Eine im Grundstückskaufvertrag angelegte Kaufpreisaufteilung auf Grund und Boden und Gebäude darf seitens der Finanzverwaltung nicht durch eine Ermittlung auf Basis der Arbeitshilfe des Bundesfinanzministeriums zur Aufteilung von Grundstückswerten ersetzt werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit der jüngst veröffentlichter Entscheidung vom 21. Juli 2020 (Az. IX R 26/19) klargestellt.

Hintergrund

Die Aufteilung von Grundstückskaufpreisen auf Grund und Boden sowie Gebäude ist regelmäßiger Streitpunkt zwischen den Finanzbehörden und dem Steuerzahler. Zumeist geht es dabei um die Höhe der Abschreibungsbemessungsgrundlage und die damit verbundene Zuordnung von Kaufpreisanteilen auf das Gebäude. Die Interessenlage des Steuerpflichtigen, in künftigen Jahren von einem hohen Abschreibungspotenzial zu profitieren, steht dem Interesse des Fiskus, ein möglichst hohes Steueraufkommen zu generieren, regelmäßig entgegen. Neben der Abschreibungsmessungsrundlage hat die Kaufpreisaufteilung jedoch auch Bedeutung für beispielsweise die Anwendung des § 6b EStG.

 

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Werteaufteilung nicht nur den klassischen Fall des Grundstücksverkaufs bzw. -ankaufs betrifft, sondern sämtliche Grundstücksübertragungen – somit z.B. auch Einlagen und Entnahmen, Umwandlungsvorgänge oder Einbringungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten bzw. sonstigen Gegenleistungen.

Arbeitshilfe des BMF

Im Jahr 2014 hatte das BMF für die vereinfachte Berechnung der Kaufpreisaufteilung als unverbindliche Hilfe eine Berechnungsdatei auf Basis des Sachwertverfahrens bereitgestellt. Diese Arbeitshilfe des BMF steht als Excel-Datei allgemein zugänglich auf der Homepage des BMF bereit und kann damit sowohl seitens der Verwaltung als auch des Steuerpflichtigen für die Kaufpreisallokation herangezogen werden. Die Berechnungsdatei errechnet den Kaufpreisanteil des Grund und Bodens auf Grundlage der von den Städten und Gemeinden regelmäßig aktualisierten Bodenrichtwerte und wendet das vereinfachte Sachwertverfahren zur Wertermittlung des Gebäudes an. Bei stetig steigenden Bodenrichtwerten kann diese Pauschalierung regelmäßig zu im Interesse des Fiskus liegenden Ergebnissen führen und unverhältnismäßig hohe Werte dem Grund und Boden zuordnen. Nicht zuletzt deshalb und aufgrund des zu pauschalierten Verfahrens ist sie in der Vergangenheit zunehmend in die Kritik geraten. Gerade die jüngsten Entwicklungen des Immobilienmarktes (besonders in Ballungsräumen) sowie objektspezifische Grundstücksmerkmale werden bei der Ermittlung mit Hilfe des Berechnungs-Tools des BMF nicht hinreichend berücksichtigt, so die zutreffenden Einwände in der Literatur (vgl. z.B. Jacoby/Geiling, DStR 2020, 481).

Entscheidung des BFH zur Anwendung der Arbeitshilfe

Dies hat nun auch der BFH mit seinem Urteil vom 21. Juli 2020 bestätigt. Die Kernaussage des BFH besteht darin, dass eine im Kaufvertrag angelegte Kaufpreisallokation nicht durch eine Ermittlung der Finanzverwaltung auf Basis der Arbeitsdatei des BMF ersetzt werden darf. Die vertraglich vorgenommene Kaufpreisaufteilung ist grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen.

 

Die Finanzverwaltung darf jedoch bei offensichtlichen Missverhältnissen und nennenswerten Zweifeln an der vorgenommenen Aufteilung im Kaufvertrag die Werteansätze in Frage stellen und einer eigenen Prüfung unterziehen. Dabei hat die Finanzverwaltung die Ergebnisse ihrer Ermittlung anhand objektiver Merkmale und ggf. unter Einbindung eines vereidigten Sachverständigen zu verifizieren. Nur dann, wenn die getroffene Aufteilung des Steuerpflichtigen die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, darf eine Korrektur durch die Verwaltung erfolgen.

