Steuerbar und steuerfrei? – Zur Auslegung des VersStG bei (Kautions-)Rückversicherungen

15.10.2024 | FGS Blog

Spätestens seit Aufkommen der Diskussionen rund um die Besteuerung entgeltlicher Garantien, hat die Versicherungsteuer ihr Nischendasein verlassen. Auch fiskalisch nimmt sie einen immer höheren Stellenwert ein. Allein zwischen 2022 und 2023 erhöhte sich ihr Aufkommen um 7,5% auf über EUR 16,9 Milliarden.

Wie auch bei der Umsatzsteuer als der wohl bedeutendsten Verkehrssteuer, kommt es auch bei der Versicherungsteuer zunächst auf die Steuerbarkeit und erst anschließend die Steuerpflicht an. Es ist also stets von Bedeutung, ob der streitige Sachverhalt überhaupt vom Versicherungsteuergesetz (VersStG) erfasst ist und zum anderen, ob ggf. eine Steuerbelastung trotz Steuerbarkeit aufgrund einer einschlägigen Steuerbefreiungsvorschrift nicht eintritt.

Mit dem Zusammenspiel dieser beiden Parameter hatte sich der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 18.04.2024 (BFH-Urteil v. 18.04.2024 – V R 17/22) zu beschäftigen.

Im Mittelpunkt der Entscheidung steht das Verhältnis von § 2 Abs. 2 VersStG, der bestimmte Vertragsarten von der Versicherungsteuer ausnimmt, zu der Steuerbefreiung für sog. Rückversicherungen, § 4 Nr. 1 VersStG, der eine doppelte Besteuerung bei der Absicherung ein und desselben Risikos durch nacheinander geschaltete Versicherungen verhindert.

Hintergrund                                                                                                                

Liegt ein Versicherungsverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 1 VersStG vor, ist die hierfür vereinbarte Prämie grundsätzlich versicherungsteuerbar. Dagegen hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 VersStG vorgesehen, dass ein solcher steuerbarer Versicherungsvertrag nicht vorliegt, wenn durch den Vertrag der Versicherer verpflichtet wird, für den Versicherungsnehmer eine Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten. Für einen Versicherer stellt sich folglich die Frage, welche Anforderungen an diese Ausnahme geknüpft sind. Und besonders für einen Rückversicherer solcher Verträge ist es von großer Bedeutung, ob dann weiterhin die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 VersStG für seine Rückversicherungen gilt. So war es auch im vorliegenden Fall.

Sachverhalt

Ein Versicherungsunternehmen (Klägerin) hatte mit verschiedenen anderen Versicherungsunternehmen Kautionsversicherungsverträge abgeschlossen. Eines der Versicherungsunternehmen sicherte Reiseausfallrisiken verschiedener Pauschalreiseanbieter als (End-)Versicherungsnehmer ab. Ein anderes Versicherungsunternehmen hatte eine Bürgschaft zugunsten von Mitarbeitern seines Versicherungsnehmers für die Absicherung von Wertguthaben aus Altersteilzeitvereinbarungen übernommen, die diesen Mitarbeitern gegen den Versicherungsnehmer zustanden. An diesen Erstversicherungen und der Bürgschaft beteiligte sich die Klägerin, indem sie gegenüber ihren Vertragspartnern in Form von Kautionsversicherungsverträgen anteilig die Risiken übernahm und dafür eine Zahlung erhielt. Eine direkte Inanspruchnahme durch die Endversicherungsnehmer war dagegen nicht vorgesehen. Vielmehr sollten ausschließlich die Versicherungsunternehmen die Klägerin in Anspruch nehmen können.

Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass die Zahlungen, welche sie von den anderen Versicherungsunternehmen vereinnahmte, nicht der Versicherungsteuer unterliegen. Dagegen sahen die Finanzverwaltung und dieser folgend auch das Finanzgericht (FG) Köln die Zahlungen als versicherungsteuerbar und -pflichtig an. Bei den Versicherungsverträgen der Klägerin habe es sich nicht um eine Erstversicherung nach § 2 Abs. 2 VersStG gehandelt. Zugleich waren aber die Versicherungsverträge der anderen Versicherungsunternehmen nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht steuerbare Erstversicherungen, sodass die Klägerin sich auch nicht auf eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 VersStG berufen könne.

