Beim Aufladen von Elektrofahrzeugen an Ladesäulen sind häufig mehrere Parteien involviert – von den Betreibern der Ladesäulen über spezialisierte Dienstleister bis hin zu den Nutzern selbst. Diese sogenannten „Mehr-Personen-Verhältnisse“ werfen komplexe Fragen auf, wie z. B. wer den Strom tatsächlich liefert und wie die Abrechnung umsatzsteuerlich behandelt wird.

So ist es im Bereich der E-Mobility üblich, sich Dienstleistern zu bedienen, die ein unkompliziertes Laden (und ggfs. auch weitere Dienstleistungen) ohne Registrierung beim jeweiligen Ladesäulenanbieter und teils zu vereinheitlichten Preisen ermöglichen. Bei der Nutzung von Ladesäulen (sog. E-Charging) wird der Nutzer daher mittels einer von einem Dienstleister ausgestellten Karte gegenüber einem Ladestationsbetreiber zum Bezug von Strom berechtigt.

Zwar hatte sich der EuGH bereits in der Vergangenheit mit der umsatzsteuerlichen Behandlung von Tankkarten beschäftigt und damit die davon betroffenen Branchen, wie die Tankkartenanbieter, Speditionen etc. vor eine Vielzahl von Fragen gestellt. Die in den Entscheidungen aufgestellten Grundsätze hält er jedoch in seinem neuen Urteil in der Rechtssache Digital Charging Solutions GmbH vom 17.10.2024 (C-60/23) nicht für auf das Laden an E-Ladesäulen  übertragbar.

Vorher war der EuGH in einer Leasing-Konstellation in der Rechtssache Auto Lease Holland (C- 185/01) von einer Finanzierungsleistung ausgegangen. Auch für Tankkartensysteme hatte der EuGH in der Rechtssache Vega International (C-235/18) angenommen, dass es sich um einen Kreditmechanismus handele. In seiner neuen Entscheidung C-60/23 wird nun das Problem bei E-Charging beleuchtet und klar von den bisherigen Urteilen abgegrenzt.

EuGH-Vorlage

Die Klägerin ist eine deutsche Gesellschaft, welche als E-Mobility Provider (sog. EMP) Nutzern von Elektrofahrzeugen in Schweden Zugang zu einem Netzwerk von Ladestationen gewährt. Dabei erhalten die Nutzer über eine App Echtzeitinformationen über Preise, Standorte und Verfügbarkeiten von Ladestationen sowie weitere Funktionen (z. B. Routenplanung). Durch die vom EMP an die Nutzer herausgegebenen Karten können diese sich an den von Dritten betriebenen Ladestationen authentifizieren und die Fahrzeuge aufladen. Für diesen Vorgang wird von dem Ladepunktbetreiber monatlich eine Rechnung an den EMP gestellt.

Auf Grundlage dieser Rechnung stellt der EMP seinerseits Rechnungen an die Nutzer aus. Diese beinhaltet zum einen die monatlich gelieferte Strommenge und den Preis, zum anderen eine fixe Gebühr für die Bereitstellung des Zugangs zum Netz und die weiteren Funktionen. Diese Gebühr wird dabei jeden Monat unabhängig von einer Netznutzung oder Inanspruchnahme der weiteren Funktionen fällig.

Das vorlegende Gericht begehrte zunächst die Bestätigung, dass das Laden eines Fahrzeugs an einer Ladestation überhaupt eine Lieferung i.S.d. MwStSystRL darstellt. Daneben stellte es die Frage, ob der Ladepunktbetreiber den Strom an den EMP und dieser weiter an die Nutzer liefert, womit es sich um eine Kettenlieferung handeln würde.

Entscheidung

Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung stellt der EuGH fest, dass die Übertragung von Strom zum Aufladen eines Fahrzeugs an einer Ladestation eine Lieferung im Sinne der MwStSystRL darstelle. Gemäß Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL sei Strom einem körperlichen Gegenstand gleichgestellt.

