Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem am 18. September 2025 veröffentlichten Beschluss (vom 30. April 2025, Az. XI R 15/23, abrufbar unter Entscheidung Detail | Bundesfinanzhof) eine wichtige Entscheidung zur Vorlagepflicht von Dokumenten bei Betriebsprüfungen getroffen: Einerseits ist die Finanzbehörde grundsätzlich berechtigt, vom Steuerpflichtigen alle E-Mails mit steuerlichem Bezug anzufordern, wenn ein hinreichend bestimmtes Vorlageverlangen vorliegt. Andererseits kann die Finanzbehörde vom Steuerpflichtigen mangels Rechtsgrundlage nicht die Erstellung und Herausgabe eines nach bestimmten behördlichen Vorgaben zusammengestellten Verzeichnisses des E-Mail-Verkehrs („Gesamtjournal“) verlangen.
Herausgabepflicht von E-Mails mit steuerlichem Bezug
Der BFH bestätigt die Ansicht des Finanzgerichts (FG), nach der die Betriebsprüfung die Vorlage sämtlicher E‑Mails verlangen darf, welche die Vorbereitung, den Abschluss und die Durchführung bestimmter Vereinbarungen mit einer anderen Konzerngesellschaft einschließlich der zugehörigen Verrechnungspreisdokumentation betreffen. Ausgenommen von der Vorlagepflicht sind solche E-Mails, die privater Natur sind oder die firmeninterne Kommunikation betreffen.
Die Pflicht zur Vorlage der E-Mails leitet der BFH aus § 147 Abs. 6 AO ab, da die fraglichen E-Mails vom Steuerpflichtigen nach dieser Bestimmung aufzubewahren seien. Aufbewahrungspflichtig sind nach Auffassung des Gerichts nicht nur Ein- und Ausgangsrechnungen von Handelsgesellschaften, sondern auch die gesamte, den betrieblichen Bereich betreffende Korrespondenz, soweit sie sich auf die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäfts (§§ 343, 344 HGB) bezieht. Enthalten E-Mails bereits rechnungslegungsrelevante Informationen (z.B. für die Vorbereitung, den Abschluss oder die Durchführung eines Intercompany-Agreements), sind diese nach Ansicht des BFH ebenso wie Anhänge zu E-Mails vom Steuerpflichtigen aufzubewahren und damit auch vorlagepflichtig.
Der Senat hält das streitige Vorlageverlangen auch für hinreichend bestimmt. Denn die Anforderung von Unterlagen „en bloc“ sei bei Betriebsprüfung zulässig und verstoße nicht gegen § 119 Abs. 1 AO. Die Finanzbehörde könne mangels Kenntnis ein Vorlageverlangen z.B. auf „Eingangs- oder Ausgangsrechnungen“ oder „Belege zu baren Geschäftsvorfällen“ beschränken. Dies sei regelmäßig noch hinreichend bestimmt. Fordere der Betriebsprüfer den Steuerpflichtigen in Bezug auf ein bestimmtes Dokument auf, hierzu alle den Prüfungszeitraum betreffenden Handelsbriefe i.S.v. § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO sowie sonstige Unterlagen i.S.v. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO vorzulegen, sei dies im Streitfall hinreichend bestimmt, da die Finanzbehörde das Vorlageverlangen auf solche E-Mails beschränkt habe, die „steuerlich relevant“ seien. Damit sei den Anforderungen an die Bestimmtheit hinreichend Rechnung getragen.
Gleichzeitig litt das Vorlageverlangen – so der BFH – weder an einem Ermessensfehler noch war es unverhältnismäßig. Denn dem Steuerpflichtigen verbleibe das sog. Erstqualifikationsrecht, d.h. dieser könne entscheiden, welche E-Mails oder Daten er im Einzelfall vorlege. Die Offenlegung steuerlich erheblicher Sachverhalte sei dem Steuerpflichtigen auch zumutbar, da dieser primärer Wissensträger sei und die größte Beweisnähe habe. Müsste der Steuerpflichtige entsprechende E-Mails nicht vorlegen, bestünde nach Ansicht des BFH die Gefahr, dass die Angaben des Steuerpflichtigen weder mit Blick auf die Verrechnungspreismethode noch in Bezug auf Art und Umfang der Tätigkeiten von der Betriebsprüfung überprüft werden könnten. Die Finanzbehörde müsse sich nicht darauf beschränken, nur die Steuererklärung prüfungslos zu akzeptieren oder sich allein zentrale Dokumente vorlegen zu lassen. Mit dem Argument, dass der Zeit- und Kostenaufwand für die Vorlage der gewünschten E-Mails unverhältnismäßig sei, drang der Steuerpflichtige mangels weiterer Substantiierung nicht durch.
Keine Pflicht zur Erstellung eines Gesamtjournals
Die Betriebsprüfung hatte dem Steuerpflichtigen weiter aufgegeben, in digitaler Form ein Verzeichnis zu erstellen und den Prüfern bereitzustellen, in dem nach festgelegten Vorgaben die E‑Mails aus einem bestimmten E-Mail-Verkehr vollständig zusammengestellt werden. Da die Aufforderung Informationen zu jedweder E-Mail-Korrespondenz der Klägerin und ihrer Mitarbeiter umfasste, erteilt der BFH dem eine klare Absage. Da in dem Verzeichnis auch E-Mails ohne steuerliche Relevanz hätten aufgeführt werden müssen, qualifizieren die Richter das Mitwirkungsverlangen als rechtswidrig. Für die Verpflichtung zur Erstellung eines solchen „Gesamtjournals“ fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Behörde könne sich insoweit weder auf § 147 Abs. 6 AO noch auf § 200 Abs. 1 Satz 2 AO berufen. Da für das von der Behörde verlangte Verzeichnis keine Aufbewahrungspflicht existiert, scheidet nach Ansicht des BFH § 147 Abs. 6 AO als Rechtsgrundlage aus; denn die Norm setze das Bestehen einer Aufbewahrungspflicht voraus. Das Vorlageverlangen kann auch nicht auf § 200 Abs. 1 Satz 2 AO gestützt werden, da das angeforderte (digitale) Gesamtjournal tatsächlich nicht vorhanden war, sondern vom Steuerpflichtigen erst noch hätte erstellt werden sollen. Der BFH stellte klar, dass aus der finanzbehördlichen Möglichkeit, einen Datenträger anzufordern, nicht die Pflicht folgt, die darauf gespeicherten Daten zu einem Gesamtjournal „neu“ erstellen zu müssen.
Fazit
Der Steuerpflichtige kann im Rahmen einer Betriebsprüfung zur Vorlage von E-Mails mit steuerlichem Bezug aufgefordert werden. Dabei hat der Steuerpflichtige zu prüfen, ob das Vorlageverlangen hinreichend konkret ist. Hat die Finanzbehörde das Vorlageverlangen z.B. mittels Begründung des Verwaltungsakts hinreichend konkretisiert, hält der BFH das Vorlageverlangen für hinreichend bestimmt. Macht der Steuerpflichtige die Unverhältnismäßigkeit des Vorlageverlangens geltend, muss er dies substantiiert vortragen. Fordert die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen auf, ein „Gesamtjournal“ zu erstellen und vorzulegen, ist dies mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und sollte vom Steuerpflichtigen angefochten werden. Ist die Aufforderung – wie im vom BFH entschiedenen Fall – als Verwaltungsakt zu qualifizieren, stehen dem Steuerpflichtigen Einspruch und Anfechtungsklage zur Seite, die von einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begleitet werden können.