Abziehbarkeit von Zahlungen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren, § 12 Nr. 4 EStG – Zum aktuellen BFH-Urteil
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im kürzlich veröffentlichten Urteil vom 29. Januar 2025 (X R 6/23) klargestellt, wann Zahlungen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren steuerlich abziehbar sind. Damit befasste sich der BFH erneut mit dem Thema der ertragsteuerlichen Abziehbarkeit von Geldauflagen und Vermögensabschöpfungen. Den rechtlichen Anknüpfungspunkt für das Urteil bildet § 12 Nr. 4 EStG, wonach in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen sowie ihnen gleichgestellte Sanktionen einem ertragsteuerlichen Abzugsverbot unterliegen. Zahlungen zur Schadenswiedergutmachung oder Vermögensabschöpfung unterfallen diesem Abzugsverbot hingegen nicht. Im Rahmen einer Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153a StPO ist daher zwischen den abziehbaren Wiedergutmachungsauflagen nach Abs. 1 Nr. 1 und den nicht abziehbaren Geldauflagen nach Abs. 1 Nr. 2 zu differenzieren.
Der BFH hatte zu entscheiden, ob ein im Zusammenhang mit der Einstellung eines Strafverfahrens gezahlter Geldbetrag dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG unterliegt.
Gegen die Kläger wurde ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung und weiterer Delikte unter der Auflage der Zahlung von 25.000,00 € an die Staatskasse nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt. Im Einstellungsbeschluss heißt es unter anderem „Die Zahlung dient dabei im Hinblick auf den […] erhobenen Vorwurf der Steuerhinterziehung zugleich der Abschöpfung etwaig erlangter rechtswidriger Vermögensvorteile.“ Eine Aufgliederung des Betrages in Geldauflage einerseits und Vermögensabschöpfung andererseits erfolgte nicht. Der Einstellungsbeschluss erwähnt als Rechtsgrundlage ausschließlich § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO.
Die Kläger deklarierten die Zahlung in voller Höhe in ihrer Einkommensteuererklärung als nachträgliche Betriebsausgabe zu ihren gewerblichen Einkünften. Das beklagte Finanzamt versagte im angefochtenen Einkommensteuerbescheid den Abzug. In dem Klageverfahren legte das Finanzgericht (FG) den Einstellungsbeschluss teilweise als Vermögensabschöpfung aus und ließ daher im Schätzungswege einen Teilbetrag von 3.000,00 € zum Betriebsausgabenabzug zu. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Der BFH wies die hiergegen gerichtete Revision der Kläger zurück und stellte darüber hinaus fest, dass die Aufspaltung des Einstellungsbeschlusses durch das FG rechtsfehlerhaft war.
Der BFH bestätigt zunächst seine ständige Rechtsprechung, wonach Zahlungen im Strafverfahren ertragsteuerlich nicht abziehbar sind, wenn sie Sanktionscharakter haben (BFH, Urteil vom 14. Mai 2014 – X R 23/12; Urteil vom 15. Januar 2009 – VI R 37/06, DStR 2009, 736). Keinen Sanktionscharakter haben allein vermögensabschöpfende Maßnahmen. Die Einziehung von Taterträgen (früher: Verfall) nach §§ 73 bis 73e StGB sowie Auflagen zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens nach § 153 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO sind daher nicht von § 12 Nr. 4 EStG erfasst. Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO fallen hingegen grundsätzlich unter das Abzugsverbot, da sie nicht lediglich der Wiedergutmachung dienen.
Das Gericht betont, dass die Beurteilung, ob eine Maßnahme Sanktionscharakter hat oder anderen Zwecken dient, allein vom Inhalt der zugrundeliegenden gerichtlichen Entscheidung abhängt. Für die Auslegung dieser Entscheidung kommt es nicht auf subjektive Vorstellungen der mit dem Strafverfahren befassten Personen, sondern ausschließlich auf objektive Gegebenheiten an.
Der Einstellungsbeschluss war dahingehend auszulegen, dass eine Geldauflage nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO erteilt worden ist. Dafür sprach bereits, dass § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO die einzige im Beschluss erwähnte gesetzliche Vorschrift ist. Im Umkehrschluss folgt daraus auch, dass die Auflage gerade nicht ausschließlich der Wiedergutmachung dienen sollte.
