§ 8c KStG: Aktualisierte Verwaltungsauffassung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken

26.01.2018

Das BMF hat ein neues Schreiben zur Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften nach § 8c KStG veröffentlicht. Es ersetzt die über neun Jahre alte Vorgänger-Verlautbarung, die u.a. noch keine Ausführungen zur Konzernklausel und zur Stille-Reserven-Klausel enthielt. Flankierend ist ein gleich lautender Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder zu drei mit § 8c KStG verknüpften gewerbesteuerlichen Besonderheiten ergangen.

Verfassungsrechtliche Bedenken zu § 8c KStG

Bereits 2014 hatte die Finanzverwaltung einen Entwurf vorgelegt, welcher die seit Veröffentlichung des ursprünglichen Schreibens Gesetz gewordenen Erweiterungen des § 8c KStG berücksichtigte. Wenngleich die seitdem ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung inhaltlich einigen neuen Regelungsbedarf bot, ist das Erscheinen des finalen BMF-Schreibens gerade jetzt (noch) überraschend. Denn § 8c KStG befindet sich nach allgemeinem Eindruck am Beginn einer vollständigen Revision, an dessen Ende auch eine komplette Neuregelung stehen könnte ist.

 

Konkret ist § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG laut BVerfG-Beschluss 2 BvL 6/11 für den Zeitraum 2008 bis 2015 rückwirkend zu reformieren (s. Blog-Beitrag vom 20.11.2017). Gelingt keine Neufassung bis Ende 2018, entfällt die Norm für diesen Zeitraum rückwirkend. Ob der ab 2016 geltende § 8d KStG die Verfassungsmäßigkeit über diesen Zeitraum hinaus retten kann, wird sehr kritisch gesehen. Zudem ist am BVerfG ein Verfahren zu § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG anhängig (2 K 245/17), das ähnlich ausgehen könnte. Die Veröffentlichung des BMF-Schreibens ungeachtet der verfassungsrechtlichen Kritik deutet darauf hin, dass die Verwaltung möglichst lange an der Norm festhalten möchte.

Inhaltliche Neuerungen

Die Neuerungen betreffen im Wesentlichen die folgenden Aspekte:

  1. Die Abgrenzung der Erwerbergruppe wurde gelockert. Dem BFH-Urteil vom 22.11.2016 folgend liegt eine Gruppe mit gleichgerichteten Interessen nun auch laut BMF nicht bereits dann vor, wenn es lediglich Absprachen mit Bezug auf den Erwerb als solchen gegeben hat. Erforderlich sind Absprachen vor dem Zeitpunkt des Erwerbs, die ein Zusammenwirken der Erwerber "als Gruppe" auch nach dem Erwerb erkennen lassen.
  2. Begrüßenswert ist die Lockerung zur Verrechnung eines anteiligen, bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs entstandenen Gewinns mit bestehenden Verlustvorträgen. Anders als in der Entwurfsfassung aus 2014 ist es auch nicht mehr nötig, dass für eine Verrechnung des unterjährigen Gewinns das Ergebnis des Wirtschaftsjahres insgesamt positiv ist. Somit ist eine Verlustverrechnung auch dann möglich, wenn nach dem Erwerbszeitpunkt ein negatives Ergebnis steht bzw. sogar wenn bei Betrachtung des gesamten Veranlagungszeitraums ein Verlust erzielt wird. Die unterjährige Aufteilung ist "sachlich und wirtschaftlich" zu begründen, wobei vorrangig ein Zwischenabschluss und nachrangig eine betriebswirtschaftliche Auswertung oder eine zeitanteilige Aufteilung herangezogen werden sollen. Maßgebliche Größe zur Bestimmung des Gewinns soll der Gesamtbetrag der Einkünfte sein.
  3. Die Übertragung von Anteilen auf eine Person soll in dem Umfang, in dem diese bereits zu einem früheren Zeitpunkt an der Verlustgesellschaft beteiligt war, eine mehrfache Übertragung nämlicher Anteile darstellen. Soweit absehbar führt dies zu nicht sachgerechten Ergebnissen, da ohne hinreichende Veränderung der "wirtschaftlichen Identität" der Verlustgesellschaft die Rechtsfolge des § 8c KStG eintreten würde.
  4. Bei einem schädlichen Beteiligungserwerb am Organträger zum Ende des Wirtschaftsjahres ist die Verlustkürzung nach § 8c KStG beim Organträger erst nach Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft(en) vorzunehmen. Beim unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb wirkt nach wie vor ein schädlicher Beteiligungserwerb auf der Ebene des Organträgers auch auf das noch nicht zugerechnete negative Organeinkommen. Darüber hinaus sind stille Reserven der Organgesellschaft beim Organträger nicht zu berücksichtigen, was der Organschaftslogik widerspricht. Insgesamt ist die Auffassung der Finanzverwaltung zur Anwendung des § 8c KStG auf Organschaften nicht sachgerecht und allenfalls in der Besteuerungstechnik begründet.
  5. Bzgl. der Konzernklausel definiert das BMF-Schreiben einen recht weiten Anwendungsbereich. Verkürzungen und Verlängerungen konzerninterner Beteiligungsketten sollen bei jeweils 100%-iger Beteiligung unter die Konzernklausel fallen. OHGs, KGs und auch ausländische Personenhandelsgesellschaften, scheinbar aber nicht GbRs, können nun "dieselbe Person" i.S. von § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG sein. Die Begriffe "Veräußerer" und "Erwerber" sind normspezifisch auszulegen; somit kommen alle Fälle, die potenziell die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG zur Folge haben, auch für die Konzernklausel in Frage. An der schon aus dem Entwurfsschreiben bekannten "Drei-Ebenen-Betrachtung" wird weiter festgehalten. Ausdrücklich klargestellt wird, dass die Konzernklausel nicht zur Anwendung kommen soll, wenn am übertragenden oder übernehmenden Rechtsträger (nicht an der Verlustgesellschaft) mehr als ein Beteiligter vorhanden ist und (auch durch Zusammenrechnen von unmittelbaren und mittelbaren Anteilen) keine 100%-Beteiligung erreicht wird.
  6. Zur Stille-Reserven-Klausel enthält das neue BMF-Schreiben nahezu unverändert die Ausführungen aus dem Entwurf 2014.

Fazit zu den Ergänzungen des § 8c KStG

In Summe sind die Klarstellungen der Verwaltung zu Zweifelsfragen und Ergänzungen des § 8c KStG zu begrüßen. Soweit das neue Schreiben allerdings bedeutet, dass – trotz aller verfassungsrechtlicher Bedenken – an der Verlustvernichtungsnorm für den Zeitraum ab 2016 unverändert festgehalten werden soll, ist die Freude über die Klarstellungen getrübt.

 

Mehr zum Thema: Dreßler, WPg, Heft 3.2018, S. 173, und Engelen/Erb, Der Konzern 2018, im Erscheinen.