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Vorläufig keine latenten Steuern aus Pillar Two - Temporäre Änderung von IAS 12

03.05.2023 | FGS Blog

IASB bestätigt temporäre Ausnahme zur Bildung latenter Pillar Two-Steuern

Im April 2023 beriet das International Accounting Standards Board (IASB) über Rückmeldungen zum Exposure Draft ED/2023/1, welcher eine vorübergehende Erleichterung der Bilanzierung latenter Steuern gem. IAS 12 betrifft. Mit dem Entwurf soll eine temporäre Ausnahme für die Bilanzierung latenter Steuern geschaffen werden, die im Zusammenhang mit der Einführung der globalen Mindestbesteuerung entstehen können. Die im Entwurf enthaltenen Regelungen sollen nach vorherigem Abstimmungsprozess in der zweiten Mai-Hälfte 2023 veröffentlicht werden.

Mit dem Entwurf reagiert das IASB auf die bevorstehende weltweite Umsetzung des von der OECD im Dezember 2021 verabschiedeten Rahmenkonzepts zur globalen Mindestbesteuerung (sog. GloBE Model Rules under Pillar Two). Das Bundesministerium der Finanzen hatte im März 2023 einen Diskussionsentwurf für ein entsprechendes nationales Umsetzungsgesetz (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG) veröffentlicht, welches erstmals für Geschäftsjahre ab 2024 gelten soll.

Maßgeblich für die Initiative des IASB war, dass aktuell eine hohe Unsicherheit bei der erstmaligen Umsetzung der Regelungen besteht. Insbesondere die Position der latenten Steuern, welche in den GloBE Model Rules in nicht unerheblichem Umfang angesprochen werden, ist bislang mit vielen ungeklärten Detailfragen belastet. Hinzu kommt, dass die weltweite Einführung der globalen Mindestbesteuerung bislang noch recht uneinheitlich erfolgt.

Grundsätze zu latenten Steuern nach IAS 12

IAS 12 gilt für die Bilanzierung von Ertragsteuern. Der Standard betrifft die steuerlichen Auswirkungen aus der künftigen Realisierung des Buchwerts bilanzierter Vermögenswerte sowie aus Geschäftsvorfällen im Abschluss des Geschäftsjahres. IAS 12 gilt dabei sowohl für die Realisierung von Vermögenswerten als auch für die Erfüllung von Schulden. Grundsätzlich erfasst IAS 12 sowohl die Bilanzierung tatsächlicher als auch latenter Steuern. Ergeben sich aus der zukünftigen Realisierung bilanzierter Posten steuerliche Auswirkungen, so sind nach IAS 12 – vorbehaltlich geregelter Ausnahmen – latente Steuern zu bilanzieren.

Latente Steuerschulden sind nach dem Verständnis von IAS 12 Ertragsteuern, die in Zukunft aus zu versteuernden temporären Differenzen zahlbar sind. Latente Steueransprüche sind Ertragsteuern, die in zukünftigen Geschäftsjahren erstattungsfähig sind und entweder aus temporären Differenzen, Verlustvorträgen oder noch nicht genutzten steuerlichen Gewinnvorträgen resultieren. Die Bewertung erfolgt mit dem Steuersatz, der in der Periode der Realisierung des Vermögenswertes/der Erfüllung der Schuld erwartet wird. Es ist also auf zukünftige Steuersätze abzustellen, wobei diese zum Abschlussstichtag gültig oder angekündigt sein müssen. Eine Abzinsung erfolgt nicht.

Weiter regelt IAS 12 Einzelheiten zur Darstellung latenter Steuern sowie der hiermit zusammenhängenden Angaben („Notes“).

Beabsichtige Änderungen des IAS 12

Aus Sicht der Bilanzierer aber auch des IASB bestehe eine hohe Unsicherheit bezüglich der Datengrundlage für die komplexe Berechnung latenter Steuern. Unsicherheiten bestünden dabei sowohl bezüglich temporärer Differenzen als auch in der Frage notwendiger Bewertungsanpassungen oder des anzuwendenden Steuersatzes für die Bilanzierung. In der Folge ergibt sich allenfalls eine bedingte Verlässlichkeit für die Bilanzierung aus der globalen Mindestbesteuerung stammender latenter Steuern.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen zu IAS 12 soll daher eine vorübergehende Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern aus der globalen Mindestbesteuerung ermöglicht werden. Zu beachten ist, dass die Anwendung der Ausnahmeregelung grundsätzlich verpflichtend sein soll um eine „diversity in practice“ zu verhindern. Begleitet wird dies von einer Berichtspflicht über die Anwendung der Ausnahmeregelung sowie weiteren Offenlegungspflichten für betroffene Unternehmen.

Zusätzlich soll eine neue Berichtspflicht für die aus der globalen Mindestbesteuerung stammenden Ertragsteuern eingeführt werden. Insbesondere sind die effektiven Steueraufwendungen und Steuererträge, die aus der nationalen Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung resultieren, anzugeben. Ergänzend ist geplant, weitere Berichtspflichten zu schaffen, soweit die globale Mindestbesteuerung zwar in nationalen Gesetzen (formal) eingeführt wurde, aber noch nicht in Kraft ist.

Praktische Auswirkungen für Unternehmen

Das IASB schlägt temporäre Ausnahmen von der Bildung latenter Steuern im Zusammenhang mit den neuen Mindestbesteuerungsregimen vor. Dies ist aus Unternehmens- und Beratersicht begrüßenswert, da den Standardsettern in dem Übergangszeitraum ausreichend Zeit verbleiben sollte, die IFRS im Hinblick auf die Mindestbesteuerung anzupassen.

Konkrete Relevanz erlangt der Entwurf des IASB für Unternehmen, die nach den IFRS bilanzieren, und zwar sowohl für Einzel- als auch für Konzernabschlüsse.

Die Änderungsvorschläge sollen für am oder nach dem 1. Januar 2023 beginnende Berichtsperioden gelten. Damit erlangen sie erfreulicherweise bereits in der Quartalsberichterstattung für Stichtage ab dem 31. März 2023 Relevanz, was insofern rechnungslegungspflichtigen Unternehmen Erleichterungen und Zeit bringt, die notwendigen Voraussetzungen für ein „Pillar 2-Reporting“ zu schaffen.

Allerdings können auch „HGB-Bilanzierer“ von latenten Steuern aus den Pillar 2-Regelungen betroffen sein, insbesondere wenn Halbjahresfinanzberichte nach § 115 WpHG erstellt werden müssen. Für diese gelten die vorgeschlagenen Erleichterungen nicht, da sie sich nicht auf die Bilanzierung latenter Steuern nach dem HGB beziehen. Es wäre daher sehr zu begrüßen, wenn der deutsche Gesetzgeber für die Bilanzierung latenter Steuern nach §§ 274, 306 HGB ebenfalls temporäre Ausnahmen schaffen würde.