Im Falle einer ertragsteuerlichen Organschaft führen Ansatz- und Bewertungsunterschiede zwischen Handels- und Steuerrecht regelmäßig zu einem Abweichen des Steuerbilanzgewinns von dem durch die Organgesellschaft abgeführten handelsrechtlichen Gewinn beziehungsweise dem übernommenen Verlust. Diese Minder- oder Mehrabführungen waren bisher bilanziell auf Organträger-Ebene erfolgsneutral durch die Bildung aktiver oder passiver Ausgleichsposten abzubilden.
Mit § 14 Abs. 4 KStG i.d.F. des KöMoG hat der Gesetzgeber diese sogenannte Ausgleichspostenmethode aufgegeben und durch die sogenannte Einlagelösung ersetzt. Demnach führen Minder- und Mehrabführungen nicht mehr zur Bildung eines aktiven beziehungsweise passiven steuerlichen Ausgleichspostens. Stattdessen sind Minderabführungen als Einlagen in die Organgesellschaft und Mehrabführungen als Einlagenrückgewähr zu behandeln. Der Anwendungsbereich der Einlagelösung ist auf Sachverhalte innerhalb des Organschaftsverhältnisses begrenzt und gilt für nach dem 31. Dezember 2021 endende Wirtschaftsjahre.
Mit Schreiben vom 29. September 2022 hat sich das BMF zu Anwendungsfragen der Einlagelösung geäußert:
Behandlung von Minder- und Mehrabführungen
Die Umsetzung der Einlagelösung ist über den Beteiligungsbuchwert der Organgesellschaft bei dem Organträger vorzunehmen. Hierbei ist das Verhältnis der Beteiligung des Organträgers am Nennkapital der Organgesellschaft nicht länger relevant, vielmehr finden Minder- und Mehrabführungen stets vollumfänglich Berücksichtigung. Ein aus der Anpassung des Beteiligungsbuchwerts entstehender Aufwand beziehungsweise Ertrag ist außerbilanziell zu neutralisieren.
Beim Organträger ist anders als bislang eine beteiligungsbezogene Saldierung von Minder- und Mehrabführungen zulässig.
Übersteigen die Mehrabführungen insgesamt die Summe aus Beteiligungsbuchwert und Minderabführungen, ist der Buchwert auf maximal Null Euro zu reduzieren. Die Bilanzierung eines negativen Buchwerts ist ausgeschlossen. Ein etwaiger übersteigender Betrag stellt einen veräußerungsähnlichen Ertrag dar, auf den unter den gegebenen Voraussetzungen die Regelungen der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG beziehungsweise § 8b KStG Anwendung finden.
Sofern die Organträgerin eine Personengesellschaft ist, sind mögliche Mehr- oder Minderbeträge aus etwaigen Ergänzungsbilanzen zu berücksichtigen und die fiktiven Einlagen(-rückgewährungen) entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen.
Rücklage nach § 34 Abs. 6e KStG
Im Zuge des Systemwechsels sind bestehende organschaftliche Ausgleichsposten aufzulösen und mit dem Beteiligungsbuchwert zu verrechnen. Ein den Saldo aus Beteiligungsbuchwert und aktiven steuerlichen Ausgleichsposten übersteigender passiver Ausgleichsposten führt zu einem veräußerungsähnlichen Ertrag. Zur Vermeidung der sofortigen Besteuerung kann beim Organträger eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, welche im Jahr ihrer Bildung und den nächsten 9 Jahren zu je 1/10 ergebniswirksam aufzulösen ist. Die Auflösung der Ausgleichsposten stellt den letzten Geschäftsvorfall des nach dem 31. Dezember 2021 endenden Wirtschaftsjahres des Organträgers dar. Personengesellschaften als Organträger haben die Rücklage in der Gesamthandsbilanz zu bilden. Die Rücklage ist bereits früher aufzulösen, soweit eine vorherige Veräußerung oder ein veräußerungsähnlicher Tatbestand verwirklicht wird. Als solcher kommen neben der Entnahme oder Übertragung in ein Sonderbetriebsvermögen, die verdeckte Einlage der Beteiligung an der Organgesellschaft sowie deren Auflösung oder aber Umwandlungen des Organträgers in Betracht.
Die §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG sowie § 8b KStG sind auf die jeweiligen Auflösungsbeträge anzuwenden.
Steuerliches Einlagekonto
Minderabführungen erhöhen, Mehrabführungen verringern das steuerliche Einlagekonto. Durch den Wechsel zur Einlagelösung normiert § 27 Abs. 6 S. 2 KStG nun einen Direktzugriff, nach welchem Mehrabführungen vorrangig vor anderen Leistungen das steuerliche Einlagekonto mindern. Mehrabführungen können zu einem Negativbestand des Einlagekontos führen (§ 27 Abs. 1 S. 4 2. Hs. KStG).
Mittelbare Organschaft
Im Falle einer mittelbaren Organschaft sind, sofern sich die finanzielle Eingliederung ausschließlich über eine Zwischengesellschaft ergibt, die bilanziellen Folgen der Einlagelösung auf jeder Beteiligungsstufe nachzuvollziehen. Demnach ist zum einen der Beteiligungsbuchwert der Organgesellschaft bei der Zwischengesellschaft, zum anderen der Beteiligungsansatz der Zwischengesellschaft beim Organträger anzupassen. Gleiches gilt für das steuerliche Einlagekonto. Dieses ist sowohl bei der Organgesellschaft als auch bei der Zwischengesellschaft zu erhöhen beziehungsweise zu mindern. Diese Grundsätze gelten auch, wenn mit der Zwischengesellschaft selbst keine Organschaft besteht.
Hält die Organträgerin sowohl mittelbar als auch unmittelbar Anteile, so sind Minder- und Mehrabführungen der Organgesellschaft im Verhältnis der Beteiligungshöhe des Organträgers zur Beteiligungshöhe der Zwischengesellschaft an der Organgesellschaft auf die Beteiligungsstränge aufzuteilen.
Liegt eine Kettenorganschaft vor, sind bestehende organschaftliche Ausgleichsposten auf allen Ebenen aufzulösen. Die Regelungen der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG und § 8b KStG finden auf Gesellschaften, welche zugleich Organträger und Organgesellschaft sind, gemäß § 15 S. 1 Nr. 2 S. 1 KStG keine Anwendung, sondern sind nur auf Ebene des obersten Organträgers zu beachten.
Fazit
Für Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2021 bedeutet der Wechsel zur Einlagelösung einige erforderliche Anpassungen im Fall von ertragsteuerlichen Organschaften. Bei der Erstellung der jeweiligen Steuerbilanzen und -erklärungen sollte daher ein besonderes Augenmerk auf die vorstehend genannten Punkte gerichtet werden. Sofern sich wegen eines für die Auflösung der Ausgleichsposten nicht ausreichend hohen Beteiligungsbuchwerts ein veräußerungsähnlicher Ertrag ergibt, besteht die Möglichkeit, diesem mit vorherigen Einlagen in die Organgesellschaft entgegenzuwirken.