Dagegen legte die Klägerin Revision beim BFH ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass es sich in ihrem Falle um „Mitversicherungen“ handele, die ebenfalls unter § 2 Abs. 2 VersStG fielen. Wollte man die Steuerbarkeit annehmen, so seien die Versicherungsverhältnisse aber gem. § 4 Nr. 1 VersStG als Rückversicherung versicherungsteuerbefreit, denn die Norm verlange kein steuerbares Erstversicherungsverhältnis.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Finanzverwaltung und dem FG angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Zunächst sind die Zahlungen der Versicherungsunternehmen an die Klägerin nach Ansicht des BFH als steuerbar anzusehen (§ 1 Abs. 1 VersStG). Die Voraussetzungen der Fiktion nach § 2 Abs. 2 VersStG liegen nicht vor, nach der ein steuerbarer Versicherungsvertrag nicht gegeben ist. Erforderlich dafür wäre nämlich die Verpflichtung des Versicherers, also der Klägerin, ein Vertragsverhältnis mit einem Dritten in Form einer Bürgschaft oder einer anderen Sicherheit abzuschließen. Dagegen reicht es nicht aus, wenn lediglich die Verpflichtung zur Erstattung von Kosten eines beim Erstversicherer entstehenden Ausfalls übernommen werden. Da die Klägerin zu den Dritten, also den Endversicherungsnehmern ihrer Vertragspartner, keinerlei Vertragsbeziehungen hatte und diese auch in keinem Fall forderungsberechtigt sein sollten, ist ein solches Vertragsverhältnis jedenfalls nicht von § 2 Abs. 2 VersStG erfasst.

Ferner könne auch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 VersStG nicht gewährt werden. Dieser befreie ausschließlich Rückversicherungen von der Versicherungsteuer. Eine solche Rückversicherung sei aber im konkreten Fall nicht gegeben, weil es an einem versicherungsteuerbaren Erstversicherungsverhältnis mangele, da die Vertragspartner gegenüber ihren Versicherungsnehmern einen nicht als Versicherungsvertrag einzuordnenden Vertrag nach § 2 Abs. 2 VersStG geschlossen haben.

Zu beachten ist indes, dass es für die Versicherungsteuerbefreiung nur darauf ankommt, dass ein steuerbares Erstversicherungsverhältnis vorliegt – sollte dieses ggf. ebenfalls steuerbefreit sein, ist dies unschädlich. Dies hatte der BFH bereits 2013 für den Fall einer Bürgschaft festgestellt (vgl. BFH-Urteil v. 19.06.2013 – II R 26/11) und bereits das Erfordernis der steuerbaren Versicherung aufgestellt. Teilweise wurde dies jedoch so interpretiert, dass die Steuerbefreiung für Rückversicherer entfallen könnte, wenn das Risiko der Erstversicherung nicht in Deutschland belegen war und daher das gezahlte Entgelt nicht steuerbar im Sinne des VersStG sei.

Mit dem aktuellen Urteil konkretisiert der BFH dies nun dahingehend, dass die Steuerbefreiung nur wegen des nach § 2 Abs. 2 VersStG fehlenden Versicherungsverhältnisses nicht anzuwenden sei.

Fazit

Auch wenn der Umfang des § 2 Abs. 2 VersStG nach wie vor nicht abschließend ausgeurteilt ist, so sind die Folgen der Norm nun durch den BFH wohl eindeutig geklärt. In der Praxis hat dies verschiedene wichtige Auswirkungen für Versicherer. Wesentlich ist aber vor allem, dass die Steuerbefreiung bei Vorliegen des § 2 Abs. 2 VersStG auf der ersten Ebene für eine Absicherung dieses Vertragsverhältnisses, nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 1 VersStG fällt, denn dieser setzt zwingend voraus, dass eine steuerbare (Erst-)Versicherung vorliegt.

Fehlt dagegen ein steuerbares Versicherungsverhältnis aufgrund von § 2 Abs. 2 VersStG, wird beim „Rück-“Versicherer die Versicherungsteuer fällig, was in der Preisberechnung sowie der Steuerdeklaration zu berücksichtigen ist.