 

Die Arbeitshilfe des BMF ist insoweit nach der Entscheidung des BFH aufgrund von systemischen Defiziten, einer stark vereinfachten Berechnung sowie bundeseinheitlichen Faktoren und der einseitigen Anwendung des Sachwertverfahrens auf sämtliche Grundstücksarten keine geeignete Grundlage für eine Wertekorrektur. Ihr kann allenfalls indizielle Wirkung beigemessen werden. Mangels Rechtsgrundlage entfaltet die Berechnung auf Basis der Arbeitshilfe des BMF auch keinerlei Bindungswirkung – weder für den Steuerpflichtigen noch die Finanzgerichte.

 

Der BFH hat die Sache zur abschließenden Sachverhaltsaufklärung an das Finanzgericht als Tatsacheninstanz zurückverwiesen.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Die Entscheidung des BFH ist Fluch und Segen zugleich. Segen vor allem für die Fälle, in denen im Rahmen von Grundstückstransaktionen bereits im Übertragungsvertrag eine entsprechende Werteallokation vorgenommen wurde und auf entsprechende Immobilienwertgutachten gestützt werden kann. Insoweit dürfte künftig mit weniger Streitigkeiten zu rechnen sein, da die Hürden der Finanzverwaltung, einen abweichenden Wertansatz nachzuweisen, mit der Entscheidung des BFH stark erhöht wurden. Nicht jede Immobilientransaktion wird jedoch unter Zuhilfenahme eines Grundstückgutachtens durchgeführt, sodass auch weiterhin Streitpotenzial bestehen wird.

 

Es ist zudem damit zu rechnen, dass sich die Finanzverwaltung selbst auf die BFH-Entscheidung beruft, wenn die Arbeitsdatei zu Ergebnissen zugunsten des Steuerpflichtigen führt. Dies kann dann der Fall sein, wenn es im Interesse des Steuerzahlers liegt, einen möglichst hohen Wert dem Grund und Boden zuzuordnen, um z.B. im Rahmen des § 6b EStG einen möglichst langfristigen Steuerstundungsvorteil zu nutzten bzw. eine höhere Flexibilität für die Übertragung von stillen Reserven auf das für die Nutzung des § 6b EStG erforderliche Reinvestitionswirtschaftsgut zu erlangen.

 

Einen Fluch dürfte die Entscheidung des BFH vorwiegend für die Finanzverwaltung darstellen. Gerade für den Veranlagungsbezirk, für den die Beurteilung der Werteaufteilung im Masseverfahren vom Schreibtisch aus kaum möglich sein dürfte, diente die Arbeitshilfe als Erleichterung. Zugleich schuf sie auch eine gewisse Sicherheit für den Steuerzahler, der mit Rückgriff auf die Arbeitshilfe regelmäßig die Anerkennung der Kaufpreisaufteilung durch das zuständige Finanzamt erwarten konnte, auch ohne eine bisweilen aufwändige Kaufpreisallokation mit Hilfe eines Gutachters vorzulegen. Wenn diese Arbeitshilfe jedoch zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, kann die Entscheidung des BFH – zum Schutz des Steuerzahlers – nur befürwortet werden.

Fazit

Die Entscheidung des BFH hat eine große Bedeutung für die Praxis. Sie zeigt, wie wichtig es ist, sich bereits im Vorfeld des Abschlusses einer Grundstücksübertragung mit der Aufteilung des Grundstückswertes auseinander zu setzen. Ist eine Werteaufteilung im Vertrag bereits angelegt, wird es die Finanzverwaltung künftig schwerer haben, die vertraglich bestimmte Aufteilung zu negieren. Es empfiehlt sich daher – auch für kleinere Transaktionen – die Kaufpreis- bzw. Werteaufteilung vertraglich festzuhalten und ggf. durch ein entsprechendes Gutachten zu dokumentieren.