Real Estate

Bewertungsabschlag für Miteigentumsanteil an einem Grundstück

09.03.2023 | FGS Blog

Für die steuerliche Grundstücksbewertung wird der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit zu Grunde gelegt. Dieser Wert bemisst sich nach dem Vergleichswertverfahren, dem Ertragswertverfahren oder dem Sachwertverfahren. Durch das Jahressteuergesetz 2022 wurden das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren an die veränderte Immobilienwertermittlungsverordnung angepasst, was ab dem 01.01.2023 zu höheren Bewertungen führen kann.

Allerdings kann der Steuerpflichtige auch nachweisen, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der vom Finanzamt festgestellte Wert. Der Nachweis kann beispielsweise mit einem Sachverständigengutachten erbracht werden (§ 198 BewG).

Das Finanzgericht (FG) Münster (AZ: 3 K 1201/21 F) hat mit Urteil vom 24.11.2022 entschieden, dass in einem solchen Gutachten bei entsprechender Begründung ein Bewertungsabschlag in Höhe von 20% für einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück im Vergleich zum Volleigentum vorgenommen werden kann.

In dem dort entschiedenen Fall erwarb der Kläger als Vermächtnis einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstück. Die andere Grundstückshälfte stand im Eigentum einer aufgrund eines vorherigen Erbfalls bestehenden Erbengemeinschaft, die aus dem Kläger und seinem Bruder bestand. Für die Miteigentumshälfte des Klägers erfolgte eine Bedarfswertfeststellung, um die Erbschaftsteuer festzusetzen. Der Kläger wies mit einem Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses einen niedrigeren gemeinen Wert nach, in dem für den hälftigen Miteigentumsanteil ein Marktanpassungsabschlag von 20% angenommen wurde. Das Gutachten begründete, dass der Erwerb eines Miteigentumsanteils für Dritte mit erheblichen Risiken verbunden sei (eingeschränkte Verfügungsgewalt, Abstimmungserfordernisse mit den anderen Miteigentümern, etc.) und Erfahrungen aus Zwangsversteigerungsverfahren und Beleihungswertgrenzen diesen Abschlag stützen würden.

Das beklagte Finanzamt erwiderte, dass das Miteigentum mehrerer Personen kein dem Wirtschaftsgut innewohnender Umstand, sondern nur ein persönliches Kriterium für die Zurechnung sei. Der Nachweis über den niedrigeren Wert sei nur für das Grundstück als Ganzes möglich. Folglich wäre ein Abzug aufgrund des Miteigentums nicht zulässig.

Das FG Münster gab dem Kläger Recht. Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes beschränke sich nicht auf das Volleigentum, sondern könne auch für einen Miteigentumsanteil erbracht werden, dessen Wert niedriger ist als der entsprechende rechnerische Bruchteil des Wertes des Volleigentums. Die zu bewertende wirtschaftliche Einheit sei der hälftige Miteigentumsanteil.

Wird daher nur ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück unentgeltlich übertragen, kann ein Gutachten iSv § 198 BewG aufgrund eines „Miteigentums“-Abschlages einen niedrigeren gemeinen Wert feststellen, was sich für Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecke günstig auswirkt. Auch wenn der übrige Miteigentumsanteil in einem zweiten Schritt unentgeltlich übertragen wird, kann ein Abschlag vorgesehen werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass (teilweise) unterschiedliche Erwerber beteiligt sind, sich die beiden übertragenen Miteigentumsanteile also nicht bei einem einzigen Erwerber zum Volleigentum vereinigen. Ferner muss das Gutachten die Annahme eines Bewertungsabschlags ausführlich begründen. Zudem ist eine etwaige Revisionsentscheidung des BFH abzuwarten.