Neues zu Beschlussmängelstreitigkeiten: Mauracher Entwurf "legitimiert" Schiedsfähigkeit III-Rechtsprechung

14.05.2020

Für Kapitalgesellschaften stand bis zur „Schiedsfähigkeit I“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs fest, dass Beschlussmängelstreitigkeiten nicht schiedsfähig sind (BGH, ZIP 1996, 830). Zur Begründung verwies der BGH auf die entsprechende Anwendung von §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 AktG. Danach ist die Klage gegen die Gesellschaft und nicht gegen die Gesellschafter zu richten. Urteile in Beschlussmängelstreitigkeiten wirken jedoch für und gegen alle Gesellschafter und Gesellschaftsorgane, auch wenn sie an dem Verfahren nicht als Partei teilgenommen haben. Angesichts der unterschiedlichen Bedingungen eines Rechtsstreits vor einem staatlichen Gericht und einem Schiedsgericht sah der Senat für eine analoge Anwendung der Regelungen der §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 AktG auf die Entscheidung eines privaten Schiedsgerichts keine tragfähige Grundlage.

 

Mit dem „Schiedsfähigkeit II“-Urteil im Jahr 2009 (BGH ZIP 2009, 1003) änderte der BGH seine Rechtsprechung. Danach sind Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH grundsätzlich doch schiedsfähig. Die Schiedsabrede, so der BGH, müsse sich allerdings an § 138 BGB messen. Aufgrund der Rechtskrafterstreckung gemäß §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 AktG müsse daher gewährleistet sein, dass sämtliche Gesellschafter zumindest die Gelegenheit haben, an dem Schiedsverfahren, insbesondere der Zusammensetzung des Schiedsgerichts, mitzuwirken. Sämtliche Gesellschafter seien über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens zu informieren. Schließlich müsse gewährleistet sein, dass Beschlussmängelstreitigkeiten, die denselben Streitgegenstand betreffen, alle bei einem Schiedsgericht konzentriert werden. Diese Anforderungen gelten für Beschlussmängelstreitigkeiten Kapitalgesellschaften bis heute.

Übertragbarkeit auf das Personengesellschaftsrecht?

Für „Beschlussmängelstreitigkeiten“ bei Personengesellschaften gab es derartige Schwierigkeiten zunächst nicht. Es bestand weitgehende Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur darüber, dass es sich bei derartigen Klagen nicht um Beschlussmängelklagen im Sinne der §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 AktG handle. Bei der Klage handelt es sich nämlich um eine „normale“ Feststellungsklage, die regelmäßig nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen die übrigen Gesellschafter zu richten ist. Das Problem der Rechtskrafterstreckung auf am Verfahren unbeteiligte Gesellschafter stellt sich bei Personengesellschaften schlicht nicht. Etwas anderes kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist, dass Klagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ausnahmsweise nicht gegen die „gegnerischen“ Gesellschafter, sondern gegen die Gesellschaft zu richten sind und die Gesellschafter sich vertraglich verpflichtet haben, den Schiedsspruch gegen sich gelten zu lassen (Heinrich ZIP 2018, 411 (412)).

Die „Schiedsfähigkeit III“-Entscheidung des BGH

Trotz der unterschiedlichen Ausgangslagen bei Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften andererseits entschied der BGH im April 2017, dass die von ihm für die GmbH aufgestellten Mindestanforderungen im Grundsatz auch für Schiedsvereinbarungen bei Personengesellschaften gelten (BGH ZIP 2017, 1024). Dies gelte jedenfalls, sofern gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten seien. Wann eine derartige vergleichbare Interessenlage vorliegen soll, offenbarte der BGH jedoch nicht.

 

Diese Entscheidung stieß auf erhebliche Kritik aus der schiedsrechtlichen Fachliteratur (bspw.: Borris NZG 2017, 761 (763 f.); Heinrich ZIP 2018, 411 (413 f.); Nolting ZIP 2017, 1641 (1642 ff.); Otto ZGR 2019, 1082 (1111, 1121)). Denn an dem Grundsatz der fehlenden inter omnes-Wirkung von Entscheidungen in Beschlussmängelstreitigkeiten bei Personengesellschaften hatte sich nichts geändert. Und der einzige denkbare Fall, in dem eine der GmbH vergleichbare Interessenlage der Gesellschafter bestehen kann, lag dem Urteil des BGH nicht zugrunde. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war die „Beschlussmängelklage“ nämlich nicht gegen die Gesellschaft, sondern „ganz normal“ gegen die übrigen Gesellschafter zu richten. Es handelte sich also um eine übliche Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO.

