Am 14.02.2023 hat der Rat der Europäischen Union seine Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete (EU-Liste oder „Schwarze Liste“) angepasst. Auf die Liste wurden neu die Britischen Jungferninseln, Costa Rica, die Marshallinseln sowie Russland aufgenommen. Die in der Vergangenheit eher kurze Liste beschränkte sich im Wesentlichen auf „Exotenstaaten“. Durch die Aufnahme der vier neuen und teils wirtschaftlich bedeutsamen Staaten gewinnt sie nun an Bedeutung. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG), dessen Regelungen mittels der Steueroasen-Abwehrverordnung (StAbwV) auf die EU-Liste abstellen.
EU-Liste und StAbwG
Die Gruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung) des ECOFIN-Rates der EU erstellt und aktualisiert ihre Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete in regelmäßigen Abständen. Die Liste umfasst Drittstaaten, die keinen hinreichenden Informationsaustausch in Steuersachen ermöglichen, sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, unfairen Steuerwettbewerb zu betreiben oder die Mindeststandards des BEPS-Projekts der OECD/G20 nicht erfüllen. Eine Listung hat zwar keine unmittelbaren Sanktionen oder andere wirtschaftliche Maßnahmen zur Folge. Gleichwohl sind die EU-Mitgliedstaaten angehalten, geeignete steuerliche Abwehrmaßnahmen zu schaffen. Diese sind in Deutschland im StAbwG verankert.
Dessen Vorschriften sind auf alle Geschäftsvorgänge anzuwenden, die in oder mit Bezug zu nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten unterhalten werden. Dazu gehören sowohl schuldrechtliche Geschäftsbeziehungen als auch gesellschaftsrechtliche Beteiligungsverhältnisse. Ob ein Steuerhoheitsgebiet als nicht kooperativ anzusehen ist, bestimmt sich im Wesentlichen nach den o.g. Kriterien der EU. Zudem sind das Bundesministerium der Finanzen (BMF) sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ermächtigt, unter Rückgriff auf die EU-Liste die StAbwV zu erstellen, in der die entsprechenden Länder und Gebiete aufgeführt sind (s. in unserem Blogbeitrag).
Zuletzt wurde die StAbwV am 16.12.2022 aktualisiert (BGBl. I 2022, 2413). Es ist davon auszugehen, dass die Britischen Jungferninseln, Costa Rica, die Marshallinseln sowie Russland nach ihrer Listung durch die EU dort zeitnah ebenfalls aufgenommen werden.
Rechtsfolgen des StAbwG
Anders als eine bloße Listung durch die EU führt eine Aufnahme der o.g. Staaten in die StAbwV dazu, dass diese rechtsverbindlich in den Anwendungsbereich des StAbwG fallen. Sodann sind die Rechtsfolgen der §§ 8 bis 11 StAbwG einschlägig, soweit ein im Inland Steuerpflichtiger Geschäftsvorgänge in oder mit Bezug zu den o.g. Steuerhoheitsgebieten unterhält. Im Einzelnen handelt es sich dabei um:
- ein Abzugsverbot für Aufwendungen, die aus den genannten Geschäftsvorgängen resultieren (§ 8 StAbwG), für die neu gelisteten Steuerhoheitsgebiete frühestens anwendbar ab 1.1.2027;
- eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung für alle und nicht nur die passiven Einkünfte nach § 8 Abs. 1 AStG, die von einer im betreffenden Steuerhoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft erzielt und dort niedrigbesteuert werden (§ 9 StAbwG), für die neu gelisteten Steuerhoheitsgebiete frühestens anwendbar ab 1.1.2024;
- eine Quellensteuer auf bestimmte Einkünfte, u.a. auch aus Dienstleistungen und Warenhandel (§ 10 StAbwG), für die neu gelisteten Steuerhoheitsgebiete frühestens anwendbar ab 1.1.2024;
- keine Steuerbefreiung von Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen (§ 11 StAbwG), für die neu gelisteten Steuerhoheitsgebiete frühestens anwendbar ab 1.1.2026.
Angesichts dieser weitreichenden Abwehrmaßnahmen handelt es sich bei der Listung keinesfalls um einen „zahnlosen Tiger“. Vielmehr sind mitunter beträchtliche Steuerfolgen zu erwarten. Daneben müssen gesteigerte Mitwirkungspflichten (§ 12 StAbwG) erfüllt werden, die über die Anforderungen des § 90 AO deutlich hinausgehen. Entsprechende Aufzeichnungen sind für die neu gelisteten Steuerhoheitsgebiete voraussichtlich bereits ab dem 1.1.2024 zu erstellen.
Kein DBA-Schutz
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) schützen nicht davor, dass die in den §§ 8 bis 11 StAbwG aufgeführten Maßnahmen angewendet werden. Bislang war davon nur das DBA mit Trinidad und Tobago betroffen. Mit den übrigen, bislang gelisteten Steuerhoheitsgebieten hatte Deutschland kein DBA vereinbart. Durch die Neulistung der beiden DBA-Staaten Russland und Costa Rica kommt dem StAbwG zusätzliche Bedeutung zu.