn es darum geht, fristwahrend Einspruch einzulegen (s. dazu auch schon FGS-Blog vom 14. März 2024).