Corporate and Group Tax Law

Übergewinnsteuer für Energieunternehmen verabschiedet

22.12.2022 | FGS Blog

Nach einer politischen Diskussion hat der Gesetzgeber eine Abgabe auf sogenannte Übergewinne von Energieunternehmen eingeführt (Art. 40 des Jahressteuergesetzes 2022). Mit der Einführung der Übergewinnsteuer setzt Deutschland die Vorgabe der Europäischen Union für den EU-Energiekrisenbeitrag um (Verordnung (EU) 2022/1854).

Die Übergewinnsteuer wird – außerhalb der bestehenden Steuergesetze – im EU-Energiekrisenbeitragsgesetz geregelt. Sie wird nur für die ersten beiden (vollen) Wirtschaftsjahre erhoben, die nach dem 31.12.2021 beginnen. Bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr sind dies die Jahre 2022 und 2023.

Die betroffenen Unternehmen müssen ggf. bereits in ihrer Bilanz zum 31.12.2022 eine Rückstellung für die Übergewinnsteuer bilden und sich deshalb kurzfristig mit dem Thema Übergewinnsteuer beschäftigen.

Betroffene Unternehmen

Steuerpflichtig sind inländische gewerbliche Unternehmen, deren Umsatz im Wirtschaftsjahr zu mindestens 75 % auf Wirtschaftstätigkeiten in den Bereichen Extraktion, Bergbau, Erdölfraffination oder Herstellung von Kokereierzeugnissen beruht.

Für die Definition der erfassten Wirtschaftstätigkeiten verweist das Gesetz auf eine weitere europäische Verordnung (Verordnung EG Nr. 1893/2006). Die Rechtsform des Unternehmens ist ohne Bedeutung, sodass Einzelunternehmen sowie Personen- und Kapitalgesellschaften erfasst werden. Der erforderliche Inlandsbezug ist gegeben, wenn das Unternehmen im Inland eine Betriebsstätte unterhält.

Bemessungsgrundlage und Steuersatz

Bemessungsgrundlage der Steuer sind die Übergewinne des Unternehmens. Dabei handelt es sich um den steuerlichen Gewinn, der den durchschnittlichen Gewinn der vergangenen vier Wirtschaftsjahre um mehr als 20 % übersteigt. Beträgt der durchschnittliche steuerliche Gewinn eines betroffenen Unternehmens in den vergangenen vier Jahren beispielsweise EUR 1 Mio., wird die Übergewinnsteuer auf den Gewinn des Jahres 2022 erhoben, der den Betrag von EUR 1,2 Mio. übersteigt. Falls der durchschnittliche Gewinn der vergangenen vier Jahre negativ war oder EUR 0 beträgt, unterliegt der gesamte Gewinn des Jahres 2022 der Übergewinnsteuer.

Der Steuersatz auf die Übergewinne beträgt – unabhängig von ihrer Höhe – 33 %.

Die Übergewinnsteuer kann nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden, sodass es zu einer Doppelbelastung der Gewinne mit den üblichen Ertragsteuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) und der Übergewinnsteuer kommt.

Verfahren

Die betroffenen Unternehmen müssen beim Bundeszentralamt für Steuern eine Steuererklärung abgeben, in der sie die Übergewinnsteuer selbst berechnen.

Die Erklärung ist spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe der regulären Einkommen-/Körperschaftsteuererklärung bzw. der Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das jeweilige Jahr abzugeben. Für das Wirtschaftsjahr 2022 ergibt sich somit eine Abgabefrist bis zum 31. Juli 2024.

Kritik an der Übergewinnsteuer

Aus rechtlicher Sicht stellen sich verschiedene Fragen:

  • Die der Übergewinnsteuer zugrunde liegende EU-Verordnung wurde vom Rat der EU auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 1 AEUV erlassen (s. Erwägungsgrund 7 der Verordnung). Nach Art. 122 Abs. 1 AEUV können „der Wirtschaftslage angemessene Maßnahmen“ beschlossen werden, insbesondere falls „gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung“ auftreten. Als alternative Rechtsgrundlage kommt Art. 194 Abs. 3 AEUV in Betracht. Danach können steuerliche Maßnahmen der Energiepolitik getroffen werden. Hierfür ist jedoch ein einstimmiger Beschluss des Rates und die Beteiligung des Europäischen Parlaments erforderlich. Der EU-Verordnung haben aber weder alle EU-Mitgliedstaaten zugestimmt noch war das Europäische Parlament beteiligt. Somit kann die Verordnung bzw. die Übergewinnsteuer nicht auf Art. 194 Abs. 3 AEUV gestützt werden. Ob neben dem speziellen Art. 194 Abs. 3 AEUV ein Rückgriff auf Art. 122 Abs. 1 AEUV möglich ist, erscheint zweifelhaft.
  • Auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht bestehen Bedenken gegen die Übergewinnsteuer. Bei einer möglichen Steuerbelastung der Gewinne der betroffenen Unternehmen von über 80 % ist eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG denkbar. Darüber hinaus könnte die hohe Belastung weniger Unternehmen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen.
  • Das EU-Energiekrisenbeitragsgesetz bringt zudem Auslegungsunsicherheiten mit sich. Schon die Bestimmung der steuerpflichtigen Unternehmen ist schwierig. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sollen Übergewinne von Energieunternehmen besteuert werden. Durch die Anknüpfung an bestimmte Wirtschaftstätigkeiten – Extraktion, Bergbau, Erdölraffination und Herstellung von Kokereierzeugnissen – werden nach dem Wortlaut des Gesetzes aber auch Unternehmen erfasst, die keine Energieprodukte erzeugen und damit von den gestiegenen Preisen am Energiemarkt nicht profitieren, z.B. Petrochemie-Unternehmen. Eine dem Sinn und Zweck entsprechende Auslegung des Gesetzeswortlauts erscheint aber möglich und geboten. Auch die Ermittlung der Bemessungsgrundlage in Konzernstrukturen ist noch nicht abschließend geklärt. So sollen nach der Gesetzesbegründung auch Gesellschaften, die als Organgesellschaft in eine ertragsteuerliche Organschaft einbezogen sind, selbständig der Übergewinnsteuer unterliegen, d.h. es soll zu keiner Konsolidierung im Organkreis kommen. Der Gesetzeswortlaut enthält hingegen weder einen positiven Verweis auf die Regelungen zur Organschaft noch ist deren Anwendung ausdrücklich ausgeschlossen.

Fazit

Insgesamt bestehen europa- und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Schnellverfahren eingeführte Übergewinnsteuer. Zudem bestehen Auslegungsunsicherheiten, sodass es voraussichtlich zu Auseinandersetzungen zwischen den betroffenen Unternehmen und der Finanzverwaltung kommen wird.