Der „Mauracher Entwurf“ vom 20. April 2020

Die beabsichtigten Neuregelungen zum Beschlussmängelrecht

Durch den Gesetzentwurf der Expertenkommission zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom April 2020 („Mauracher Entwurf“) soll das Personengesellschaftsrecht umfassend reformiert werden. Der Entwurf sieht u.a. vor, dass auch für die GbR, die OHG und die KG ein eigenständiges, dem aktienrechtlichen Vorbild entsprechendes, personengesellschaftsrechtsspezifisches Beschlussmängelrecht gesetzlich verankert werden soll (§§ 714a ff. BGB-E (GbR), § 105 Abs. 2 HGB-E (OHG), § 161 Abs. 2 HGB (KG)). Hierzu soll zwischen Anfechtungs- und Nichtigkeitsmängeln (§ 714a BGB-E) unterschieden werden. Beschlussmängelklagen sind dabei gegen die Gesellschaft zu richten und nicht mehr – wie bisher – gegen die Gesellschafter (§§ 714d Abs. 2 Satz 1, 714e Satz 1 BGB-E). Ein der Klage stattgebendes Urteil entfaltet künftig inter onmes-Wirkung für und gegen sämtliche Gesellschafter. Dabei kommt es auf die Beteiligung am Rechtsstreit nicht an (§ 714d Abs. 6 BGB-E).

Konsequenzen für die „Schiedsfähigkeit“

Mit der Angleichung des neuen Beschlussmängelrechts bei Personengesellschaften an das für Kapitalgesellschaften dürfte – bei Umsetzung des Mauracher Entwurfs durch den Gesetzgeber – die Kritik in der Literatur an der Schiedsfähigkeit III-Entscheidung des BGH voraussichtlich nicht vollends verstummen. Zwar dürfte das neue Beschlussmängelrecht die Rechtsunsicherheit, die seit der Schiedsfähigkeit III-Entscheidung besteht, wohl beseitigen. Bislang war nämlich nicht vollends geklärt, unter welchen Bedingungen die ursprünglich für die GmbH geschaffenen Anforderungen an Schiedsvereinbarungen nun auch für Personengesellschaften gelten sollen. Der Mauracher Entwurf stellt diesbezüglich Klarheit her. Denn dadurch werden die beiden Regime einander angenähert.

 

Bei Umsetzung des Mauracher Entwurfs durch den Gesetzgeber dürfte daher künftig außer Zweifel stehen, dass die vom BGH mit seinem Schiedsfähigkeit II-Urteil für die GmbH aufgestellten und seiner Schiedsfähigkeit III-Entscheidung auf Personengesellschaften übertragenen Anforderungen an Schiedsvereinbarungen für Beschlussmängelstreitigkeiten Geltung entfalten. Der Mauracher Entwurf „legitimiert“ damit praktisch die dogmatisch bislang nur schwer nachvollziehbare Schiedsfähigkeit III-Entscheidung des BGH. Das ist zu begrüßen. Künftig dürfte es also erforderlich sein, sämtliche Schiedsvereinbarungen bei Personengesellschaften, die auch Beschlussmängelstreitigkeiten umfassen sollen, den für die GmbH aufgestellten Anforderungen anzupassen.

 

Die durch den Entwurf geschaffene „Klarheit“ gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Vielmehr gilt sie nur insoweit als die Gesellschafter auch bereit sind, das neue Beschlussmängelrecht anzunehmen. Den Gesellschaftern bleibt es nämlich im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit (§ 708 BGB-E) unbenommen, für das bisherige „Feststellungsmodell“ zu optieren, was insbesondere bei einer zweigliedrigen Gesellschaft unter Umständen auch stillschweigend in Betracht kommt (Mauracher Entwuf, S. 91). Für diese Fälle bleibt die bisherige Rechtslage unverändert unklar.

 

Für die Praxis dürfte es also dabei bleiben, dass der rechtssicherste Weg zur Gestaltung einer Schiedsabrede für Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften darin besteht, immer die in der Schiedsfähigkeit II (bzw. III)-Entscheidung des BGH aufgestellten Anforderungen zu erfüllen, auch wenn das – jedenfalls dogmatisch – nicht immer begründet sein mag.