Corporate and Group Tax Law

FG Köln und Hamburg: Bloße Verbuchung von Ansprüchen kann zur Versagung der ertragsteuerlichen Organschaft führen

25.04.2023 | FGS Blog

Die Finanzgerichte (FG) Köln und Hamburg haben jüngst dazu Stellung bezogen, wann eine fehlerhafte Verbuchung einer Gewinnabführungsverpflichtung bzw. eines Verlustübernahmeanspruchs zur Nichtigkeit der ertragsteuerlichen Organschaft führen können (FG Köln v. 21.06.2022, Az. 10 K 1406/18; Rev. BFH: I R 37/22 sowie FG Hamburg v. 30.06.2022, Az. 6 K 182/20; NZB BFH: I B 45/22). Gegenstand der Urteile war die Frage, ob eine solche Verbuchung auf einem Verrechnungskonto oder die Umwandlung in ein Darlehen bzw. eine Forderung bereits ausreicht, um ohne tatsächliche Liquiditätsflüsse die Wirkungen einer ertragsteuerlichen Organschaft zu erhalten.

Hintergrund

In der Beratungspraxis dient die ertragsteuerliche Organschaft als Gestaltungsmittel zur Konsolidierung von Gewinnen und Verlusten zwischen Mutter- und Tochterunternehmen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG ist hierzu zwingende Voraussetzung, dass zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Gewinnabführungsvertrag mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer tatsächlich durchgeführt wird. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal der „tatsächlichen Durchführung“ steht im Rahmen von Betriebsprüfungen oftmals zur Diskussion und endet nicht selten in Auseinandersetzungen vor den Finanzgerichten.

Entscheidungen der Finanzgerichte

Vor dem FG Köln ging es um diesen Fall: Die Organgesellschaft buchte die Gewinnabführungsverpflichtung jährlich auf dem Konto „Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter“. Für die Besteuerungszeiträume 2009 bis 2011 erfolgte erst im Jahr 2017 ein Ausgleich des Kontos durch Umwandlung in eine Darlehensschuld gegenüber dem Organträger. Das FG erkannte den Gewinnabführungsvertrag mangels tatsächlicher Durchführung nicht an.

Zur Begründung führte es aus, dass die zunächst erfolgte bloße Verbuchung des Anspruchs auf einem Verrechnungskonto für die Annahme der „tatsächlichen Durchführung“ nicht genüge, wenn auf einem Verrechnungskonto nicht ein zeitnaher Ausgleich erfolgt und die Verbuchung lediglich dem Ausweis einer Verbindlichkeit gegenüber dem Organträger gleichkomme. Die Erfüllung der Verbindlichkeit durch Umwandlung in eine Darlehensverbindlichkeit (sog. Novation) im Jahr 2017 kam aus Sicht des FG zu spät. Die Möglichkeit einer Erfüllung eines Gewinnabführungsanspruchs durch Novation hatte der BFH bereits mit Urteil vom 5.4.1995 (I R 156/93, BFHE 177, 429, Rz. 16) bejaht. Das FG schließt sich dem nochmals ausdrücklich an. Entscheidend beurteilte es jedoch, dass die Novation eben nicht zeitnah erfolgt war. Positiv anzumerken ist aber, dass das FG dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einräumt, einen nicht zeitnahen Ausgleich mit betrieblichen Gründen zu rechtfertigen. Was genau solche betrieblichen Gründe im Einzelfall sein können, lässt das FG aber leider offen.

Ein weiteres Urteil des FG Hamburg führte aus, dass eine zeitnahe Erfüllung des Gewinnabführungs- und Verlustübernahmeanspruchs auch durch Erfüllungssurrogate wie beispielsweise Novation oder Aufrechnung erfolgen kann und erläuterte die Modalitäten dieser Ausgestaltung.

Im Streitfall wurde ein Gewinnabführungsanspruch des Jahres 2015 im April des Folgejahres und ein Verlustausgleichsanspruch des Jahres 2017 Ende Juni des Folgejahres jeweils in ein unbefristetes Darlehen umgewandelt. Das FG bemerkte hierzu, dass eine solche Umwandlung der „tatsächlichen Durchführung“ der Gewinnabführung nicht entgegenstehe und ein so entstandener Darlehensanspruch auch nicht marktüblich (also bspw. fremdüblich verzinst) sein müsse. Voraussetzung für die Anerkennung der Organschaft sei jedoch, dass der Darlehensanspruch werthaltig sei und eine Umwandlung auch zeitnah erfolge. Im vorliegenden Fall war beides der Fall, sodass die Organschaft anerkannt wurde.

Ergänzend verweisen wir auf den Blogbeitrag unserer Kollegen Fabian Mang und Darius Schanz v. 14.02.2023 zu den BFH-Urteilen v. 2.11.2022 (I R 29/19 und I R 37/19). Der BFH beschäftige sich dort u.a. mit der Frage, ob ein Ergebnisabführungsvertrag auch als durchgeführt gilt, wenn ein Verlustanspruch nicht tatsächlich verbucht wird, sondern die Organgesellschaft lediglich in einem internen Begleitschreiben und Berichten auf das Bestehen eines solchen hinweist.

Fazit und Ausblick

Die beiden FG-Urteile machen deutlich, dass Gewinnabführungs- und Verlustausgleichsverpflichtungen grundsätzlich auch unbar tatsächlich vollzogen werden können. Eine „bloße Verbuchung“ auf einem Verrechnungskonto ist hierfür aber wohl nicht ausreichend. Stattdessen ist eine zeitnahe und sauber dokumentierte Novation zu empfehlen. Leider konkretisieren beide Urteile nicht die Erforderniss des „zeitnahen Ausgleichs“. In der Literatur wird eine Frist von drei Monaten bis zu einem Jahr zwischen Aufstellung der Bilanz der Organgesellschaft und tatsächlichem Ausgleich als noch ausreichend angesehen (vgl. Schöneborn, in: Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl. 2019, Die Organschaft aus Finanzverwaltungsperspektive, Rz. 7.46.).

Für den Rechtsanwender fehlt es damit weiterhin an klaren Grenzen. Abzuwarten bleibt, ob der BFH hierzu in dem anhängigen Revisionsverfahren zum erstgenannten Urteil nochmals Stellung nehmen wird.