Der geplante EU-Listing Act –Reform des Kapitalmarktrechts steht bevor

25.02.2022 | FGS Blog

Das Konsultationsverfahren der Europäischen Kommission für einen sogenannten EU-Listung Act läuft Ende Februar 2022 aus. Die Kommission will noch im zweiten oder dritten Quartal 2022 einen Gesetzesvorschlag für Änderungen im Kapitalmarktrecht vorlegen. Dieser soll noch in 2022 verabschiedet werden. Erklärtes Ziel der Kommission ist es, die Attraktivität der europäischen Kapitalmärkte zu erhöhen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollen leichteren Zugang zum Kapitalmarkt erhalten. Hierzu sollen weite Bereiche des europäischen Kapitalmarktrecht auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls überarbeitet werden. Die möglichen Reformen betreffen das europäische Kapitalmarktrecht insgesamt und nicht nur kleine und mittlere Unternehmen.

 

Die im Rahmen der Konsultation durch die Kommission aufgeworfenen – ca. 100 - Fragen lassen bereits erkennen, mit welchen Themenkomplexen die Kommission sich beschäftigt und welche Regelungen in den EU-Listing Act einfließen könnten. Die Fragen betreffen vor allem die Prospektverordnung, die Marktmissbrauchsverordnung und die MiFID II. Daneben werden unter der Überschrift „weitere mögliche Gebiete für Verbesserungen“ Konsultationsfragen zur Transparenzrichtlinie (Finanzberichterstattung und Beteiligungspublizität), zu SPACs, zur Börsenzulassungsrichtlinie, zu Mehrstimmrechten und zu einem Corporate Governance Standard für KMU gestellt.

Mögliche Reformen der Marktmissbrauchsverordnung

Im Bereich des Marktmissbrauchsrechts ist vor allem spannend, dass die Kommission sich mit der gegenwärtigen Definition von Insiderinformationen und der Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Meldungen beschäftigt. Die ESMA hatte in ihrer Stellungnahme (MAR Review Report), die von der BaFin mitgetragen wird, vorgeschlagen, die Definition von Insiderinformationen beizubehalten und den Emittenten lediglich auf Auslegungsebene weitere Hilfestellung zu geben. Andere Marktteilnehmer sehen dies anders. Folglich hinterfragt die Kommission dies im Rahmen der Konsultation und erfragt Feedback zu folgenden möglichen Alternativen bzw. Klarstellungen:

 

(i) Als Insiderinformationen gelten nur Informationen, die sich auf den Fundamentalwert des Emittenten auswirken.

 

(ii) Sogenannte Zwischenschritte müssen erst per Ad-hoc-Meldung veröffentlicht werden, wenn die endgültige Insiderinformation eingetreten ist.

 

(iii) Es wird zwischen Insiderinformationen, die zunächst lediglich zu einem Handelsverbot führen, und Insiderinformationen, die ad hoc veröffentlicht werden müssen, unterschieden.

 

(iv) Es wird eine Veröffentlichungspflicht für „material events“, die zwischen zwei Quartalsberichterstattungen stattfinden, eingeführt – ein Konzept, das zum Beispiel im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht vorzufinden ist.

 

Darüber hinaus wird zum Beispiel eruiert, ob die Pflicht zur Führung von Insiderlisten für kleinere Emittenten gänzlich abgeschafft und für die übrigen Emittenten erleichtert werden kann. Auch hier hat sich die ESMA gegen umfassende Änderungen ausgesprochen. Die von der Kommission eingeholten Stellungnahmen einer technischen Expertengruppe identifizierte jedoch Reformbedarf.

 

Beim Thema Managers‘ Transactions / Directors‘ Dealings wird zum Beispiel erwogen, die Bagatellschwelle von derzeit EUR 5.000 bis EUR 20.000 (in Deutschland: EUR 20.000) auf bis zu EUR 50.000 zu erhöhen. Dies soll die Zahl der Meldungen verringern.

Mögliche Reformen der Prospektverordnung

Die Konsultationsfragen der Kommission zur Prospektverordnung zielen darauf, mögliche Vereinfachungen der Prospekterstellung zu identifizieren. Dies betrifft neben inhaltlichen Vorgaben sowie Vorgaben zu Format, Länge und Sprache auch die Ausnahmen zur Prospektpflicht. Die derzeitige Ausnahme für Emissionen liegt bei einem Volumen von bis zu EUR 8 Millionen pro Jahr. Die Kommission erwägt, das Volumen auf EUR 10 Millionen zu erhöhen. Wie bislang soll die Entscheidung aber dem jeweiligen Mitgliedstaat vorbehalten bleiben.

Mögliche Reformen der MiFID II

Im Bereich der MiFID II beschäftigt sich die Kommission unter anderem damit, dass kleine und mittlere Unternehmen durch das sogenannte Unbundling nach der geänderten MiFID II weniger research coverage erhalten. Es wird erwogen, für Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von bis zu EUR 1 Mrd. eine Ausnahme zum Unbundling zuzulassen.

Erste Einschätzung

Wie das Konsultationsverfahren zeigt, ist die Europäische Kommission bereit, das Regulierungsfenster zu öffnen und das gegenwärtige Kapitalmarktrecht auf den Prüfstand zu stellen. Welche konkreten Änderungen erlassen werden, ist naturgemäß noch nicht absehbar. Es besteht Hoffnung, dass nicht nur einzelne formale oder bürokratische Regelungen vereinfacht werden, sondern dass insbesondere im Bereich Insiderrecht bzw. Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Meldungen auch die Rechtslage insgesamt überprüft wird. So besteht zum Beispiel bei sogenannten Zwischenschritten oder auch bei unterjährigen Geschäftszahlen im Insiderrecht trotz der Auslegungshilfen der BaFin im Emittentenleitfaden (vergleiche Blogbeitrag Zöllter vom 29. April 2020) noch erhebliche Rechtsunsicherheit, die zu signifikanten Beratungskosten und internem Compliance Aufwand für börsennotierte Gesellschaften führen. Änderungen der Rechtslage, welche diese Rechtsunsicherheit reduzieren, sind auf jeden Fall zu begrüßen. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass die Änderungen stimmig in das Gesamtsystem des Kapitalmarktrechts eingebettet werden.

 

Solche Änderungen im Gesamtsystem bedürfen sorgfältiger Vorbereitung. Aufgrund des ambitionierten Zeitplans der Kommission ist nur mit kleineren Korrekturen zu rechnen. Schon innerhalb von drei bis sechs Monaten will die Kommission einen Vorschlag vorlegen.