Der Beschluss konnte auch nicht dahingehend verstanden werden, dass er zumindest zu einem Teil eine Einziehungsentscheidung nach § 73 StGB enthalten sollte, da eine solche im Rahmen der Verfahrenseinstellung schon aus rechtlichen Gründen nicht ergehen konnte. § 73 StGB setzt seinem Wortlaut nach eine „rechtswidrige Tat“ voraus. Bei der Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO bleibt die gerichtliche Feststellung einer rechtswidrigen Tat jedoch gerade aus. Auch § 76a Abs. 3 StGB konnte keine Anwendung finden, da dieser ein separates Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft vorsieht, § 435 Abs. 1 S. 1 StPO.
Eine Aufspaltung des Beschlusses in einen bezifferbaren Teil nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO und einen Teil nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO ist aus Sicht des BFH zwar grundsätzlich möglich, kam vorliegend jedoch nicht in Betracht, da der verfahrensgegenständliche Beschluss eine entsprechende Aufteilung nicht erkennen ließ. Der bloße Hinweis, dass die Auflage zugleich auch der Abschöpfung etwaiger Taterträge diene, reichte dem BFH demnach nicht aus.
Der BFH betont dabei, dass auch Nr. 93 Abs. 1 RiStBV, wonach „unredlich erzielte Vermögensvorteile bei der Festsetzung einer Geldauflage nach § 153a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 StPO berücksichtigt werden“ können, diesem Verständnis nicht entgegensteht. Denn § 12 Nr. 4 EStG lasse den Abzug von Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen nur zu, soweit diese „lediglich“ der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen. Eine bloße Berücksichtigung von Vermögensvorteilen bei der Bemessung der Geldauflage führe daher nicht zu der Bewertung, dass die Auflage damit lediglich der Wiedergutmachung dient. Hierfür spreche schließlich, dass Nr. 93 Abs. 1 S. 4 RiStBV ausdrücklich eine Kombination aus einer – ertragsteuerrechtlich abziehbaren – Wiedergutmachungsauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO und einer – ertragsteuerrechtlich nicht abziehbaren – Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO vorsieht.
Im Ergebnis wies daher die gesamte Auflage Sanktionscharakter auf, sodass die Zahlung dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG unterfällt.
Die Entscheidung ist im Ergebnis wenig überraschend, da der BFH seine seit Jahren vertretene Rechtsprechungspraxis konsequent fortführt (BFH, Urteil vom 14. Mai 2014 – X R 23/12, DStRE 2014, 1156; Urteil vom 15. Januar 2009 – VI R 37/06, DStR 2009, 736; Urteil vom 22. Juli 2008 – VI R 47/06, BStBl. II 09, 151).
Zutreffend stellt der BFH fest, dass Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen, die nicht lediglich der Wiedergutmachung oder Abschöpfung dienen, einem Abzugsverbot nach § 12 Nr. 4 EStG unterliegen. Obgleich der BFH mit der Entscheidung die Anforderungen an einer Aufspaltung eines einheitlichen Einstellungsbeschlusses in einen (abziehbaren) Anteil nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO und einen (nicht abziehbaren) Anteil nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO erhöht, wird mit dem Verweis auf Nr. 93 Abs. 1 S. 4 RiStBV ein wichtiger Praxishinweis für die strafrechtliche Verteidigung aufgezeigt. Im Rahmen einer Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153a StPO ist darauf hinzuwirken, dass nicht nur der Gewinnabschöpfungsteil konkret beziffert wird, sondern dies auch bestenfalls unter ausdrücklicher Nennung der Norm (§ 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO) zum Ausdruck gebracht wird.
Denn nach dem BFH bestimmt sich der Sanktionscharakter der Geldauflage ausschließlich anhand des Inhalts der die Auflage oder Weisung erteilenden Gerichtsentscheidung und der objektiven Gegebenheiten (BFH, Urteil vom 28. Januar 2005 – VIII B 117/03, BFH/NV 05, 1110; BFH, Urteil vom 22. Juli 2008 – VI R 47/06, BStBl. II 09, 151). Subjektive Vorstellungen sind ohne Belang.
Die vorliegende Entscheidung ist im Übrigen nicht nur auf den konkreten Tatvorwurf der Steuerhinterziehung nach § 370 AO beschränkt, sondern auf andere Wirtschaftsstrafdelikte, wie z.B. den Betrug nach § 263 StGB übertragbar. Die Grundsätze dieser Entscheidung gelten aufgrund der wortlautidentischen Regelung des § 10 Nr. 3 KStG zudem auch für Körperschaften.
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit unserem Rechtsreferendar Christopher Bonk entstanden.