Interview: Globale Mindestbesteuerung – Neue Spielregeln für multinationale Unternehmen?

Die globale Mindestbesteuerung stellt Unternehmen weltweit vor neue Herausforderungen. Im Interview erläutern Dr. Georg Bestelmeyer und Dr. Nils Linnemann gemeinsam die Hintergründe, die praktischen Auswirkungen sowie die Risiken und Handlungsempfehlungen für betroffene Unternehmen. Die Experten bringen ihre unterschiedlichen Perspektiven ein und geben Einblicke in die komplexen Regelungen dieser internationalen Steuerinitiative.   

Was genau ist die globale Mindestbesteuerung?

Dr. Georg Bestelmeyer: Die globale Mindestbesteuerung ist eine Initiative der OECD und der G20-Staaten, die sicherstellen soll, dass Unternehmen weltweit einer effektiven Steuerbelastung von mindestens 15 Prozent unterliegen. Mehr als 140 Staaten unterstützen dieses Konzept. Politisches Ziel der Mindeststeuer ist es, aggressive Steuervermeidung einzudämmen und für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. 

Dr. Nils Linnemann: Vor diesem Hintergrund wurde ein äußerst komplexes Regelwerk eingeführt, dessen praktische Umsetzung die betroffenen Unternehmen nun vor große Herausforderungen stellt. Die Mindeststeuer bricht mit etablierten Grundsätzen und knüpft nicht an die einzelne Einheit, sondern die Unternehmensgruppe als Ganzes bzw. einzelne Teilbereiche (Jurisdiktionen) an.

Welche Unternehmen sind davon betroffen?

Dr. Nils Linnemann: Von der Regelung sind sämtliche Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro betroffen. Dies gilt – trotz der Executive Order des US-Präsidenten Donald Trump – auch für US-Unternehmensgruppen bzw. deren Tochtergesellschaften, sofern diese in Deutschland wirtschaftlich aktiv sind.

Dr. Georg Bestelmeyer: Besonders herausfordernd sind sogenannte „Inbound-Fälle“. Mangels eines vollständigen Überblicks über die Gesamtgruppe, parallele Beteiligungsstränge und die relevanten Konzernzahlen, ist den in Deutschland ansässigen Unternehmen oftmals gar nicht bewusst, dass sie von der Mindestbesteuerung betroffen sind. Insbesondere in Konstellationen mit US-Muttergesellschaften kommen erhebliche Deklarationspflichten auf die inländischen Geschäftseinheiten zu. 

Dr. Nils Linnemann: Unternehmensgruppen, die unter der Umsatzschwelle liegen, sind hingegen nicht betroffen. Vorsicht ist aber bei Akquisitionen und Unternehmenszusammenschlüssen geboten. 

„Herausfordernd sind insbesondere die sog. ‚Inboundfälle‛. Hier ist den betroffenen Unternehmen oftmals gar nicht bewusst, dass die Unternehmensgruppe von der Mindestbesteuerung betroffen ist.“

Dr. Georg Bestelmeyer
Assoziierter Partner

Was bedeutet die Mindestbesteuerung für betroffene Unternehmen?

Dr. Georg Bestelmeyer: Unternehmensgruppen, die bislang von niedrigen Steuersätzen profitiert haben, müssen mit einer zusätzlichen Steuerbelastung rechnen. Anders stellt sich dies für Unternehmen dar, die bereits heute jurisdiktionsbezogen einer effektiven Steuerquote von mindestens 15 Prozent unterliegen. 

Dr. Nils Linnemann: Unabhängig von eventuellen Mehrsteuern sind von den betroffenen Unternehmen umfangreiche Registrierungs- und Erklärungspflichten zu beachten. Insgesamt erfordert die globale Mindestbesteuerung also eine gründliche Vorbereitung und viel Abstimmung innerhalb der Unternehmensgruppe.

Welche Auswirkungen hat das für die Steuerplanung von Unternehmen?

Dr. Nils Linnemann: Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Steuerquote in allen relevanten Ländern den Mindeststeuersatz von 15 Prozent erreicht. Gelingt dies nicht auf Anhieb, sollte geprüft werden, ob einzelne Verzerrungen, die der Komplexität des Regelwerks geschuldet sind, durch die Ausübung von Wahlrechten abgemildert werden können. 

„Wir empfehlen, die Steuerstruktur des Unternehmens gesamthaft zu überprüfen. Eine frühzeitige Analyse kann helfen, mögliche Steuerlasten zu identifizieren und gegenzusteuern.“

Dr. Nils Linnemann
Assoziierter Partner

Welche Auswirkungen hat das für die Steuerplanung von Unternehmen?

Dr. Nils Linnemann: Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Steuerquote in allen relevanten Ländern den Mindeststeuersatz von 15 Prozent erreicht. Gelingt dies nicht auf Anhieb, sollte geprüft werden, ob einzelne Verzerrungen, die der Komplexität des Regelwerks geschuldet sind, durch die Ausübung von Wahlrechten abgemildert werden können. 

Gibt es auch Risiken, die Unternehmen berücksichtigen sollten?

Dr. Georg Bestelmeyer: Eine der größten Herausforderungen ist die Erhebung einer Vielzahl mindeststeuerspezifischer Daten. Spezielle IT-Lösungen wie die Pillar 2 Management App können hier Unterstützung bieten. Zusätzlich erschwert die uneinheitliche Auslegung der neuen Vorschriften in verschiedenen Ländern die Steuerplanung und erhöht das Risiko einer Doppelbesteuerung.

Dr. Nils Linnemann: Es ist außerdem mit erhöhten Compliance-Kosten aufgrund der umfangreichen Berichts- und Dokumentationspflichten zu rechnen. Werden diese nicht erfüllt, riskieren Unternehmen neben Steuernachzahlungen auch empfindliche Bußgelder und Strafen.

Was raten Sie Unternehmen, die sich auf die Mindestbesteuerung vorbereiten wollen?

Dr. Nils Linnemann: Wir empfehlen, die Steuerstruktur des Unternehmens gesamthaft zu überprüfen. Eine frühzeitige Analyse kann helfen, mögliche Steuerlasten zu identifizieren und gegenzusteuern. Auch eine Optimierung der Wertschöpfungsketten kann helfen, Steuerrisiken zu minimieren. 

Dr. Georg Bestelmeyer: Neu ist, dass die Steuerfolgen nun mittelbar an den Konzernabschluss anknüpfen. Steuerplanung und Konzernbilanzierung können damit künftig nur einheitlich gedacht werden. Insgesamt erfordert dies ein Umdenken in der Steuerplanung: weg von der Betrachtung einzelner Einheiten hin zu einer echten Konzernbetrachtung. Wir raten daher zu einem multidisziplinären Projektansatz.