Spannender ist derweil die Antwort des EuGH auf die zweite Vorlagefrage, die den vorliegenden Sachverhalt als Lieferkette einordnet. Einen Kreditmechanismus, wie er in den Rechtssachen Auto Lease Holland (C- 185/01) und Vega International (C-235/18) angenommen wurde, sieht der EuGH im vorliegenden Fall dabei nicht. So bestehe der Fall weder im Kontext eines Leasingvertrages, bei dem die an die Leasinggesellschaft gezahlten Monatsraten lediglich einen Vorschuss darstellte, noch seien Tankkarten ausgegeben worden, welche an Tankstellen zur Bezahlung verwendet werden konnten. Darüber hinaus spreche die Tatsache, dass die Klägerin von den Nutzern kein prozentuales Entgelt vom Rechnungspreis des gezogenen Stroms erhalte, sondern vielmehr eine von den tatsächlichen Liefermengen unabhängige feste Gebühr, gegen die Annahme einer Finanzierung.

Die Voraussetzungen eines Kommissionsgeschäfts – bei dem umsatzsteuerlich eine Leistungskette fingiert wird – seien erfüllt, da zum einen ein Auftrag gegeben sei, zu dessen Ausführung der Kommissionär für Rechnung des Kommittenten hinsichtlich der Lieferung von Gegenständen tätig werde. Ein solcher Auftrag könne laut dem EuGH entweder in der Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Nutzern (Einkaufskommission) oder in der Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Betreibern (Verkaufskommission) gesehen werden. Zum anderen sei auch eine Gleichartigkeit zwischen den Gegenständen, die der Kommissionär erwirbt und den von ihm verkauften/übertragenen Gegenständen anzunehmen, da der gelieferte Strom im Verhältnis des Betreibers zur Klägerin identisch mit dem Strom sei, welchen die Nutzer erhielten.

Die Entscheidung, ob die vom EMP erbrachte Leistung eine einheitliche Leistung darstellt, deren charakteristischer und vorherrschender Bestandteil die Stromlieferung ist, oder aber ob es sich um zwei separate Leistungen in Gestalt der Stromlieferung einerseits und der Gewährung des Zugangs zum Ladepunktnetz andererseits handelt, überlässt der EuGH dem vorlegenden Gericht. Jedenfalls stehe es einer Gleichartigkeit für die Annahme eines Kommissionsgeschäfts nicht entgegen, wenn von einer einheitlichen komplexen Leistung auszugehen wäre. Selbst wenn also die Lieferung der Elektrizität im Verhältnis zum Kunden um weitere Leistungen ergänzt wird, steht dies der Beurteilung als Doppelumsatz im Hinblick auf die Lieferung des Stroms aufgrund der Kommission demnach nicht entgegen.

Fazit

Mit dem Urteil stellt der EuGH klar, dass das Laden unter Einbindung einer weiteren Person (EMP) als Lieferkette (Einkaufs- oder Verkaufskommission) ausgestaltet werden kann. Zudem sind die Grundsätze seiner Rechtsprechung zu Auto Lease Holland und Vega International aufgrund der konkreten Ausgestaltung nicht anwendbar.

Da der EMP folglich Lieferer von Elektrizität wird, ergeben sich jedoch Folgefragen, wie die Bestimmung des Leistungsortes (§ 3g UStG) oder ein möglicher Wechsel der Steuerschuldnerschaft (§ 13b Abs. 5 und 2 Nr. 5 UStG) im Falle einer Wiederverkäufereigenschaft. Daneben wird er sich seinerseits regelmäßig am Abgabeort des Stroms umsatzsteuerlich registrieren lassen und Umsatzsteuerdeklarationen einreichen müssen. Schließlich ist auch die Frage der Bewertung der weiteren Leistungselemente relevant, da sich insoweit die Frage stellt, wo deren Leistungsort belegen ist. Entscheidende Faktoren sind dabei, ob der Kunde Unternehmer ist, der die Leistung für sein Unternehmen bezieht und wie dies nachgewiesen werden kann.