Tax Law

BFH zur Bilanzierung von Gutscheinsystemen

13.03.2023 | FGS Blog

Gutscheinsysteme stellen für viele Unternehmen eine attraktive Möglichkeit dar, um Kunden zu binden oder neue Kunden zu gewinnen. Trotz der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung bestehen bzgl. der bilanziellen Behandlung von Gutscheinen jedoch diverse Unsicherheiten. Ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29.09.2022 (Az. IV R 20/19), das sich mit der Bilanzierung von Verpflichtungen aus einem Kundenkartenprogramm auseinandersetzt, hat nun für mehr Klarheit gesorgt. In dem Urteil beschäftigt sich der BFH insbesondere mit der Frage, ob bei der Ausgabe von Gutscheinen eine bilanzielle Schuld in Form einer Verbindlichkeit oder Rückstellung auszuweisen ist. Die Finanzverwaltung hatte das bislang in den meisten Fällen verneint. Zudem stellte der BFH aber auch fest, dass der Ausweis einer Schuld nicht durch § 5 Abs. 2a EStG ausgeschlossen wird. Wann die Entscheidung in das Bundessteuerblatt aufgenommen wird, ist nach Aussage der Finanzverwaltung derzeit offen. Finanzgerichtliche Verfahren in ähnlich gelagerten Fällen werden durch die Finanzverwaltung bislang weitergeführt.

1. Entstehung einer bilanziellen Schuld im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe

Nach dem Urteil des BFH ist bei der Ausgabe von Wertgutscheinen regelmäßig eine bilanzielle Schuld auszuweisen. Anders als die Finanzverwaltung, die Gutscheine bisher lediglich als Rabatt auf den künftigen Umsatz ansieht, ging der BFH beim kürzlich entschiedenen Sachverhalt davon aus, dass im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe eine wirtschaftliche Belastung entstand, die als Schuld ausgewiesen werden musste.

2. Ausweis als Rückstellung oder Verbindlichkeit?

Der BFH hat in seinem Urteil festgestellt, dass die Schuld als Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen ist. Zur Begründung führte er aus, dass die Höhe der Schuld im zu Grunde liegenden Sachverhalt zwar ausschließlich vom ersten Warenkauf mit Ausgabe des Gutscheins abhänge und durch die Einlösung des Gutscheins nicht mehr beeinflusst werde. Die bilanziell maßgebliche Verbindlichkeit zur Anrechnung des Gutscheinbetrags entstehe dem Grunde nach aber erst im Zeitpunkt der Einlösung. Der Ausweis einer Verbindlichkeit im Ausgabezeitpunkt sei daher ausgeschlossen. 

Die im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe entstehende Belastung erfüllt u.E. jedoch regelmäßig die Voraussetzungen einer Verbindlichkeit, sodass das Urteil hinsichtlich der Qualifikation als Rückstellung nicht vollständig überzeugen kann. Diese Auffassung wird zunehmend auch in der Literatur geteilt. Bei der Ausgabe von Wertgutscheinen geht der Ausgeber regelmäßig eine vorvertragliche Verpflichtung zum Abschluss eines weiteren Kaufvertrags unter Anrechnung des Gutscheins ein. Der Inhaber des Gutscheins kann dadurch die Einlösung des Gutscheinbetrags (mittelbar) erzwingen.

Unabhängig von der aktuellen Entscheidung des BFH ist eine Verbindlichkeit nach allgemeiner Meinung jedenfalls dann auszuweisen, wenn der Gutscheininhaber einen Anspruch auf Auszahlung des Gutscheinbetrags hat. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung seit dem „Gutmünzen-Urteil“ des BFH v. 22.11.1988 (Az. VIII R 62/85)

3. Wirtschaftliche Verursachung der künftigen Verbindlichkeit im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe

Wenn die maßgebliche Verbindlichkeit – wie vom BFH angenommen – erst im Zeitpunkt der Einlösung entsteht, setzt die Bildung einer Rückstellung im Ausgabezeitpunkt voraus, dass diese künftige Verbindlichkeit wirtschaftlich bereits durch die Ausgabe verursacht wurde. Dies hat der BFH im aktuell entschiedenen Fall angenommen. Alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale für die Entstehung der Verbindlichkeit seien im Ausgabezeitpunkt bereits verwirklicht gewesen. Entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung stufte der BFH den Abschluss eines weiteren Vertrags zur Einlösung des Gutscheins als ein unwesentliches Merkmal für die Entstehung der Anrechnungsverpflichtung ein. Der Gutscheinausgeber sei zumindest faktisch zum Abschluss von Verträgen verpflichtet, welche die Einlösung des Gutscheins ermöglichen, sodass der Abschluss eines solchen Vertrags nur einen formell notwendigen Zwischenschritt darstelle.

Für die Praxis wird künftig die Prüfung der wirtschaftlichen Verursachung von zentraler Bedeutung sein. Dem Urteil des BFH lassen sich diesbezüglich Anhaltspunkte entnehmen, unter welchen Umständen ein hinreichender Vergangenheitsbezug anzunehmen ist. Eine umfassende Prüfung des Einzelfalls ist durch das Urteil jedoch unumgänglich geworden.

​​​​​​​4. Fazit

Insgesamt ist das Urteil des BFH sehr zu begrüßen, da es der Tendenz der Finanzverwaltung entgegentritt, Gutscheine stets als Rabatt auf den künftigen Umsatz anzusehen. Allerdings stellt der BFH die Praxis vor einige Schwierigkeiten, indem er den Ausweis einer Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit fordert. Dies macht eine umfassende Prüfung erforderlich, ob die künftige Anrechnungsverpflichtung bereits im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe wirtschaftlich verursacht wurde. Darüber hinaus wird auch zu prüfen sein, inwiefern die Bilanzierung durch sonstige Besonderheiten des konkreten Gutscheinsystems – wie z.B. Auszahlungsverpflichtungen und das Bestehen eines Clearing-Systems – beeinflusst wird. Zur Vertiefung wird verwiesen auf Weber-Grellet/Diffring/Saft, FR 2023, 115 sowie Diffring/Saft, Ubg 2020, 146.